Lesequartett am Schreibtisch von Remarque

Dr. Thomas Brakmann
Premierenlesung des Sammelbandes „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit“

Den folgenden Bericht von der Premierenlesung des Buches „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit“ am vergangenen Sonntag dürfen wir mit großem Dank an Dr. Thomas Brakmann, Archivar und Leiter der Abteilung Osnabrück des Niedersächsischen Landesarchivs, übernehmen. Das Buch hat zwischenzeitlich nahezu alle örtlichen Buchhandlungen erreicht.


Lesung aus dem Sammelband mit Biografien widerständiger Persönlichkeiten

Im Remarque-Friedenszentrum wurde am 19. November vor etwa 40 Zuhörerinnen und Zuhörern der vom Osnabrücker ILEX-Kreis um Heiko Schulze, Martina Sellmeyer, Dieter Przygode und Hartmut Böhm herausgegebene Band „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit“ im Rahmen einer Lesung vorgestellt.

Der Band vereinigt die Biografien von 36 mutigen Osnabrückerinnen und Osnabrückern, die sich mit ihrem couragierten Verhalten auf unterschiedliche Art und Weise dem NS-System widersetzt haben. Die Herausgeberin und die drei Herausgeber stellten im Rahmen der Buchvorstellung jeweils eine Persönlichkeit vor.

Dieter Przygode präsentierte den evangelischen Pastor von St. Marien, Hans Bodensieck (1881-1953), der u.a. von der Kanzel mutig die nationalsozialistische Ideologie als „Irrlehre“ bezeichnete und entlarvte und unter Beobachtung und Verfolgung der Osnabrücker Gestapo stand.

Hartmut Böhm referierte über das Schicksal der Luise (Lissy) Rieke (1913-1945), die als überzeugte Kommunistin bereits 1933 nach Amsterdam emigrierte und nach der deutschen Besetzung der Niederlande weiter im Untergrund aktiv war, und Druckschriften produzierte und verteilte. Im Januar 1943 wurde sie verhaftet, aber erst Ende 1944 hat man ihr den „Prozess gemacht“. Sie wurde zum Tode verurteilt und in Dortmund am 5. Januar 1945 hingerichtet.

Martina Sellmeyer skizzierte das Leben der Ruth Gottschalk-Stern (1915-2019), insbesondere die dramatischen Ereignisse rund um die Reichspogromnacht 1938. Ihr Mann wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Osnabrück verhaftet, in aller Öffentlichkeit und im Schloss misshandelt und schließlich nach Buchenwald verschleppt. Da das Ehepaar bereits über die erforderlichen Dokumente für eine Ausreise in die Vereinigten Staaten verfügte, gelangt es Ruth Gottschalk-Stern zwei Gestapobeamte zu bestechen und schon am 14. November 1938 die Entlassung ihres Mannes zu erreichen. Gemeinsam gelang ihnen die Ausreise in die USA. Ihre meisten anderen Osnabrücker Familienmitgliedern konnten Osnabrück und Deutschland nicht verlassen und wurden ermordet.

Heiko Schulze stellte die Persönlichkeit und das Wirken von Josef Burgdorf (1895-1964) vor. Unter dem Pseudonym ILEX verfasste der Journalist der Tageszeitung „Freie Presse“ schon vor 1933 zahlreiche NS-kritische Berichte. Am 1. April 1933 rächten sich die lokalen NS-Größen, trieben ihn durch die Straßen und misshandelten und demütigten ihn in aller Öffentlichkeit. In den kommenden 12 Jahren wurden er nachweislich 20mal inhaftiert und auch nach dem Krieg traf ihn der Hass der früheren NS-Parteigänger, die offen seine „Vergasung“ verlangten.

Der Sammelband schließt zum einen eine Lücke. Osnabrück war zwar einerseits eine Stadt, in der viele die NS-Herrschaft aktiv und passiv bejahten, aber auch eine Stadt, in der es Widerstand gab. Der Band zeigt Menschen, die durch ihr widerständiges Verhalten Diskriminierung, Ausgrenzung oder den Verrat an der Demokratie nicht einfach toleriert und hingenommen haben.

Und zum anderen zeigt der Band offen Desiderate der Forschung auf. Im Anhang finden sich weitere 70 Persönlichkeiten, die im Osnabrücker Widerstand zwischen 1933 und 1945 aktiv waren und deren Biografie und Wirken aufgearbeitet werden sollten.

Und auch die sich an die Lesung anschließende Diskussion zeigt, wie sehr dieser Sammelband zur Erinnerung an die NS-Zeit in Osnabrück einen „Nerv“ getroffen hat und damit einen wichtigen Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur leistet.

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Der Sammelband „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit. 36 Biografien mutiger Menschen“ kostet 24,80 Euro und ist erhältlich im örtlichen Buchhandel.

Der uns überlassene Text wurde noch am Sonntag auf den Seiten des Geschichtsblocks des hiesigen Historischen Vereins veröffentlicht: https://hvos.hypotheses.org/10871


Abbildung oben: Am Schreibtisch von Erich Maria Remarque präsentierten (v.l.n.r.) Martina Sellmeyer, Heiko Schulze, Hartmut Böhm und Dieter Przygode gemeinsam den Sammelband „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit“. Foto: Thomas Brakmann.
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