Freitag, 26. April 2024

„Osnabrück wegweisend“: Anna-Gastvogel-Straße


Ein Straßenname – na und?

Wir sind alle in irgendwelchen Straßen aufgewachsen. Immer wieder steuern wir Straßen an und geben Straßennamen in das Navi ein. Tagtäglich sehen wir Straßenschilder und nehmen sie zumeist nur beiläufig zur Kenntnis. Manche klingen langweilig (Hauptstraße, Schützenstraße), andere nach großer Politik (Konrad-Adenauer-Ring, Willy-Brandt-Platz). Doch hinter Straßenschildern können auch interessante lokale Geschichten, Persönlichkeiten und Schicksale stecken.

Die Osnabrücker Rundschau veröffentlicht jeden Sonntag eine Geschichte zu Osnabrücker Straßennamen. Sie stammen allesamt aus dem im Anno-Verlag erschienenen Buch „Osnabrück wegweisend“ (ISBN 978-3-939256-38-0), das Dr. Tobias Romberg 2016 herausgegeben hat. Die Texte haben junge Menschen verfasst, die damals SchülerInnen der Ursulaschule Osnabrück oder Studierende waren.

 

Anna-Gastvogel-Straße
seit dem 26.09.1995 benannt nach Anna Gastvogel
geb. 11.02.1905 in Achmer
gest. 26.05.1990 in Achmer
engagierte Leiterin eines ev. Kindergartens in der Neustadt (1925-1966)

Engagierte Erzieherin
Von Benedikte Lechtermann

Auf dem ehemaligen Gelände der General-Martini-Kaserne am Hauswörmannsweg liegt die Anna-Gastvogel-Straße. Der Straße im Stadtteil Kalkhügel sind nur 14 Hausnummern zugeordnet, wovon eine der Evangelischen Familienbildungsstätte (Fabi) zugewiesen ist. Mit der dieser Straße ehrt die Stadt Osnabrück die am 11. Februar 1905 geborene und am 26. Mai 1990 verstorbene Erzieherin Anna Gastvogel.

Anna Gastvogel wuchs als eine von drei Töchtern auf dem elterlichen Hof in Bramsche-Achmer auf. Sie übernahm, hier sind die Angaben unterschiedlich, 1922 bzw. 1924 die Leitung des von Beginn an paritätisch geführten evangelischen Kindergartens in der Miquelstraße.

Anna Gastvogel leitete den Luther-Kindergarten bis 1966 und verhinderte mehrmals die Schließung der Einrichtung. Aus finanziellen Gründen wechselte der Träger der „Kinderbewahranstalt“, wie sie zunächst hieß, immer wieder. Von den verschiedenen Geldgebern wurde die Tagesstätte für Fabrikarbeiter jeweils nach ihren politischen Prioritäten umbenannt. Was sich jedoch über die Jahrzehnte nicht änderte, war die Notwendigkeit der Einrichtung für die im Stadtteil lebenden und arbeitenden Familien, so dass Eltern ihre Kinder gut aufgehoben wussten, wenn sie sich nicht selbst um sie kümmern konnten. Das war schon in der damaligen Zeit für viele Südstadtfamilien alltäglich: Die „Nebenher-Erziehung“ in der Großfamilie war schon in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts für viele Arbeiterfamilien nicht mehr möglich, da ein Einkommen allein nicht ausreichte und Großeltern nicht mehr unbedingt nahebei wohnten.

Anna Gastvogel übte ihre Tätigkeit für diverse Träger aus, ohne das Kind im Mittelpunkt ihrer Arbeit aus den Augen zu verlieren. Sie ließ sich weder durch die Nazis noch durch die Alliierten daran hindern, den Eltern eine sichere Möglichkeit zur Erziehung und Ganztagsbetreuung zu bieten. Auch das Verbot der Briten, in ihrer Besatzungszone Bildungseinrichtungen und Kindergärten zu betreiben,  hinderte die motivierte Erzieherin keinesfalls daran, ihre Arbeit zum Wohl der Familien fortzusetzen. Im Gegenteil: Ihre Beziehungen zur Werksleitung der Hammersen-Werke, eines früheren Trägers, sorgten dafür, dass auch in den schweren und von materieller Not geprägten Nachkriegsjahren die Kinder aus der Werkskantine mit einer warmen Mahlzeit versorgt wurden.

Die Besatzer wollten gegen diese selbstlose Eigeninitiative nicht ernsthaft etwas ausrichten und ließen „Tante Anna“, wie die selbst für heutige Zeiten modern wirkende Pädagogin liebevoll genannt wurde, weitermachen. So leitete sie bis 1966 die auch heute noch bestehende Kindertagesstätte in der Miquelstraße.

Anna Gastvogel adoptierte den Sohn der Pächter des elterlichen Hofes, der ihr wiederum einen Enkel schenkte und zeigte sich auch in dieser Hinsicht modern. Der Enkel erinnert sich an seine Oma als eine penible Hobbygärtnerin, die sich gern hin und wieder ein paar kurze Urlaubsreisen gönnte, um aufzutanken.

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