Liebe Leserin, lieber Leser,
bevor Du hier weiterliest, möchte ich mich erst einmal vorstellen: Ich bin von nun an der schreibende Igel in der OR-Redaktion und verantwortlich für das Projekt „Das isso! Muss man wissen!“
Gepackt hat mich die Schreiberei, weil ich mich seit Kurzem einer quälenden Lektüre unterworfen habe. Sie nennt sich mit Zweitnamen ebenfalls „Post“, ist auch online unterwegs und besitzt als Vornamen nicht mich, sondern den eines hastig nagenden Langohrs.
Ein Igel ist bekanntlich viel schneller und cleverer als dieser stets gehetzte Vierbeiner, der bei jeder Gelegenheit vor vermeintlich grünen Jägern oder roten Reitern in kopflose Panik gerät. Aber anstatt sich zu verziehen, plustert er sich dummdreist auf, und wenn jemand so aufgeblasen daherkommt, steche ich gern zu.
Einen pikse ich besonders gern …
… es ist ein spezielles Langohr mit Brille, das mit seiner „Post“ einen derart gehetzten Eindruck macht, dass seine Aversion gegenüber einer „… kleinen Clique ökobeseelter Feierabendpolitiker im Stadtrat und des Chefs der Bauverwaltung …“ (O-Ton) kaum noch Mäßigung kennt, und das in regelmäßigen Abständen.
Allen, die, wie ich selbst, höchst allergisch auf den sprießenden Schaum vor dem Mund des besagten Postkommentators reagieren, mag meine Vorauswahl jener Textproben eines gehetzten Geistes genügen.
Derartige Allergie-Opfer können sich im Interesse ihres Gemütsfriedens ersparen, sich weiterhin durch die Hasswelt der besagten Online-Zeitung zu klicken. Wer ein dickes Fell besitzt und die Ergüsse weiter studieren will, darf dies im Sinne der – natürlich auch von mir hochgehaltenen – Pressefreiheit gern tun.
Elitenfeindliche Demokratie?
Besonders magazinreich schießt der trotz sprachlicher Mängel offenkundig hochqualifizierte Kommentator gegen politische Menschen, die nach seinem Dafürhalten weniger Examens- oder Irgendwasmitmedien-Urkunden hinterm Schreibtisch hängen haben als er.
Hier nur eine Kostprobe einer Bewertung, die aufgrund eines skandalös fehlenden Uni-Abschlusses vernichtend ausfällt:
„Julia Willie Hamburg heißt die Spitzenkandidatin der Niedersachsen-Grünen. Ausweislich ihres bei Wikipedia veröffentlichten Lebenslaufs hat sie in ihren bislang 35 Lebensjahren – das muss man leider so deutlich sagen – nicht viel zustande gebracht. (…) Irgendetwas, das Frau Hamburg für einen Spitzenposten qualifizieren würde? Tätigkeit in einem Unternehmen? Führungsverantwortung oder auch nur eine einfache steuerpflichtige berufliche Tätigkeit? Fehlanzeige!“
Etliche verantwortliche Funktionen in unterschiedlichen Handlungsfeldern der Kommunal-, Landes- und Bundespolitik zählen aus Sicht des urgescheiten und weltgewandten Kommentators also nichts. Zum Glück bewirbt sich ja weder eine Krankenschwester, noch ein Lkw-Fahrer oder gar eine Putzfrau um ein politisches Spitzenamt. Sollte man nicht gleich das altpreußische Dreiklassenwahlrecht wieder einführen? Oder eine Regelung „Ab Gemeinderat nur noch mit Doktortitel“?
Feindbild Otte und das „Feierabendkabinett“
Weil dies mein erster Igel-Kommentar ist, konzentriere ich mich heute auf Originaltöne der Langohr-Wahrnehmungen aus jüngster Zeit. Zum Beispiel auf den peinlichen Hofknicks vor Osnabrücks neuem Ehrenbürger Christian Wulff. Jener gute Freund des suchtgefährdeten Geldjunkies Carsten Maschmeyer ist für den Herausgeber der Langohr-Post „… einer der profiliertesten Kommunalpolitiker, den das Feierabendkabinett im Rathaus je gesehen hat“. Klar: Seit Jahrzehnten gibt es halt nur Vollpfosten in Rat und Verwaltung. Bis Messias St. Christian kam.
