Donnerstag, 2. Mai 2024

„Ick bün all hier“ – Trari Trara, die Igelpost ist da, denn nur der Igel weiß, wie der Hase läuft …

Liebe Leserin, lieber Leser,
bevor Du hier weiterliest, möchte ich mich erst einmal vorstellen: Ich bin der schreibende Igel in der OR-Redaktion und verantwortlich für das Projekt „Das isso! Muss man wissen!“. Gepackt hat mich die Schreiberei, weil ich mich vor einiger Zeit dem Lesen einer quälenden Lektüre unterworfen habe. Sie nennt sich mit Zweitnamen ebenfalls „Post“, ist auch online unterwegs und besitzt als Vornamen nicht mich, sondern den eines hastig nagenden Langohrs. Ein Igel ist bekanntlich viel schneller und cleverer als dieser stets gehetzte Vierbeiner, der bei jeder Gelegenheit vor vermeintlich grünen Jägern oder roten Reitern in kopflose Panik gerät. Aber anstatt sich zu verziehen, plustert er sich dummdreist auf, und wenn jemand so aufgeblasen daherkommt, steche ich gern zu.

IGELPOST – 4/23 – 2. Jahrgang – kulturlose Sonderausgabe
Sensation: Die neue Igelpost jetzt noch billiger als ihr Vorbild
Skandal: Igel verteilt auf der Kulturnacht Hugs und Küsse an entsetzte Angsthasen

Immer wenn ich denke, nun lass sie doch, kommen der Hase und sein ständig mösernder als Kolumnist getarnter Bukowski-Verschnitt aus den Tiefen ihres Hasenbaus hervorgekrochen, um mich im Nu eines Besseren zu belehren. Was für ein Paar, das seine geistlosen Ideen, eine Melange aus Hasstiraden gegen Links-Grün und missionarischem Neoliberalismus, solange auf Volldröhnung schaltet, bis auch das primitivste aller Vorurteile bedient und aus der finstersten aller wurmzerfressenen Schubladen gezogen worden ist.

Ganz ehrlich, fühlte ich mich gegenüber denen, die mich lesen, nicht verpflichtet, zur Senkung ihres Blutdrucks und seelischen Wohlbefindens stellvertretend für sie hin und wieder einen widerwilligen Blick in die Hasenpost zu werfen, würde ich mir kein einziges dieser Pamphlete anschauen. Wieso sollte ich mir diese von Werbung durchseuchte Fotowüste mit ihren geistestötenden Anzeigen für absurde Produkte freiwillig zumuten wollen? Keine Sorge, denn tatsächlich ist es so, dass diese altruistische Aufgabe größtenteils längst von unerschrockenen, gänzlich angstbefreiten Leser:innen übernommen wurde.

Andererseits muss ich einräumen, dass das antilinke Hetzblatt meine Chance, den eigenen Schnupperinstinkt nach Unsichtbarem zu schärfen, enorm trainiert, da in der Hasenpost fleißiges Suchen erforderlich ist, um auf die besagten Absonderungen zu stoßen, denn Hasenköttel sind zwar das Gegenteil von Trüffeln, aber genauso schwer zu erschnuppern! Tatsächlich erfordert das Aufstöbern der kompletten Exkremente des Oberhasen und seines untoten Mösers eher Maulwurf- als Igelqualitäten. Kurz vor Erreichen der Geduldsschwelle kann es nämlich gelingen, inmitten dieser elektronischen Litfaßsäule, meist eher zufällig, den Hinweis „weiterlesen“ zu entdecken. Uff! Beruhigt. Der Hase lebt also immer noch! Und Möser? Untot oder schon verblichen?

Um ehrlich zu mir selbst zu sein: Ohne die beiden wäre es das Ende der Igelpost. Eine ebenso schöne wie schreckliche Vorstellung zugleich! Beruhigt drücke ich also den Startschuss zum Scrollen und Grollen. Es folgen meine Fundstellen zum Thema Kultur, die allerdings nur einen geringen Teil von dem ausmachen, was der Hase und sein Dass-mit-ß-Möser in den letzten Wochen ins Netz gegöbelt haben …

Screenshot Hasepost 01.09.23 - "umzu" noch viel mehr Werbung, die wir nicht zeigen wollen ...Screenshot Hasepost 01.09.23 - "umzu" noch viel mehr Werbung, die wir nicht zeigen wollen ...

Drecksäcke aus Afrika?

