Industriedenkmal Ringlokschuppen Osnabrück – oder wie man 110 Jahre vergessen machen kann

Ja, er hat wirklich 110 Jahre auf dem Buckel, der Ringlokschuppen an der Hamburger Straße, auf der Rückseite des Osnabrücker Hauptbahnhofs. Und das sieht man ihm gar nicht (mehr) an.

Am vergangenen Sonntag, dem „Tag des offenen Denkmals“, der jedes Jahr am zweiten Sonntag im September zelebriert wird, konnte man sich von der beeindruckenden Verjüngungskur ein Bild machen.

Ein bisschen Zeitgeschichte:

Der Ringlokschuppen wurde 1913 durch die Königlich Preußische Eisenbahnverwaltung errichtet und diente seinerzeit der Wartung und Reparatur von Dampflokomotiven. Er hatte Verbindung zum zentralen Rangier- und Güterbahnhof, der ebenfalls zwischen 1911 und 1914 erbaut wurde.

Ringlokschuppen osnabrück alt, innen
Foto: Kerstin Broszat

Interessant ist, dass der Ringlokschuppen tatsächlich nicht kreisförmig ist, sondern oval, wobei etwa nur das halbe Oval als Gebäude besteht. In der Mitte des (gedacht vollständigen) Ovals befanden sich ganz unüblich zwei Drehscheiben nebeneinander, über die die Lokomotiven in die 34 Lok-Stände (ähnlich Stallungen für z.B. Pferde) bugsiert wurden.

Und noch etwas ist bemerkenswert: der Ringlokschuppen ist in dieser Größe einer der ersten Bauwerke in Stahlbetonkonstruktion. Zwischen die einzelnen Elemente wurden gebäudehohe Fenster eingesetzt, die ausreichend Licht hineinließen (und auch noch lassen).

Nun mussten die Loks aber zum Hineinfahren in den Lokschuppen befeuert werden und qualmten entsprechend – diese „Abluft“ wurde aufgefangen und durch drei große Schornsteine nach außen befördert.

Im Jahr 1996 wurde das Gebäude als Baudenkmal der „Verkehrs- und Technikgeschichte“ unter Schutz gestellt.

Ringlokschuppen osnabrück, neuer Innenausbau
Foto: Kerstin Broszat

Und wie das nun so ist mit denkmalgeschützten Bauwerken – man darf nicht mehr alles damit machen, was man möchte. Ideen und fachliche Expertise sind bei einer Nachnutzung gefragt.

Das Gebäude zerfiel zusehens, viele der Fensterscheiben gingen zu Bruch (wohl nicht von alleine), die großen Stahltüren wurden hin und wieder gewaltsam aufgebrochen, zwischenzeitlich gab es auch mal Aufräumaktionen für eine Verwendung als Messe-Saal oder Diskothek, aber alles nicht von Dauer.

Bis sich die Osnabrücker Coppenrath-Stiftung mit einer Idee einschaltete und in Kooperation mit der Stadt Osnabrück und der Universität und der Hochschule Osnabrück ein Konzept entwickelte und verwirklichte, das kurz vor dem Abschluss steht (als Coppenrath Innovation Centre (CIC)).

Unter anderem wurde dort vor einigen Monaten das Deutsche Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (DFKI) heimisch, Hochschule und Uni werden ebenfalls einziehen, und weitere Räume werden vermietet zum Beispiel an Start-Ups, KI-Firmen oder Handwerksbetriebe.

Ringlokschuppen osnabrück, Ausblick aus einer Arbeitszelle
Foto: Kerstin Broszat

Damit diese Firmen ihre Räume beziehen können waren aufwändige Arbeiten notwendig, die das Münsteraner Architekturbüro Kresings vor einige Herausforderungen stellte. Ergebnis war schließlich ein Raum-im-Raum-Konzept: in die vorhandene Hülle und in die vorhandenen „Betonstallungen“, die natürlich renoviert wurden, setzte man Zimmerboxen aus Holz und Glas und zwar je zwei übereinander, so dass nun ein zweigeschossiges Gebäude entstand, deren Etagen durch Treppen, Aufzüge und Flure miteinander verbunden sind.

Im Außenbereich werden in Erinnerung an die beiden Drehscheiben ein Aufenthaltsbereich mit einem kleinen kreisförmigen See angelegt und ein zweiter kreisförmiger, überdachter Bereich.

Auf dem weiteren Grundstück wird zur Zeit das „Lok-Viertel“ zum Wohnen und Leben geplant. Wir sind gespannt.

Fotos: Kerstin Broszat

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