Rheuma: kein Stillstand, sondern neuer Weg? Ein Interview Eva Lause
Am 23. Oktober findet um 17 Uhr in den Räumlichkeiten der „rheumapraxis an der hase“ die Eröffnung der Ausstellung „Die 17 Schönheiten und ihre Begleiter“ statt. Im Rahmen des Projektes „Das Unsichtbare sichtbar machen. Der rheumatische Körper und seine Geschichte“ zeigt die Osnabrücker Künstlerin Eva Lause, die selbst an Rheuma erkrankt ist, ästhetische Fotografien und Skulpturen.
Eine rheumatische Erkrankung ist ein Sammelbegriff für bis zu 200 verschiedene Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates, die vor allem Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bindegewebe betreffen. Diese Erkrankungen sind oft entzündlich und können sowohl chronisch als auch schmerzhaft sein. Rheuma kann in allen Altersgruppen auftreten, von Kindern bis zu älteren Menschen. Insgesamt leiden etwa 20 Millionen Menschen in Deutschland an rheumatischen Erkrankungen, was Rheuma zu einer der häufigsten chronischen Erkrankungen macht. Eine frühzeitige Diagnose und individuelle Therapie sind entscheidend, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Zur Eröffnung wird die Tänzerin Vanessa Konzok eine Tanzperformance präsentieren. Wir sprachen mit Frau Lause über die Ausstellungseröffnung und ihre persönlichen Erfahrungen mit der Erkrankung Rheuma.
Osnabrücker Rundschau: Guten Tag, Frau Lause. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein Gespräch genommen haben. Demnächst ist die Eröffnung der Ausstellung „Die 17 Schönheiten und ihre Begleiter“. Wie kamen Sie auf die Idee zu der Ausstellung?
Eva Lause: Die Idee des Projekts war es, das Unsichtbare sichtbar zu machen und dabei den rheumatischen Körper, der insbesondere bei jüngeren Patient*innen von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird, zu zeigen und dabei seine Geschichte zu erzählen. Zudem wollte ich ein Gegenbild zu den eher negativen, wenig inspirierenden Bildern von rheumatischen Körpern schaffen. Wenn man im Internet zum Beispiel nach Bildern von rheumatischen Händen sucht, sieht man fast ausschließlich klinische Aufnahmen. Ich wollte mit dem Projekt und der Ausstellung den Körper in ein schönes Licht rücken und einen anderen, zusätzlichen Schwerpunkt setzen. Letztendlich sind Körper mit Spuren ebenso wertzuschätzen und man kann Schönheit und Ästhetik in ihnen finden.
OR: Und worauf bezieht sich der Titel
EL: Der Titel der Ausstellung ist so zustande gekommen: In Basel habe ich zwei wunderbare Damen kennengelernt. In einem der vielen Gespräche kamen wir auf das Thema Aussehen und die Selbstkritik gegenüber dem eigenen Körper. Eine von Ihnen berichtete, dass die eigene Mutter immer die zur Kritik stehenden Merkmale als die sieben Schönheiten betitelte, in Ableitung zu den sieben Weltwundern. Ich fand den Gedanken sehr schön, dass man bestimmte Merkmale, die bei einem selbst herausstechen und wo man sehr selbstkritisch ist, eben die Besonderheiten sind, die einen zu der Person machen, die man ist. Daher sind die 17 Schönheiten die Körper, die ich fotografiert habe, und die Skulpturen die Begleiter, die sich auf die Begleiterscheinungen der Erkrankung beziehen. So hat man zum Beispiel viele Hände, die einen berühren, Spuren von Operationen oder andere Mikrowunden, die man nur selbst sieht und kennt.
OR: Können Sie uns ein wenig über Ihre persönliche Erfahrung mit Rheuma erzählen?
EL: Sowohl meine Beziehung als auch meine Erfahrung mit dem Rheuma sind komplett durchwachsen. Es war ein langer Prozess des Akzeptierens, den man am besten mit Bildern beschreiben kann. Jahre lang dachte ich, dass es ein Kampf wäre, ähnlich wie wenn man eine Erkältung hat. Man müsse nur die Mittel und Wege finden, die dem Körper helfen, wie man die Erkrankung besiegt. Mittlerweile weiß ich, dass man die Erkrankung eher als Partner:in betrachten und auf dessen Bedürfnisse und Stimmungen eingehen muss. Es ist auch immer ein neuer Verhandlungsprozess, den ich dann mit meinem Körper und mit mir selbst habe. Ich musste lernen, mit dem eigenen Körper und der Erkrankung ins Gespräch zu kommen. Das bedeutet nicht, dass ich pausenlos Selbstgespräche führe, sondern dass ich mich immer wieder selbst frage, wie es mir gerade geht.
