Was steckt hinter aktuellen Plakataktionen in der Innenstadt?
Im Rahmen des Feministischen Frühlings macht das „Unordnungsamt“ mit einer Plakataktion auf bestehende Ungleichheiten und Statistiken zu Gewalt gegen Frauen aufmerksam. Die OR dokumentiert die Begründung der Initiator*innen im Wortlaut.
Seit kurzer Zeit zieren knapp 200 Plakate die Osnabrücker Innenstadt. Darauf zu lesen sind Statistiken wie „Häusliche Gewalt an einer Frau: alle 3 min“, „Mord: Täter 88%, Täterinnen 12%“ oder „Spitzenposition in den 160 größten deutschen Unternehmen 2023: Männer 96 %, Frauen 4 %“. Diese und weitere Beispiele verdeutlichen, wie wir uns als Gesellschaft selbst täuschen. In Deutschland herrscht oft die Illusion der Fortschrittlichkeit in Bezug auf Frauenrechte. Doch die alarmierenden Zahlen auf unseren Plakaten zeigen, dass diese Vorstellung nicht der Realität entspricht.
Ziel der Plakataktion ist es, ein Bewusstsein für existierende Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu schaffen. Uns ist bewusst, dass die rein binäre Unterteilung in Mann und Frau nicht die Realität abbildet, und wir solidarisieren uns mit allen INTA-Personen und deren Kämpfen um Anerkennung und gegen Diskriminierung.
Die Plakate sollen darauf aufmerksam machen, dass das Patriarchat unser gesellschaftliches Leben weiterhin stark beeinflusst. Es zeichnet ein Bild des starken Mannes, der die Familie ernähren kann, der Entscheidungen trifft, der dominiert. Das Resultat daraus ist eine Gesellschaft, in der Frauen systematisch unterdrückt werden. Zum einen zeigt sich das bei der Erwerbsarbeit: Männer verdienen mehr (auch bei gleicher Tätigkeit und Stundenanzahl), Männer sind häufiger in Spitzenpositionen, Männer arbeiten häufiger in Vollzeit. Frauen dagegen übernehmen oft mehr Care-Arbeit – in der Regel unbezahlt – und sind somit häufiger finanziell abhängig von ihrem Ehemann und/oder von Armut bedroht, vor allem im Alter. Gleichzeitig arbeiten Frauen pro Woche mehr Stunden als Männer, eben wegen der zusätzlichen Arbeit in Haushalt und Kindererziehung. Dass in den führenden Unternehmen Deutschlands nur 4 % der Spitzenpositionen von Frauen besetzt sind, zeigt, dass Gleichberechtigung in der Arbeitswelt noch lange nicht erreicht ist.
Zum anderen zeigt es sich auch in geschlechtsspezifischer Gewalt: Im Jahr 2024 gab es insgesamt 360 Femizide (Tötung von Frauen) in Deutschland. Alle 3 Minuten erfährt eine Frau in Deutschland häusliche Gewalt. Gleichzeitig sind 88 % der Verurteilten in Mordprozessen männlich, nur 12 % weiblich. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass Gewalt überdurchschnittlich oft von Männern ausgeht und überdurchschnittlich oft Frauen trifft. Ein Zustand, der in unseren Augen nicht hinnehmbar ist. Wir, das Unordnungsamt Osnabrück, fordern entsprechende Maßnahmen als Reaktion auf diese Zahlen. Denn hinter jeder Zahl steht eine Frau, ein Leben, das es zu schützen gilt. Wir brauchen niedrigschwellige Unterstützungsangebote und Anlaufstellen für von Gewalt betroffene Frauen. Wir brauchen Solidarität und unbürokratische schnelle Hilfe.
Wir streben nach einer Gesellschaft, die frei von Diskriminierung ist, die jeder Person die gleichen Chancen bietet – unabhängig von Geschlecht, Klassenzugehörigkeit, Herkunft, körperlichen und psychischen Voraussetzungen – und in der Gewalt nicht zum Alltag gehört. Die Realität zeigt leider, dass es bis dahin noch ein langer Weg ist.
Das Unordnungsamt Osnabrück ist aus der lokalen Extinction-Rebellion-Gruppe hervorgegangen. Wir nutzen kreativen Protest, zivilen Ungehorsam und direkte Aktionen, um auf Missstände aufmerksam zu machen und solidarische Alternativen zu fördern. Unser Ziel ist es, die bestehende Ordnung, die als Deckmantel für Ausbeutung, rechte Ideologien, zerstörerischen Kapitalismus und die Ignoranz gegenüber der Klimakrise dient, ins Wanken zu bringen.