Geo-Zoo in Osnabrück: Welt-Landschaften und Tierpflege trotzen Klimawandel und Artensterben (mit Podcast)

(Texte und Interviews: Heiko Schulze & Kalla Wefel / Fotos: Manfred Pollert / Technik & Gesamtgestaltung: Kalla Wefel)*

Teil 2 der OR-Serie zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens

Der Osnabrücker Zoo wollte zumindest geografisch immer hoch hinaus. Von Beginn an befindet er sich auf einem hügeligen Waldgelände im Norden der Stadt. Mittlerweile ist seine Fläche auf beachtliche 23,5 Hektar angewachsen.

Das Besondere an ihm sind nicht allein unterschiedliche Tierarten, mit denen heutzutage wohl jeder Zoo aufwarten möchte. Bemerkenswert ist vor allem das Bemühen, bestimmten Tierarten nicht nur Futter und tierpflegerische Betreuung zukommen zu lassen, sondern auch exakt jene Landschaft, die global mit den jeweiligen Geschöpfen zu tun hat – und die nicht selten in ihrem Bestand bedroht ist. In der Tat findet sich mit dem Zoo heutzutage ein Stück belebte Welt in Osnabrück. Ob afrikanische, indische, nordamerikanische Landschaft bis hin zur ostfriesischen Insel-Idylle: Allen Räumen begegnen wir im Osnabrücker Zoo auf überschaubarem Raum. Von Indien bis nach Nordamerika sind es nur wenige hundert Meter.

Zeugen dieser „Eine-Welt-Darbietung“ sind Besuchende in Rekordzahlen: Seit 2011 kommen fast jedes Jahr gut eine Million – womit die Anlaufstelle ganz offiziell zu den Größten und Besten in Europa gehört.

Zugleich bleibt der Osnabrücker Zoo ein besonders markantes Beispiel für ein breitgetragenes bürgerschaftliches Engagement: Eine gut 2300 Mitglieder starke Zoogesellschaft trägt die Einrichtung mit überschaubarem städtischen Zuschuss in weitgehender Selbstverwaltung. Womit kann eine Friedensstadt, die das zwischenmenschliche und globale Miteinander im Herzen trägt, besser dienen?


Vom Heimattiergarten zum Zoo: „Nich am Bär packen!“

Nur sehr alte Osnabrückerinnen und Osnabrücker können sich daran noch erinnern: Der Osnabrücker Zoo wurde am 26. Juli 1936 mit großem öffentlichem Echo eröffnet. Die Nationalsozialisten waren gut drei Jahre an der Macht und nutzten auch derartige Anlässe zur Propaganda ihrer Blut- und Bodentheorie. Beinahe ideologisch trug der Treffpunkt für Jung und Alt noch den Titel „Heimattiergarten“. Den finanziellen Grundstock für den Tiergarten bildeten seinerzeit vor allem private Spenden einzelner Tierliebhaber. Die ersten Geschöpfe machten dem Namen „Heimattiergarten“ dann auch alle Ehre. Zu bestaunen waren ein Dachs, ein Fuchs und ein Bär. Kurze Zeit später folgten die ersten Gehege: eine Voliere, ein Eulenturm, ein Hirsch- und Rehgatter. Fischfreunde durften kurze Zeit später auch ein Aquarium betrachten. Wer Löwen oder Giraffen bestaunen wollte, musste sich seinerzeit eher gen Norden nach Hamburg begeben und den Zoo Hagenbeck besuchen. In Osnabrück herrschte „Heimat“ – Weltoffenheit und Toleranz mit entfernten Kulturen wären das exakte Gegenteil der NS-Ideologie gewesen.

Nach der Befreiung vom Hitler-Faschismus waren die Verantwortlichen für den arg reduzierten Tierbestand froh, im zerstörten Osnabrück durch das „Tiere-Angucken“ ein wenig Ablenkung vom tristen Alltag zu bieten. 1947 wurde zumindest Abschied vom „Heimattiergarten“ genommen und das Areal wurde in „Tiergarten“ umbenannt. Die ersten Affen kündeten vom Dasein anderer Erdteile. 1959 und 1960, infolge des deutschen „Wirtschaftswunders“ war wieder etwas mehr Geld in der städtischen Kasse, das allererste Elefantenhaus und eine vielgefragte Pinguinanlage. Am 17. April 1961 zog die erste indische Elefantenkuh Toni ein, gekauft vom Zirkus William Althoff. 1968 waren die ersten Antilopen zu bestaunen. 1970 war schließlich das Geburtsjahr des heutigen Namens: Der Zoo Osnabrück begann sich einen Stellenwert im Freizeit- und Kulturleben der Stadt zu schaffen.

Gleichwohl blieb alles Jahrzehnte eher unspektakulär und eher provinziell. Nette Anekdoten sprachen sich dabei allzu gern in Osnabrück herum. Beispielsweise die Erzählung, ein altbekannter Tierpfleger habe in der Nähe der beliebten Spezies mit scharfen Pranken das Schild „Nich am Bär packen!“ aufgestellt.

 

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Beherzte Zitate weltweiter Landschaften

In Zeiten, als Fernseh-Bio-Lehrer Dr Bernhard Grzimek seinen Bestseller „Die Serengeti darf nicht sterben“ veröffentlicht und verfilmt hatte, und allwöchentlich zumeist afrikanische Tiere mit ihren Eigenheiten vorstellte, legte der Osnabrücker Zoo lange Jahre seinen Fokus auf Afrika. Die meisten der Besucherinnen und Besucher der Zoo-Anlagen verbanden damit aber noch lange keinen Weckruf für eine nachhaltige Welt, sondern eher schlichtes Abenteuer.

