Samstag, 6. April 2024

„10 Gebote für die Johannisstraße“

Osnabrücker Jungsozialist:innen kritisieren Maßnahmenpaket der Oberbürgermeisterin

Ende Februar dieses Jahresstellte Osnabrücks Oberbürgermeisterin ein 10- Punkte-Programm zur Stärkung der Sicherheit in der Osnabrücker Innenstadt vor. Die zehn vorgestellten Maßnahmen sehen vor, das subjektive Sicherheitsempfinden in der Johannisstraße zu verbessern. Beim Lesen des Plans eröffnet sich allerdings die Frage: Für welche Bürger:innen soll die Sicherheit in der Innenstadt eigentlich gestärkt werden?

Während die Maßnahmen, die Straßen besser zu beleuchten und die Beleuchtung bis zum Salzmarkt entsprechend auszuweiten, sehr lobenswert erscheinen, ergeben sich durch die vielen anderen Punkte einige Auffälligkeiten, die nicht von der Hand zu weisen sind.


Drohende Stigmatisierung 

So ist abzusehen, dass eine Waffenverbotszone den Ordnungsbehörden ermöglicht, verdachtsunabhängige Kontrollen und vor allem verdachtsunabhängige Durchsuchungen durchzuführen. Fehlende Grundlagen für Durchsuchungen führen nachweislich zur Intensivierung der Stigmatisierung von Personengruppen, die bereits von der Gesellschaft und vor allem durch die Ordnungsbehörden regelmäßig unter Verdacht stehen, Straftaten zu begehen. Das Stichwort hier lautet Racial Profiling. Führen mehr Kontrollen also zwingend zu mehr Sicherheit? So sagt die Oberbürgermeisterin selbst: “Wir stellen fest, dass […] die objektiven Zahlen etwas zurückgegangen sind, in den letzten Monaten […]”.  So erscheinen die bereits bestehenden Maßnahmen in der Johannisstraße ausreichend, um die gewünschten Erfolge im Bereich des Rückgangs der begangenen Straftaten zu erfüllen. Inwiefern dahingehend eine Ausweitung der Maßnahmen, unter anderem eine Ausweitung der Videoüberwachung, überhaupt notwendig ist, bleibt fraglich. Es ist nicht belegbar, dass Videoüberwachung zu einer Verringerung der begangenen Straftaten und einer Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls führt. Im Gegenteil. Videoüberwachungen werden überwiegend zur Aufklärung von Straftaten und nicht zur Straftatenverhütung eingesetzt, weshalb das von der Oberbürgermeisterin angebrachte Argument nicht haltbar ist. Im Übrigen darf die Stadt selbst keine Videoaufzeichnungen machen, allein die Polizei hat diese Kompetenz. Die Stadt müsste daher Menschen einstellen, die 24 Stunden an jedem Tag der Woche die Live-Bilder ansehen.

Positiv zu bewerten ist Maßnahme 9, welche eine Einführung eines FINTA-Nacht-Taxis für 7 Euro pro Fahrt thematisiert. Eine gute Sache. Auffällig ist nur, dass sich die Oberbürgermeisterin hier mit einem Projekt brüstet, das ursprünglich durch die im Rat vertretene Gruppe Die Linke/Kalla Wefel in die Haushaltsberatungen eingebracht, wurde. Komisch, plötzlich sind “linke Ideen” gut genug, um als Konzepte der Bürgermeisterin verkauft zu werden.


Verdrängung wohnungsloser Menschen

Neben der oben beschriebenen Förderung von Racial Profiling durch die Waffenverbotszone ergibt sich auch durch die Alkoholverbotszone noch ein weiteres Problem. Eine Alkoholverbotszone wird die sich am Neumarkt und in der Johannisstraße lang aufhaltenden, wohnungslosen Menschen, die gegebenenfalls einer Alkoholsucht verfallen sind, entsprechend aus der Johannisstraße (ihrem gewohnten und sicheren Umfeld) verdrängen und sie in äußere Stadtteile zwingen (Gentrifizierung). Nach dem Motto “Aus den Augen, aus demSinn!” packt die Oberbürgermeisterin das Problem hier nicht an der Wurzel, indem sie diesen Menschen eine entsprechende Unterstützung bietet und sie in ihrer schwierigen Lebenssituation unterstützt. Stattdessen bekämpft sie ausschließlich Symptome und verschlimmert so noch ihre Lage. Ob hier wohl der Fakt, dass Osnabrück Austragungsort des Niedersachsen-Tags 2025 sein wird und wohnungslose Menschen nicht in das Stadtbild der Oberbürgermeisterin passen, eine Rolle spielt? Das weiß wohl nur sie selbst.


