Eigentlich sollte ein kranker Mensch im Krankenhaus gut behandelt werden. Eigentlich sollte eine entsprechende Krankenpflege dazugehören. Eigentlich sollten die Bedürfnisse des erkrankten Menschen erfasst und er oder sie entsprechend versorgt werden. Eigentlich …
Leider ist mir in den vergangenen Wochen der Glaube daran abhanden gekommen – Bitterkeit und auch Wut allerdings sind geblieben. Was ist passiert?
Mein inzwischen 88 Jahre alter Vater (trägt einen anderen Nachnamen als ich), geistig absolut fit, aber körperlich sehr stark eingeschränkt durch eine fortschreitende Makuladegeneration, also fast blind, und gehbehindert, musste wegen einer geplanten Operation ins Krankenhaus.
Die Operation an einem Montag verlief gut und schnell, aber was dann kam, hätte nicht sein dürfen:
Es war bekannt, dass er kaum etwas sieht und sich nicht gut fortbewegen kann. Er bekam dreimal täglich Flüssignahrung (Suppe und Joghurt), Tee und Wasser (das stand allerdings als Flasche am weiter entfernten Tisch, so dass mein Vater es weder sah, noch die Flasche hätte aufmachen können) und entsprechende Schmerzmedikamente, einmal täglich kam die Visite.
Ihm wurde nichts erklärt, nicht gesagt, wie die OP verlaufen ist und wie es weitergehen wird.
Die starken Schmerzen im Oberbauch hielten jedoch an und trotzdem sollte er am Donnerstag entlassen werden. Als ich ihn am späten Nachmittag dieses Tages besuchte, kam eine Krankenpflegerin hinzu und fragte, warum er denn noch da wäre.
Nachdem ich dann intervenierte, dass er keine Entlassungsinfos bekommen habe und auch mit diesen Schmerzen nicht alleine zu Hause sein kann, war die einzige Frage, warum denn der Sozialdienst nicht gerufen worden wäre.
Nach einer halben Stunde kam dann doch noch ein Arzt, der meinen Vater noch einmal abtastete und verfügte, dass er Freitag noch einmal ins CT kommt und übers Wochenende dort bleiben kann.
Während seines Aufenthalts hatte er natürlich auch das Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen. Nach der hinzugerufenen Hilfe und verrichteter Dinge passierte es mehrfach, dass er länger als 10 Minuten dort verbringen musste, bis ihm jemand wieder zum Bett half.
Ansonsten hat sich zwischen den Mahlzeiten niemand blicken lassen.
Das wäre alles noch erträglich gewesen, aber nach der Entlassung am Montag klappte er zwei Tage später zu Hause zusammen und konnte sich dank Notfallarmband bei Nachbarn bemerkbar machen. Diese riefen den Rettungsdienst, da er nicht mehr klar bei Verstand zu sein schien und Verdacht auf einen Schlaganfall bestand.
Im nächsten Krankenhaus „durfte“ er dann rund zehn Tage bleiben, am Tropf und ebenfalls mit flüssiger Nahrung. Seine Füße wurden jedoch noch dicker und entzündeter mit sich ablösender Haut. Einzige Behandlung: Kompressionsverband (keine Hautärztin oder Pflegerin schaute hier genauer hin).
Nachdem er wieder etwas aufgepäppelt war (der Verstand kann auch wieder – kein Schlaganfall) kam er in die Kurzzeitpflege in eine Senioreneinrichtung.
Und hier wurde uns erst richtig klar, was passiert war:
Wohl mangels Personal, ob ungewollt oder aus finanziellen oder planerischen Gründen gewollt (den Pflegekräften kann man mit Sicherheit keinen Vorwurf machen) hat sich niemand richtig gekümmert und gesehen, dass der alte Herr über die lange Zeit im Krankenhaus viel zu wenig getrunken hat und regelrecht ausgetrocknet, ja fast verdurstet ist.
Die entzündeten Füße waren eine Folge mangelnder Pflege – alte Menschen haben nun einmal teils sehr trockene Haut; dies wurde durch das Nichts-Trinken natürlich noch verstärkt.
Eine Pflegerin in der Senioreneinrichtung ließ meinen Vater die Füße 10 Minuten im Wasserbad einweichen, entfernte die Hautfetzen, salbte die Füße ein, dicke Socken drüber und am nächsten Tag konnte er sich wieder fast schmerzfrei selbst per Rollator durchs Zimmer und die Flure bewegen.
Ich habe nun ein bisschen geforscht.
Es gibt vom International Council of Nurses eine international anerkannte Definition von Pflege: „Pflege umfasst die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften, sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen (Settings). Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein. Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy), Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung.“
Und in Deutschland befassen sich viele Organisationen mit dem Thema „Pflege“, zum Beispiel in Deutschland der „Deutsche Pflegerat e. V. – Bundesarbeitsgemeinschaft Pflege- und Hebammenwesen“ https://deutscher-pflegerat.de/ ).
Ich frage mich wirklich, ob die anscheinend rudimentäre Versorgung mit dem Fachwissen und der Einsatzbereitschaft der Pflegekräfte in unseren Krankenhäusern der Heilung von Patienten zuträglich ist und fordere ein Umdenken. Auch die Zentralisierung und Spezialisierung kann meiner Ansicht nach zwar ein Baustein sein, um medizinische Fortschritte zu erreichen. Aber bleibt der Mensch an sich nicht auf der Strecke???? Nicht nur die Patienten, sondern auch die Pflegekräfte?