OR: Wann wurde die Krankheit bei Ihnen diagnostiziert und wie äußerte sich die Erkrankung bei Ihnen?
EL: Die Diagnose erhielt ich 1997, als ich sechs Jahre alt war. Es hat bei mir mit dem Knie angefangen, das häufig geschwollen war. Man dachte zunächst, dass ich mich irgendwo gestoßen habe. Es trat dann auf Dauer keine Besserung ein, sondern es kamen weitere Gelenke hinzu. Es folgten Hand- und Fingergelenke sowie Hüfte und Sprunggelenke. Wir hatten in Osnabrück einen Hausarzt, der sofort sagte, dass es Rheuma sein könnte. Für mich war es ein Glücksgriff, weil die Rheumadiagnose oft Jahre dauert. Ich wurde dann für sechs Wochen in einer Klinik im Münsterland weiterbehandelt, wo ich dann endgültig diagnostiziert wurde.
OR: Was möchten Sie mit Ihrer Ausstellung vermitteln?
EL: Ich möchte ein Angebot schaffen, um über bestimmte Themen ins Gespräch zu kommen und eventuell mehr über das Leben zu lernen. Es sollen neue Facetten gezeigt werden. Natürlich wünsche ich mir, dass ich auch Aufklärungsarbeit leisten kann, um ein größeres Verständnis für die Erkrankung beziehungsweise für Körper, die nicht der Norm entsprechen, zu schaffen. Mit meiner Arbeit möchte ich zusätzlich vermitteln, dass in allen Körpern Schönheit steckt und man sich für seine Merkmale, körperliche Veränderungen oder auch Narben nicht schämen muss oder sollte. Sie gehören zu einem und machen einen zu der Person, die man ist. Das betrifft nicht nur chronisch erkrankte Menschen, sondern jeden. Der Körper wird sich im Laufe des Lebens verändern, sei es aus Altersgründen, Belastungen, Erkrankungen oder anderen Gründen. Es gehört zum Leben einfach dazu, dass Körper sich verändern und dass sie anders funktionieren und aussehen. Dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb sind sie schön und für mich als Künstlerin interessant.
OR: Wie wirkt sich Rheuma auf Ihren Alltag und Ihr berufliches Leben aus?
EL: Ich glaube, dass ich durch das Rheuma länger gebraucht habe, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Die Erkrankung kann unberechenbar sein und auch die anstehenden Operationen machen das Leben als Selbstständige nicht leichter. Oft kann man in dieser Zeit mehrere Wochen nicht arbeiten. Im Alltag wirkt sich die Erkrankung in Form von vielen Arztterminen und gelegentlichen Schmerzen aus. Auch muss ich häufiger um Hilfe fragen, wenn es darum geht schwere Sachen zu tragen, und mehr darauf achten, dass ich es mit dem Arbeitspensum nicht übertreibe, d. h. mehr Ruhephasen einplanen. Meist sind vermehrte Schmerzen ein gutes Zeichen dafür, dass eine Ruhephase überfällig ist.
OR: Was glauben Sie, sind die häufigsten Missverständnisse oder Vorurteile über Rheuma, die Sie durch die Ausstellung informieren möchten?
EL: Der Schwerpunkt liegt auf jungen Rheumatiker*innen bzw. Personen, die die Erkrankung in jungen Lebensjahren diagnostiziert bekommen haben. Das heißt, dass ich da konkret gegen das Stereotyp arbeite, dass die Krankheit nur ältere Personen betrifft. Es gibt eine Vielzahl an Kindern und Jugendlichen, die an Rheuma erkranken und ihr Leben zusammen mit der Erkrankung führen müssen. Eine Aufgabe, die viel Kraft und Stärke sowie gute Beziehungen verlangt. Ein weiteres Stereotyp, gegen den ich anarbeite, ist die Vorstellung, dass man mit einer chronischen Erkrankung nicht so viel erreichen kann. Der Weg mag schwerer sein und anders verlaufen als bei anderen, aber man kann auch mit der Erkrankung viel erreichen und ein aktiver Teil der Gesellschaft sein.
OR: Welche Rolle spielt Kunst oder Kreativität in Ihrem Umgang mit der Krankheit?
EL: Die Kunst ist für mich eine Methode, mich mit dem Thema Rheuma auseinanderzusetzen. Durch die Verhandlung der Krankheit in der Kunst kann ich diese verarbeiten und besser verstehen. Manche Menschen schauen sich ein Video an oder lesen ein Buch, um die Erkrankung besser greifen zu können. Ich bearbeite das Thema in der Kunst mit den Materialien, die ich auch in Bezug auf die Erkrankung benutze. So arbeite ich beispielsweise mit Tupfern, Nadelspitzen, medizinischen Handschuhen und so weiter.
