Geht zur Wahl und lasst euch wählen – ein Appell!
Phantastisch, Gänsehautgefühl: Tausende und Abertausende Menschen gingen und gehen in diesen Tagen auf die Straßen und Plätze in ganz Deutschland, um gegen Rechts und das Erstarken von Parteien wie der AfD zu demonstrieren.
„Endlich!“ mag man denken, endlich ist der Knoten geplatzt und viele trauen sich, öffentlich zu sagen: „Es reicht! Nicht mit uns! Wir wollen kein neues 1933, keine ’nationale Regierung‘, keine ‚Remigration‘!“
Und dann? Was ist kommende Woche, in drei Wochen, in zwei Monaten? Was wird sein am 26. Mai 2024, wenn in Thüringen die Kreistage, Gemeinderäte und Stadträte gewählt werden, was am 1. und 22. September in Thüringen, Sachsen und Brandenburg?
Und im nächsten Jahr (2025) bei der Bundestagswahl im Herbst?
Solange ich zurückdenken kann, galt in meiner Familie, die nicht übermäßig politisch ist, der Leitgedanke „Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – wer nicht zur Wahl geht, darf sich hinterher auch nicht beschweren.
Und ich kann wirklich guten Gewissens behaupten, zu jeder Wahl hingegangen zu sein oder bei bevorstehendem Urlaub von der Briefwahl Gebrauch gemacht zu haben. Auch wenn ich gestehen muss, dass mir die Entscheidung oft nicht leichtfiel. Ich habe dann halt zwischen mehreren demokratisch ausgerichteten etablierten Parteien gesplittet (dafür gibt es ja schließlich Erst-, Zweit- und manchmal auch Drittstimmen).
Aber nicht hingehen, mir das Geschehen vom Sofa aus im TV ansehen und hinterher schimpfen? Das kam und kommt nicht in Frage! Keine Stimme den rechten Parteien, jede meiner Stimmen dagegen!
Ich habe mir einmal die Wahlbeteiligungen der letzten Jahre angeschaut (bis hinunter zum Jahr 1949 kann man im Internet die Ergebnisse und Auswertungen der Wahlen in Deutschland hier nachvollziehen: https://www.tagesschau.de/wahl/uebersicht-der-wahlen.shtml)
in % | |
Bundestag 2021 | 76,6 |
Europa 2019 | 61,4 |
Baden-Württemberg 2021 | 63,8 |
Bayern 2023 | 73,3 |
Berlin 2023 | 63,0 |
Brandenburg 2019 | 61,3 |
Bremen 2023 | 56,9 |
Hamburg 2020 | 63,2 |
Hessen 2023 | 66,0 |
Mecklenburg-Vorpommern 2021 | 70,8 |
Niedersachsen 2022 | 60,3 |
Nordrhein-Westfalen 2022 | 55,3 |
Rheinland-Pfalz 2021 | 64,4 |
Saarland 2022 | 61,4 |
Sachsen 2019 | 66,6 |
Sachsen-Anhalt 2021 | 60,3 |
Schleswig-Holstein 2022 | 60,3 |
Thüringen 2019 | 64,9 |
16 Bundesländer | 1011,8 |
Wahlbeteiligung Schnitt | 63,2 |
… und mir anschließend die Wahlergebnisse der Landtagswahl von Niedersachsen im Jahr 2022 etwas genauer angeschaut. Dadurch, dass die Wahlbeteiligung lediglich 60,3% betrug, gab es einen eklatanten Unterschied zwischen der relativen Verteilung der prozentualen Gewinne pro Partei und der Verteilung, wenn man die maximal mögliche Zahl der Wahlberechtigten zugrunde legt.
Die fehlenden Stimmanteile in Höhe von 39,7% der Nichtwähler fielen unter den Tisch und somit wurden nur die Stimmen derjenigen auf Landtagssitze verteilt, die zur Wahl gegangen sind. Geht man von 100% Wahlberechtigten aus (Annahme: von den 39,7% Nichwählern hätte niemand die AfD gewählt) hätte 2022 die AfD statt 11,0% nur 6,6% Zustimmung erhalten:
Beispiel Wahl zum Niedersächsischen Landtag 2022: | ||
anteilig in % der | anteilig in % an den | |
Ergebnis: | abgegebenen Stimmen | Gesamt-Wahlberechtigten |
SPD | 33,4 | 20,14 |
CDU | 28,1 | 16,94 |
Grüne | 14,5 | 8,74 |
FDP | 4,7 | 2,83 |
AfD | 11,0 | 6,63 |
Linke | 2,7 | 1,63 |
Andere | 5,6 | 3,38 |
100,0 | 60,3 | |
hiernach werden die | ||
Sitze im Landtag verteilt | ||
Wahlbeteiligung in % | 60,3 | |
verschenkte Stimmen in % | 39,7 |
Aber es gibt ja nicht nur die Möglichkeit, das sogenannte aktive Wahlrecht wahrzunehmen. Man kann sich in der Regel auch wählen lassen, also das passive Wahlrecht wahrnehmen. Dazu muss man nicht einmal einer Partei angehören (diese hinter sich zu haben, macht es vielfach leichter auch im Hinblick auf die Wahllisten, nach denen Stimmen auch verteilt werden), sondern kann sich als Direktkandidat auf eine Wahlliste setzen lassen, nachdem man eine gewisse Anzahl von Befürwortern auf einer Unterschriftsliste hinter sich versammeln konnte.
Auf jeden Fall ist neben dem öffentlichen Aufschrei, neben Demos, Diskussionen, Artikeln der in Deutschland zum Glück freien Presse eine Wahlbeteiligung unerlässlich, um dem Ausbreiten des braunen Sumpfes Einhalt zu gebieten.