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Donnerstag, 27. Februar 2025
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Welche Schatten hinterlassen Kriege – und warum sind Menschen unglücklich?

Neue Werke junger ukrainischer Menschen über ihr Leben im Krieg auf der aktualisierten Webseite „Recall, Reflect, Retell“

Die Webseite „Recall, Reflect, Retell“ ist eine virtuelle Ausstellung von Werken, die sich auf die Geschichten von Menschen konzentrieren und von jungen Ukrainer:innen über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie die ukrainische Geschichte erstellt wurden. Die Webseite wurde Anfang 2024 nach den Public History Workcamps „Recall, Reflect, Retell“, die im Sommer 2023 stattfanden, ins Leben gerufen.

Nach der zweiten Runde dieser Workcamps im Sommer 2024 präsentieren wir nun 10 neue Werke in verschiedenen Formaten und Techniken, die in ukrainischer und englischer Sprache verfügbar sind. Diese Werke wurden von jungen Ukrainerinnen und Ukrainern im Alter von 18 bis 25 Jahren geschaffen und erweitern ihr Verständnis über die Auswirkungen des Krieges auf die ukrainische Jugend, ihre Erfahrungen, Wahrnehmungen und Gedanken über die Zukunft.

Von links: Anny Gareeva, Sofiia Kostenko und Leeza Svyrydenko, Alle fotografiert von Anna Yatsenko von After Silence
Von links: Anny Gareeva, Sofiia Kostenko und Leeza Svyrydenko, Alle fotografiert von Anna Yatsenko von After Silence

Anny Gareeva (20, Fotografin, Charkiw — Czernowitz) trat mit Sorgen um ihren Ehemann in das Projekt ein. Er war früher ein Bildhauer-Dekorateur und ist heute ein Soldat der ukrainischen Streitkräfte. Nachdem er vom Frontdienst nach Hause zurückkehrte, blieb sein Geist dennoch im Krieg. Während der Workcamps lernte Anny, wie sie ihre Erfahrungen durch Interviews und Kunst ausdrücken kann, und schuf ihr Projekt in Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann. Das Foto-Projekt The Shadows of the Battles ist eine visuelle Chronik seines Alltags — Emotionen und Sorgen, Ängste und Träume sowie die Veränderungen, die der Krieg in das Leben der Familie gebracht hat. Dies half dem Paar, mit seiner Situation umzugehen.

„Durch das Kameraobjektiv möchte ich die Emotionen, Erfahrungen und Veränderungen vermitteln, die der Krieg in unser Leben gebracht hat. Jedes Bild erzählt davon, wie der Krieg die menschliche Seele transformiert, uns zwingt, unsere Routine zu überdenken und neuen Sinn im Leben zu finden“, sagt Anny.

Sofiia Kostenko (19, Journalistin, Sumy) erfuhr im Alter von 12 Jahren, dass sie eine Krim-Tatarin ist. 1944 wurden die Krim-Tataren, die indigenen Völker der Krim-Halbinsel, von den Sowjets aus ihrer Heimat deportiert. Das gleiche Schicksal traf Sofiias Verwandte. Aufgrund tief verwurzelter Angst kehrten sie nie nach Krim zurück und versteckten ihre Herkunft über viele Jahrzehnten.

Während der Workcamps lernte Sofiia, wie sie mit ihrem Großvater über dieses sensible Thema sprechen kann, um das Schicksal ihrer Verwandten zu erfahren. Sie konnte ihre Familiengeschichte rekonstruieren. Außerdem führte sie ein Interview mit einer jungen Krim-Tatarin, die nach 2022 wegen der Verfolgung durch die russischen Besatzer gezwungen war, die Halbinsel zu verlassen. Diese beiden Geschichten wurden Teil von Sofiias Projekt 44/22.

„Ich halte es für unerlässlich, das Gedächtnis an diese Tragödien zu bewahren, weil sie nicht nur Teil der Krim-Geschichte sind, sondern auch eine persönliche Narbe in meinem Herzen hinterlassen haben. Die Geschichten von zwei Familien werden zeigen, was der Kampf um das Recht, man selbst zu sein, bedeutet. Ich hoffe, dass dieses Projekt 44/22 den Lesern hilft, die Kultur, den Schmerz und die Unbesiegbarkeit der Krim-Tataren zu verstehen. Wir müssen diese Lektion für unsere gemeinsame Zukunft lernen. Vergesst nicht, wer unser Feind ist“, sagt Sofiia.