Wenn ich es schon mal geschafft habe, im Wirrwarr der Produktwerbung den Knopf „Weiterlesen“ zu finden, atme ich erst einmal in Ruhe durch und lehne mich zurück, um die durch den Klimawandel aufgeheizten Hasenspuren für das komplette Sommerloch zu verfolgen.

Schon am 27. Juni konnten Zeitgenossen am Beispiel des künstlerisch verhüllten früheren Kaufhof-Gebäudes nachlesen, welches Geschichts- und Kulturverständnis der Hasenpost-Chef Heiko Pohlmann an den Tag legt. Kostprobe:

„300.000 Euro wird es am Ende gekostet haben, damit von Anfang Juli bis Oktober das inzwischen leerstehende Gebäude des ehemaligen Kaufhof-Kaufhauses mit – man kann es nicht anders ausdrücken –‚Drecksäcken‘ behangen wird.“

Beim Lesen der Wortschöpfung „Drecksäcke“ verspürt man förmlich, wie begeistert der Verfasser hier beim Schreiben über sich selbst gewesen sein muss. Aus seiner Sicht war ja auch Schreckliches geschehen: Da hat sich also ein überdies noch afrikanischer (!) Künstler erdreistet, den friedlichen Leuten in Osnabrück durch ausgehängte Jutesäcke die Folgen ausbeuterischer Handelspolitik mit aus Afrika zum Spottpreis gelieferten Tonnagen von Kaffee, Kakao, Zwiebeln bis hin zur Kohle zu präsentieren, und das in einer Stadt, die einst Hochburg der Produktion und des Handels mit Textilien war. Und darüber hinaus an einem Standort, an dem einst die Gestapo und ein NS-begeisterter Hotelier gewirkt haben! Und dann ausgehängte „Müllsäcke“ statt gerühmter High-Tech-Stoffe der Qualitätsmarke Christo. Das Ganze produziert in einem Staat, in dem einst deutsche Kolonialverbrechen stattgefunden haben, die der Oberhase als quasi unbedeutend abtut. Welch ein Frevel also! Welch eine Provokation, dass die betulich lebende Bevölkerung mit derart problematischen Seiten der eigenen Geschichte konfrontiert und dadurch zum Nachdenken gezwungen wird! Wobei das doch so gern die Hasenpost für das Wahlvolk erledigen möchte.


Frieden als unpassender Begriff?

Bei der Suche nach Geistesblitzen des untoten Justus Möser, in Wahrheit BOB-Pressesprecher Wolfgang Niemeyer und fester Facebook-Freund des Ultrarechtsanwalts Eberhard Frohnecke, überkam mich besondere Panik, vor lauter Baller-Reklame das Knöpfchen „Weiterlesen“ zu übersehen. Ich fand es dann doch, ohne dass mir ein Zacken aus den Igel-Stacheln fiel.

Da hatte sich doch Grünen-Ratsmitglied Volker Bajus tatsächlich erdreistet, nach dem – außer BOB-Voten – fast einstimmigen Beschluss zugunsten eines künftig autofreien Neumarkts von einem „Neumarktfrieden“ zu sprechen. BOB-Möser wittert scheinbar Kanonen. Auch, weil er schon heute einräumen muss, dass „die dortige Fläche inklusive zahlreicher Außenfassaden eher wie ein Schlachtfeld“ aussähe. Also doch Krieg und Militär? Naja, wie soll ein Untoter auch wissen, wie ein reales Schlachtfeld aussieht. „Schlachtfeld“ darf man also sagen, „Frieden“ nicht. Originalton: „Ich halte diese Militarisierung der Wortwahl für einen Kommunalpolitiker reichlich unpassend.“

Aha. Endlich ist klar, dass sich auch hinter dem Begriff „Friedensstadt“, haarscharf von Niemeyer analysiert, sicher das genaue Gegenteil, nämlich ein militärischer Begriff verbergen muss. Auf zum Gefecht! Ein echter Möser! Halleluja!