OR: Gibt es besondere Geschichten auf dem Weg zur Ausstellung, die Ihnen persönlich sehr am Herzen liegen?
EL: Es gab sehr viele großartige und bedeutsame Momente. Sehr viele Geschichten, die mich berührt haben. Eine besonders schöne Erfahrung im Projekt war, dass ich eine Teilnehmerin kennengelernt habe, die selbst Kunst studiert. Sie hat mir sehr bei dem Projekt geholfen und mir Mut gemacht.
OR: Was möchten Sie Menschen auf den Weg geben, die selbst an Rheuma leiden oder jemanden kennen, der davon betroffen ist?
EL: Finde deinen eigenen Weg! Es gibt viele medizinische und therapeutische Perspektiven, wie man mit der Krankheit umgehen soll. Am Ende muss man für sich einen guten Weg finden und dazustehen. Dieser kann auch immer wieder neu reflektiert und überarbeitet werden, aber es sollte eben der eigene Weg sein; einer, mit dem man selber gut und für sich selbst richtig das Leben bestreiten kann.
OR: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Lause, und viel Erfolg für die Ausstellungseröffnung.
Der Ausstellungszeitraum ist vom 23. bis 27.11.2024 in der Rheumapraxis an der Hase in der Möserstraße 46 zu sehen. Nur zur Ausstellungseröffnung werden alle Bilder und Skulpturen zu sehen sein. Danach wird noch eine Auswahl der Werke gezeigt. Das Projekt wird von der Stadt Osnabrück gefördert.
Hier sind die fünf häufigsten auftretenden Arten von Rheuma:
- Rheumatoide Arthritis (RA)
Eine chronische entzündliche Autoimmunerkrankung, die vor allem die Gelenke betrifft.
Verbreitung: Betroffene Gelenke sind häufig an Händen, Füßen, Knien und Ellbogen.
Ungefähr 1 % der Bevölkerung ist betroffen, was etwa 800.000 Menschen entspricht.
Medikamente wie entzündungshemmende Mittel (NSAR), Basistherapeutika (DMARDs), Biologika, Physiotherapie und manchmal Operationen. - Morbus Bechterew (Ankylosierende Spondylitis)
Eine chronische entzündliche Erkrankung, die hauptsächlich die Wirbelsäule betrifft und zu deren Versteifung führen kann.
Vorwiegend die Wirbelsäule und das Iliosakralgelenk.
Etwa 0,1 bis 0,5 % der Bevölkerung, hauptsächlich junge Männer.
Physiotherapie, Bewegung, entzündungshemmende Medikamente, Biologika. - Arthrose
Degenerative Gelenkerkrankung, bei der der Knorpel in den Gelenken abgebaut wird, was Schmerzen und Steifheit verursacht.
Häufig in Knie, Hüfte, Hände und Wirbelsäule.
Über 5 Millionen Menschen leiden an Arthrose.
Schmerzmittel, Physiotherapie, Gelenkstützen, Gewichtsreduktion, in schweren Fällen operative Eingriffe (z. B. Gelenkersatz). - Lupus erythematodes
Eine Autoimmunerkrankung, die nicht nur Gelenke, sondern auch Haut, Nieren und andere Organe betreffen kann.
Gelenke, Haut, Nieren, Herz und Lunge.
Ungefähr 40.000 Menschen betroffen, überwiegend Frauen.
Immunsuppressiva, Cortison, Schutz vor UV-Strahlung. - Fibromyalgie
Eine chronische Erkrankung, die durch weit verbreitete Schmerzen in Muskeln und Gelenken sowie durch Müdigkeit gekennzeichnet ist.
Muskeln, Sehnen und Bindegewebe im ganzen Körper.
Zwischen 1 und 2 Millionen Menschen, überwiegend Frauen.
Schmerztherapie, Physiotherapie, Entspannungsübungen, psychologische Betreuung.
Behandlungsansätze bei Rheuma:
- Medikamente: Entzündungshemmer (z.B. NSAR), Immunsuppressiva, Biologika.
- Physiotherapie: Bewegungstraining zur Erhaltung der Gelenkfunktion.
- Ernährung: Eine entzündungshemmende Ernährung (z.B. Omega-3-Fettsäuren) kann unterstützend wirken.
- Chirurgie: In schweren Fällen Gelenkersatz oder korrigierende Eingriffe.
- Alternative Therapien: Akupunktur, Heilpflanzen und andere komplementäre Ansätze können die Behandlung unterstützen.
Insgesamt leiden etwa 20 Millionen Menschen in Deutschland an rheumatischen Erkrankungen, was Rheuma zu einer der häufigsten chronischen Erkrankungen macht. Eine frühzeitige Diagnose und individuelle Therapie sind entscheidend, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.