Leeza Svyrydenko (26, Regisseurin, Donezk — Kiew) war überladen mit schmerzlichen Gefühlen und Gedanken über die russische Besetzung von Donezk im Jahr 2014, ihrem geliebten Zuhause. Während der Workcamps lernte Leeza, wie sie mit Familienarchiven arbeiten kann und wie diese Menschen vereinen, Erinnerungen wecken und Kreativität anregen können. Beim Sammeln ihrer Archivmaterialien entschied Leeza, ihre persönliche Geschichte der Vertreibung zu erzählen. Um sich endlich mit diesen schwierigen Erfahrungen auseinanderzusetzen und weiterzumachen, drückte sie die Gefühle, mit denen sie zehn Jahre lang gelebt hatte, im Dokumentarfilm Why Are People Unhappy? aus.

„Fast alles, was Sie im Video sehen werden, ist zerstört: meine ganze Kindheit, alles, was mich als Mensch geformt hat, was mich erfüllt hat und weiterhin erfüllt. Ich wollte immer Regisseurin werden, und dieser Film ist einzigartig, weil ich ihn in Zusammenarbeit mit einem jüngeren Ich geschaffen habe. Als ich 10-13 war, habe ich viel mit meiner Olympus Digitalkamera gefilmt. Mit 25 habe ich Material über das kleine Ich bearbeitet und mich so mit der Zeit und dem Raum vor der Besetzung verbunden, mit mir als glücklichem Kind, das nicht vom Krieg traumatisiert war, das kreativ sein, filmen und einfach leben wollte. Ich glaube, dieser Film kann Menschen helfen, die keine ähnliche Erfahrung gemacht haben, das Problem der Vertriebenen zu verstehen“, sagt Leeza.

Sie können sich mit diesen und anderen Werken auf der Webseite vertraut machen, indem Sie dem Link folgen.

Ausschnitt aus dem Film Why Are People Unhappy?, erstellt von Leeza Svyrydenko
Ausschnitt aus dem Film Why Are People Unhappy?, erstellt von Leeza Svyrydenko

Hintergrund

Das Projekt Recall, Reflect, Retell ist Teil des Dokumentarprojekts „My Trace — Children and Youth in War“, das seit 2022 von den Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht mit finanzieller Unterstützung der Kinderhilfsorganisation Terre des Hommes Deutschland durchgeführt wird. Das Recall, Reflect, Retell-Projekt wird in Partnerschaft mit der ukrainischen bürgerschaftlichen Organisation After Silence umgesetzt, die ebenfalls mit Gedenkkultur, Public History und historisch-politischer Bildung arbeitet. Das Projekt hat zum Ziel, die ukrainische Jugend zu unterstützen, die Sichtbarkeit ihrer Erfahrungen und Perspektiven zu erhöhen und Solidarität zu fördern.

Die erste Runde der Recall, Reflect, Retell-Workcamps fand im Sommer 2023 in der Ukraine (Verkhovyna, Oblast Ivano-Frankivsk) und in Deutschland (Osnabrücker Region, Niedersachsen) statt. Die zweite Runde wurde im Sommer 2024 in der Ukraine (Kamianets-Podilskyi, Oblast Chmelnyzkyj und Slavsko, Oblast Lwiw) durchgeführt. Im Jahr 2024 nahmen 14 Teilnehmende im Alter von 18 bis 25 Jahren aus verschiedenen Teilen der Ukraine teil.

Durch Workshops, Führungen, Filmvorführungen und Diskussionen lernten die ukrainischen Jugendlichen Werkzeuge und Prinzipien kennen, die sie nutzen können, um mit Themen wie Krieg, Vertreibung und Familiengeschichte in den sich entfaltenden traumatischen Ereignissen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu arbeiten. Anschließend arbeiteten die Teilnehmenden an ihren Projekten zur Public History.

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