Besonders mitteilungssüchtig wird die Langohrpost, wenn der Herausgeber wieder einmal meint, seinem zentralen Feindbild, Stadtbaurat Frank Otte fest in die Waden beißen zu müssen. Das hochstilisierte „Busgate“, also eine Nachfrage des Baudezernenten in Greven, wo und wann ein Bus für ihn und seine Kolleginnen abführe, verführt den Kommentator zu einem eindeutigen Verdacht: „Vermutlich lacht er sich im stillen Kämmerlein über seine eigene Dreistigkeit scheckig.“
Fies blockierte Parkplätze
Geradezu spitzfindig wird der Kommentator, wenn ihn der Blick durch die Windschutzscheibe seines Gefährts hindurch Osnabrücks Parkplatzangebot betrachten lässt. Hört man den Originalton, sieht man förmlich die Angstweißperlen auf der Stirn eines verzweifelten Stellplatzsuchers, der vor lauter Panik kein einziges Parkschild mehr erkennt.
In der Wahrnehmung des Gehetzten „… wird eine Baustelle nach der anderen aufgemacht und ganze Stadtteile wie Hellern, Lüstringen und der Schinkel sind inzwischen kaum noch erreichbar. Jedenfalls nicht mit dem Bus oder dem Auto – einzig mit dem Fahrrad.“
Aha. Fehlt nur noch der Hinweis auf den dringend notwendigen Einsatz einer Hubschrauber-Armada, um für die kurz vorm Hungertod stehende Bevölkerung Carepakete abwerfen zu können.
Feindbild Fahrrad
Der bedauernswerte Streiter für eine autogerechte Innenstadt scheint generell zu verzweifeln, wenn ihm immer mehr in das Pedal tretende Menschen begegnen. Originalton eines Entzugsopfers der Parkraumvernichtung, das kurz davor steht, samt Auto in den Untergrund zu gehen:
„Die Lortzingstraße ist inzwischen komplett mit Fahrradbügeln … versehen. Und auch die Parkbuchten in der Hasestraße wurden sukzessive mit Fahrradbügeln versehen. Nicht viel anders sieht es in der Dielingerstraße aus – von der inzwischen ‚total-verbügelten‘ Krahnstraße ganz zu schweigen. (…) Und zukünftig soll auch die Durchfahrt an der Lortzingstraße gesperrt werden. Um mal schnell eine kurze Abholung (…) zu erledigen, gibt es inzwischen auch für den normalen Bürger und Steuerzahler keine (zumindest kaum noch) oberirdischen Parkplätze in der Innenstadt.“
Wo parken, wenn nicht in der Fußgängerzone?
Das schwere Schicksal parkplatzsuchender Bodyguards des Innenministers Boris Pistorius hat es dem aufrechten Kämpfer für Stellplatzfülle besonders angetan. Indirekt hat er aber einen Tipp parat:
„Die Bodyguards vom LKA postierten ihren hubraumstarken Oberklasse-Dienstwagen direkt vor dem Theater – mitten auf den Platz der Deutschen Einheit, der deutlich als Fußgängerzone gekennzeichnet ist. Wo sonst sollten sie auch parken?“
Um dann sofort zu wissen, was die armen Bodyguards fühlen und zeigen würden:
„Ich interpretiere diese Parkplatzwahl auch ein Stück weit als ausgestreckten Mittelfinger gegen eine Kommunalpolitik, die vollkommen einseitig auf Fahrrad und ÖPNV setzt!“
Gedankengänge, wie man sie sonst nur von den Koryphäen der Satirepartei BOB kennt.
„Kübelnde“ Andersdenkende
Falls Du, Leserin oder Leser, es bis hierhin geschafft hast, zum Schluss noch ein Kommentar der besonderen Sorte, wenn es darum geht, eine politische Gegnerin zu zitieren.
Demnach „ … kübelte die SPD-Fraktionsvorsitzende Susanne Hambürger dos Reis einen gewohnt realitätsfernen Vorschlag in die Welt, nachdem nun neben Abbiegeverboten auch Geschwindigkeitsreduktionen zum Schwerpunkt der Politik gemacht werden müssten.“
Aha. Abbiegeverbote oder langsameres Fahren sind nun mal von Übel, also hilft nur noch der Kübel, denn hier die Krone der Analyse: Politische Erzfeinde reden oder schreiben nicht, sie „kübeln“. Nach derartigen Ergüssen mit Textbausteinen vom BOB-Grabbeltisch der verbalen Inkontinenz leidet jeder selbst nur rudimentär vorhandene Geschmacksnerv für politische Kultur. Aber wir wissen ja nun, aus wessen Feder derartige Wortkreationen stammen, denn sein Name ist Hase und er weiß von nichts.
Euer Igel
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