Schlaflose Kulturnächte

Dass sich in der XXL-Kulturnacht zigtausend Menschen voller Freude durch autofreie Straßen und in illustre Gebäude bewegten, muss ja nach Angsthasen-Logik furchtbare Schattenseiten haben. Das wohl Schlimmste wird in Heiko Pohlmanns Kommentar vom 28. August messerscharf analysiert. Originalton:

„Vor allem Gruppen aus dem linken Spektrum tummelten sich auf dem Wall um ihre Positionen zum Klimawandel, zu illegaler Migration oder gegen den Flughafen FMO zu präsentieren – Themen, die allerdings nur schwerlich einen Bezug oder Anknüpfungspunkt zum Westfälischen Frieden von 1648 boten.“

Es muss ein recht eigenartiges Geschichtsverständnis beim obersten Hasen der Stadt vorherrschen, falls überhaupt eins vorhanden ist. Von vorhinein war klar gewesen, dass sich alle Aktivitäten insbesondere aktuellen Lehren aus dem Friedensschluss von 1648 widmen sollten: Wie schafft man auf dieser Basis Frieden, Demokratie, Respekt, Toleranz und Nachhaltigkeit, wie gestalten wir eine friedliche Zukunft? Pohlmann hätte es sicher treffender gefunden, wären alle Teilnehmenden in Pech und Schwefel getränkten Kostümen herumgelaufen, der Kleiderordnung von 1648 entsprechend. Vor allem, weil es damals zum großen Hasenglück noch keinerlei „Gruppen aus dem linken Spektrum“ gab. Welch goldene Zeiten in der Hasenwelt!

Wer geglaubt hätte, mit der intellektuellen Schärfe des Oberhasen gegen die vermeintlich bösen Linken sei alles zur offenbar verschmähten Kulturnacht gesagt, wurde gleich danach wieder klickfündig Lügen gestraft. In diesem Fall toppt Pseudo-Möser Niemeyer wieder alles, was sich mir schon zuvor meinen Schonkost-Igel-Magen gleich mehrmals umdrehen ließ.

Die Sperrung des Walls, eigentlich freudig begrüßt von allen, die diesen Raum für einige Stunden autofrei genossen, ist nach Auffassung des BOB-Mösers mit ganz finsteren Absichten erfolgt. Alles, wie er wütend zetert, „natürlich politisch korrekt und immer im Bewusstsein des drohenden Klimawandels.“ Wie fatal! Der Klimawandel hat ja auch wirklich nichts mit aktuellen Themen zu tun. Wenn es den zu Lebzeiten Mösers nicht gab, ist der sicher auch heutzutage ein Hirngespinst – erfunden von links-grün versifften Untergangsapologeten. Haarscharf erkennt BOB-ß-Möser, um was es den finsteren Kräften in Osnabrück geht:

„Ein wenig kommt in mir allerdings der Verdacht auf, daß es dabei weniger um gemeinsames Feiern mit allen Bevölkerungsschichten geht, als vielmehr um die Demonstration einer bestimmten politischen Agenda auf Kosten des Steuerzahlers. Rein zufällig ist diese Agenda auch das Programm der Partei, die seit der letzten Kommunalwahl die Mehrheit im Osnabrücker Stadtrat stellt.“

Beruhigen wir uns! Soll es eigentlich verwundern, dass jemand, der den damals elitären Verächter einfacher Menschen namens Justus Möser anhimmelt, sich beschwert, dass einer „Mehrheit“ gefolgt wird? Mehrheit hat ja bekanntlich mit Demokratie zu tun. Und derartige Ideen, bereits bei einigen Aufklärern der Epoche durchaus vorhanden, hat der Elitenfreund Möser seinerzeit bekämpft wie der Teufel das Weihwasser und dennoch meint die Stadt Osnabrück, eine Medaille im Namen dieses “blödsinnigen westfälischen Junkers” (Karl Marx) verleihen zu müssen.

Und eine Mehrheit, die sich schlichtweg freut, wenn ein Teil des Walls einmal für kurze Zeit frei von Blech und Abgasen ist, um einfachen Menschen Begegnungen zu ermöglichen? Einfach ekelhaft. Das zählt nicht. Ist ja nur eine Mehrheit! Wie viel Schaum vorm Mund  muss aufsteigen, wie viel Hirn muss entweichen, um die Wirklichkeit dermaßen verzerrt wahrzunehmen wie dieser Hasenposthetzer?

Aber ist es nicht gerade dieser aufsteigende Hasenschaum, der uns am Ende wieder ein wenig nachsichtig machen sollte und nur mitleidig lächeln lässt? Wer nur so wenig in der irdischen Welt aufgrund seiner hasserfüllt betrachteten grün-roten Feindbilder erblicken kann, für den muss ich als schnellerer Igel am Ende doch Verständnis haben: … denn sein Name ist Hase, und er weiß von nichts.

Euer Igel

 

 

 

 

 

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