Mehr soziale Arbeit ist nötig

Wir wissen allerdings, dass diese Maßnahme nichts mit einem Unterstützungsangebot oder einer Verbesserung der Sicherheit zu tun hat. Wir fordern stattdessen mehr soziale Arbeit für alle bedürftigen Personen der Stadt und sichere Begegnungsorte, z.B. eine Art Begegnungscafé, in dem diese Menschen einen Ort finden, den sie in ihrer schwierigen Lebenssituation aufsuchen können, sie sanitäre Anlagen, Strom, eine Heizung und gegebenenfalls sichere Konsumräume auffinden und entsprechend professionell unterstützt werden. Unsere Oberbürgermeisterin kriminalisiert diese Menschen stattdessen lieber und betreibt eine Politik für das subjektive Sicherheitsgefühl des privilegierten Teils der Gesellschaft. Ein Schachzug, den die CDU nicht nur auf Bundesebene zieht.


Konzept ist oberflächlich

Insgesamt ist das Konzept der Oberbürgermeisterin nicht ausgearbeitet und beantwortet viele Fragen nur oberflächlich bzw. überhaupt nicht. So soll eine “nachtsam”-Kampagne eingeführt werden. Was ist hierunter zu verstehen? Sollen die Mitarbeiter:innen gemäß Maßnahme 7 gestärkt werden? Werden Bürger:innen aufgefordert, andere Mitbürger:innen bei der Stadt zu melden? Wird mehr Polizei in der Innenstadt unterwegs sein oder sollen private, parlamentarisch nicht kontrollierbare Sicherheitsdienste das Gewaltmonopol des Staates vertreten? All dies bleibt offen. Anstatt eine entsprechende professionelle Struktur zu schaffen, die es allen Mitarbeiter:innen, ja sogar allen Menschen in Osnabrück,ermöglicht eine Selbstbehauptungsschulung, die im Übrigen nicht weiter definiert wird, zu absolvieren, schränkt das 10-Punkte Programm diese nur auf den Raum Neumarkt / Johannisstraße ein. Ein sinnvolles Anliegen, das höchstwahrscheinlich wieder einmal schlecht umgesetzt wird.

Inwiefern Maßnahme 8 in die Liste aufgenommen wurde, um die 10-Punkte-Liste zu vervollständigen und sie auf einer spontan angesetzten Pressekonferenz, die zeitgleich mit einer kritischen Pressekonferenz der Grünen Fraktion stattfand, vorzustellen, bleibt, wie so vieles in diesem Papier, unbeantwortet.


Stigmatisierung und Racial Profiling nicht weiter fördern!

Wir fordern die Oberbürgermeisterin auf, die Stigmatisierung und das Racial Profiling der Polizei nicht weiter zu fördern. Darüber hinaus sprechen wir uns klar dagegen aus und verurteilen es zutiefst, dass diese Maßnahmen wieder einmal auf die unterste Gesellschaftsschicht treten und diese aus der Innenstadt verdrängt werden soll, beziehungsweise die Menschen in Osnabrück gegeneinander ausspielt.

Frau Oberbürgermeisterin, betreiben Sie nicht nur Symbolpolitik, indem Sie mit Ihrem 10-Punkte-Programm ausschließlich Symptombekämpfung betreiben und dies mit Mitteln, die einer Oberbürgermeisterin nicht würdig sind! Bieten Sie den betroffenen Personengruppen endlich Angebote, die es ihnen ermöglichen, sicher und professionell unterstützt zu werden. Treten sie nicht auf diese Personengruppen herab, um die privilegierte Klientel ihrer Partei zufriedenzustellen.

Wer aufgrund dieser Stellungnahme odr aus anderen Gründen Kontakt zu den Jusos, Unterbezirk Osnabrück-Stadt, herstellen möchte, hier die Daten: Lengericher Landstraße 19b, 49078 Osnabrück, E-Mail: info@jusos-os.de 

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