Erfolgreicher als im Vorjahr: Das 37. Jazzfest Gronau
Sein Bassist Thomas Stieger sei hinter der Bühne wie ein Familienmitglied begrüßt worden, verriet der Gitarrist Torsten Goods, als er beim diesjährigen Jazzfest Gronau seine Mitmusiker vorstellte. Auch für seinen Schlagzeuger Christian Lettner war die Bühne in der Gronauer Bürgerhalle vertrautes Terrain. Unter anderem gastierte er 2017 mit Klaus Doldingers Passport in der Stadt an der niederländischen Grenze, die als Geburtsort von Udo Lindenberg und durch das dortige Rock ’n’ Pop Museum überregional bekannt wurde.
Alljährlich Ende April, Anfang Mai wird die 51.000-Einwohner-Stadt eine Woche lang vom Jazz beherrscht. Ob beim Frühlingsfest, im Freibad, bei der K + K Musiknacht oder bei „Jazz and Dine“, der Verbindung von gastronomischer und musikalischer Kulinarik – die Stadt pulsiert, es gibt viele Möglichkeiten, in den Straßen und Lokalen der Stadt Jazz der unterschiedlichsten Sparten zu hören, von Oldtime über Acoustic bis Fusion.
In den Abendkonzerten präsentiert das Festival internationale Top-Musikerinnen und -Musiker nicht nur des Jazz. Seit Gründung des Jazzfests im Jahr 1989 lockten Größen wie B. B. King, Pat Metheny, Mother’s Finest, Jan Akkerman, Al Jarreau, Gregory Porter, Level 42, Candy Dulfer Besucher auch von weiter her, nicht zuletzt aus den benachbarten Niederlanden. Auch Osnabrück war in Gronau schon vertreten, mit Christian Rannenberg und der Blues Company.
Das Jazzfest ist ohne Zweifel ein wirtschaftlicher Faktor: „Die Rückmeldungen aus den örtlichen Hotels lassen darauf schließen, dass zum Jazzfest alle Zimmer vergeben waren“, so Thomas Albers vom Kulturbüro Gronau.
In diesem Jahr eröffneten am 29. April David Helbock’s Random/Control feat. Fola Dada den Konzertreigen, anderntags gefolgt von der mitreißenden französischen Funk-Formation Lehmanns Brothers und dem schwedischen Electro-Fusion-Quartett Dirty Loops, das auf vielen namhaften Jazzfestivals aufgetreten ist und dabei, wie sich in Gronau erneut zeigte, auch ein junges Publikum begeistert. Ihr Konzertprogramm würzen sie mit originellen Coverversionen. Hits von Justin Bieber, Lady Gaga, Britney Spears klingen hier, als seien sie von vornherein als Funk-Jazz-Titel komponiert worden.
Ruhiger, aber nicht minder intensiv gestaltete sich der Abend mit den Gitarristen Torsten Goods und Dominic Miller. Goods hatte als Gast die schwedische Sängerin Viktoria Tolstoy mitgebracht. Ein Missverständnis führte zu einer besonderen Einlage: Nachdem sie für einige Titel pausiert hatte, sollte Tolstoy auf die Bühne zurückkehren. Goods Zwischenmoderation dauerte länger, deshalb nahm sie irrtümlich an, die Band werde noch einen Titel ohne Gesang spielen, zog sich hinter die Bühne zurück und musste dann erst gesucht werden. Die Band überbrückte die ungeplante Unterbrechung mit einer freien Improvisation, in die Tolstoy dann direkt einstieg. Ein großer Zwischenapplaus war den Musikern sicher. Im Duett erdachten Goods und Tolstoy, die erkennbar mit Freude bei der Sache waren, bei einigen Songs neue Textzeilen und extemporierten unter anderem Lobgesänge auf das schöne Gronau.
Hochkarätiger Jazz nebst Virtuosität am Instrument und Humor schließen sich nicht aus. Der Gitarrist Dominic Miller schaut ernst drein, hat aber den Schalk im Nacken. In Gronau stellte er sich mit den trockenen Worten vor: „Wir haben nichts vorbereitet. Aber dies ist ja ein Jazzfestival. Also viel Glück …“ Stimmte natürlich nicht. Miller und Bassist Nicolas Fiszman, Keyboarder Jason Rebello und Schlagzeuger Ziv Ravitz sind perfekt aufeinander eingestimmt, ohne dass sie unterkühlte Routine abliefern. Im Gegenteil – in den Soli gelingt es ihnen noch immer, sich gegenseitig zu überraschen, mit kleinen Zitaten, Verzögerungen, Trillern, die bisweilen sogar untereinander zu Lachanfällen reizen. Vergnüglich auch für das Publikum, das bei der Coverversion von „Stayin’ Alive“ der Bee Gees sogar zum Mitsingen aufgefordert wurde. Für Puristen vielleicht Grund zum Stirnrunzeln. Aber ein Heidenspaß.
Dominic Miller ist bekannt durch seine Zusammenarbeit mit einem Musiker, den er gern ironisch „meinen Sänger“ nennt – in Umkehrung der üblichen Praxis, ihn als „Gitarristen von Sting“ zu bezeichnen. Miller komponierte die von Frédéric Chopin inspirierte Urversion des Sting-Hits „Shape of My Heart“ und spielte im Konzert selbstredend seine eigene, jazzige Version.
Zum Konzept des Jazzfests Gronau gehört eine Popnacht. Dabei muss man vielleicht mitunter Vorurteile revidieren. Yvonne Catterfelds Auftritt in 2023 mit ihrem Gospelprogramm fügte sich bestens in das Umfeld eines Jazzfestivals. In diesem Jahr wurde die Popsparte von der Singer-Songwriterin Sophia und der Niederländerin Ilse DeLange vertreten. DeLange ist vielen vermutlich erst durch ihren Auftritt beim European Song Contest 2014 mit „Calm After the Storm“ bekannt geworden, später dann durch ihre Mitwirkung an der Vox-Reihe „Sing meinen Song“. In den Niederlanden zählt sie bereits seit 1998 zur ersten Garnitur. Sie kommt von der Country-Musik, spielte Alben in Nashville ein, verquickt Country mit Pop und lässt auch den Blues nicht außer Acht. In ihren Konzerten begeistert sie mit schier unerschöpflicher Energie und einer beeindruckenden stimmlichen Leistung, mit exzellentem Songwriting und sympathischen, teils sehr persönlichen Moderationen. Sollte es irgendwo im Saal Skepsis gegeben haben, dürfte die sehr schnell ausgeräumt worden sein.
Während andernorts über zurückgehende Besucherzahlen geklagt wird, verbuchen die Gronauer
Veranstalter das diesjährige Jazzfest als Erfolg: „Die Ticketverkäufe und Auslastungen der Konzerte konnten gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden. Allein am 2. Mai um circa 25 Prozent“, erklärt der Mitorganisator Thomas Albers.
Das 38. Jazzfest Gronau wird vom 28. April bis 3. Mai 2026 stattfinden. Das Programm wird Ende 2025 bekannt gegeben.