Donnerstag, 11. Januar 2024

Friedensreporter*innen des Gymnasiums „In der Wüste“ berichten … Teil 4

Friedensreporter*innen
Osnabrück feiert sieben Monate lang mit einem bunten Programm das Jubiläum des Westfälischen Friedens. Vor 375 Jahren kam es zum historischen Friedensschluss. Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums „In der Wüste“ sind für die Stadt Osnabrück als Friedensreporterinnen und Friedensreporter unterwegs. Sie berichten multimedial von einigen Veranstaltungen, zum Beispiel bei Instagram (@wueste.media), aber auch mit einem Podcast in Kooperation mit dem OS-Radio 104,8. Auch für die OR schreiben die Jugendlichen gelegentlich.


Romi Brox (Text)
„Wer zu Intoleranz, Gewalt und Hass auffordert, hat aus der Religion eine Ideologie gemacht.“
Friedensreporterin Romi Brox hat ein Interview mit Professor i. R. Dr. Reinhold Mokrosch vom Philosophischen Café in Osnabrück geführt.


Können Sie uns etwas über sich erzählen?

Ja, gerne. Ich bin jetzt 83 Jahre alt. Vor 65 Jahren, 1958, als ich 18 Jahre alt war, hatte ich ein einschneidendes Erlebnis im Sudan gehabt. Nach dem Abi war ich als Pfadfinder mit einem Freund von Hamburg bis Karthum getrampt und wanderte bei 52 Grad Celsius durch die Steppe. Dort kam eine zwei Meter große Sudaneserin auf mich zu und legte mir unverhofft etwas in den Arm. Es war ihr Neugeborenes, – fast tot. Es starb in meinem Arm endgültig. Ich schrie zu Gott: „Warum gibt es solches Leid? Warum gibt es so schreckliches Leid auf Erden!?“ Dort entschloss ich mich, Theologie zu studieren, um eine Antwort auf diese Frage zu finden. Bis heute habe ich viele Antworten gefunden, aber keine endgültige.


Inwiefern beeinflussen Religionen den einzelnen Menschen und die Gemeinschaft?

Ich wünsche mir, dass nicht die negativen Seiten einer Religion den Alltag bestimmen, sondern nur die positiven Seiten. Die negativen Seiten erwachsen aus einem abgrenzenden absolutistischen Anspruch auf die absolute Wahrheit der eigenen Religion und der eigenen religiösen Praxis. Glaubenskriege, Politische Kriege, Gewalt und Intoleranz sind die Folgen.

Die positiven Seiten einer Religion erwachsen aus dem Glauben der Gleichgeschöpflichkeit aller Lebewesen. Denn die Folge dieses Glaubens sind Bemühen um die Bewahrung der Schöpfung, Respekt vor jedem Menschen und jedem Lebewesen, und Eintreten für Gerechtigkeit und Frieden. Wer religiös ist, ist tolerant, ist hilfsbereit, ist selbstkritisch, denkt und empfindet über nationale Grenzen hinaus, und kooperiert bei seinem Eintreten für ‚Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung‘ mit allen Gläubigen und Nicht-Gläubigen.


Immer mehr Menschen treten aus der christlichen Religion aus und werden zu Atheisten. Wie lässt sich das erklären?

Leider werden die meisten keine bewussten Atheisten, sondern sie sind religiös und weltanschaulich gleichgültig. Einsparung der Kirchensteuer, Kritik besonders an den katastrophalen Missbrauchsfällen, Kritik an patriarchalischen Strukturen und auch Kritik an der männlich ausgerichteten Struktur der christlichen Religion sind Motive zum Austritt aus Kirchen und christlicher Tradition. Dazu kommt der neuzeitliche Individualismus. Jeder möchte selbst entscheiden. Institutionen haben nur noch wenig Chancen.


Inwiefern darf man Religionen / Abzweigungen von Religionen tolerieren, wenn von ihnen selbst keine Toleranz ausgeht oder sie zu Gewalt und Hass auffordern?

Wer zu Intoleranz, Gewalt und Hass auffordert, hat aus der Religion eine Ideologie gemacht. Das liegt sehr nahe. Solche Akteure und Akteurinnen instrumentalisieren Religion für ihr eigenes unmenschliches Programm. Sie kooperieren oft mit terroristischen Regimen und liefern denselben eine gewaltorientierte Pseudo-Basis.


„Religion ist ein Gefängnis für den Menschen“ – was sagen Sie zu dieser Aussage? 

Religion KANN zu einem Gefängnis werden. Karl Marx meinte ja auch, dass Religion Opium für das Volk und auch Opium des Volkes sei. Viele Religionskritiker meinen das ebenfalls. Freud kritisiert, dass sich z. B. Christen als „Kinder Gottes“ verstehen. Das sei kindisch und verhindere ein Erwachsenwerden. Und viele stellen fest, dass die Angst vor Hölle und Teufel, also jenseitigen Strafen, die Menschen wie in ein Gefängnis einsperre. Solche Religionskritik ist berechtigt. Sie sollte aber prüfen, ob sie die oft pervertierte Praxis vieler Gläubiger mit den Kernansprüchen von Religion verwechselt.

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