Samburu und Takamanda-Gehege hießen die ersten Afrika-Areale, die dortige Landschaften zumindest erahnen ließen. Samburu entstand zwischen 2001 und 2004, Takamanda wurde 2010 eröffnet. Auch hier konnten natürlich nur kleine Einblicke in riesige Areale des jeweiligen Originals „zitiert“ werden. Gemessen am begrenzten Raum verblieb für alles dennoch ein imponierend weitläufiger Eindruck.

Erst ganz langsam wurden Ausblicke auf die restliche Welt gewährt: im Laufe der Zeit schufen die Verantwortlichen immerhin ein Aquarium und ein erstes Südamerika-Areal. So richtig los mit dem Geo-Zoo ging es vor allem mit dem Bau der asiatischen Tempellandschaft nach dem Vorbild von Angkor Wat. Um zu zeigen, dass auch unter der Erdoberfläche Lebewesen ihr Dasein stemmen müssen, war seit 2009 die Schaffung des Unterirdischen Zoos mit nachtaktiven Tieren besonders markant.

Schritt für Schritt erblickten auch weitere, global vorhandene Landschaftsgebilde das Licht der Osnabrücker Zoo-Welt: Die nordische Taigalandschaft Kajanaland erfreute sich seit 2011 schnell einer ähnlichen Beliebtheit wie das 2018 eröffnete Nordamerika-Areal Manitoba. Seit rund sechs Jahren leben hier Waldbisons auf immerhin 3800 Quadratmetern. Alten Western-Fans, die seit ehedem über das vom Menschen verursachte Bisonsterben entrüstet sind, lernen allein an diesem Beispiel, wie man Tierarten zumindest im Kleinmaßstab erhalten und ihnen einen ansatzweise artgerechten Lebensraum bieten kann.

Eine Art Abrundung bildete in jüngster Vergangenheit neben den Geo-Zoo-Arealen ein Lebensraum, der gar nicht fern von Osnabrück vorhanden ist, aber nicht minder schützenswert ist: Anno 2022 wurden die Wasserwelten Mariasiel eröffnet. Während in afrikanisch, asiatisch oder amerikanisch nachempfundenen Landschaften entsprechende Tiere ihren Zoo-Alltag verbringen, sieht man in Mariasiel vor allem Seehunde, als Nachbarn aber auch geografisch ferne Zeitgenossen wie Pinguine, kalifornische Seelöwen und Rosapelikane.


Spiel- und Lernort für die Jüngsten

Eine an Nachhaltigkeit ausgerichtete Einrichtung wie der Zoo tut gut daran, seine Angebote besonders stark an Kindern von Familien und an Schulklassen zu orientieren. ein Lehrbienenhaus, natur- wie weltnahe Spielplätze, zwei Streichelzoos und ein Streichelgehege mit afrikanischen Tieren in Takamanda machen mit allen Sinnen klar, dass eine liebevolle Zuwendung zu tierischen Lebewesen auch Emotionalität produziert, die in späteren Lebensphasen zugunsten eines friedvollen Zusammenlebens aller Lebewesen auf unserem blauen Planeten ein dauerhafter Wert ist.

Besonders für jüngere Besuchsgruppen wirkt sich somit die Zoo-Pädagogik besonders nachhaltig aus. Ein Zoobesuch macht generationsübergreifend klar, wie ungemein schützenswert die biologische Vielfalt der Fauna unseres Planeten ist.

Die innerhalb des Zoos vorfindbare „Zooschule“ gilt für alle, die sie jemals erleben durften, als besonderer Geheimtipp für besonders anschauliche Einblicke in das weltweite Leben weit außerhalb der sogenannten Zivilisation – nicht zuletzt für die Einsicht, dass jene Zivilisation im Grunde nur dann dauerhaft überleben kann, wenn wir ein Gespür für den Erhalt von Klima, Landschaft und Tierwelt entwickeln. Die rund 290 Tierarten im Zoo Osnabrück eignen sich besonders, um Schülerinnen und Schälern den Lebensalltag der verschiedenen Tierarten, die Anpassung an ihre Lebensräume oder den Klimawandel näher zu bringen. Denn Tiere motivieren und begeistern Kinder und diese Emotionen erleichtern die nachhaltige Verankerung von neuem Wissen enorm ein zentraler Baustein für das globale Ziel, Frieden zwischen Mensch, Tieren und Natur zu schaffen.

Wer noch vertiefender in das Erlebnis weltweiter Flora und Fauna einsteigen möchte, besitzt direkt hinter dem Zoo-Ausgang eine Nachbar-Institution, die ebenfalls ihresgleichen sucht. Seit 1986 befindet sich nämlich das naturkundlichen Museum am Schölerberg, dass künftig eine völlig erneuerte und somit einzigartige Erlebniswelt zum Erlernen biologische Lebenswelten bietet.


Der Zoo als Friedensprojekt statt „Knast für Tiere“

Über Generationen musste sich der Zoo mit dem Vorwurf auseinandersetzen, er sei nichts anderes als ein „Knast für Tiere“. Der Großteil der Anlagen war über die Jahrzehnte „state oft the Art“ – beispielsweise war es in den 70er Jahren in Zoos Standard, dass Anlagen aus heutiger Sicht klein und die Innenbereiche oft gekachelt waren, weil man diese so besser reinigen konnte und die Tiere gut zu sehen waren. Aber durch die Wissenschaft und Forschung (und die Forschung ist eine der vier Hauptaufgaben von Zoos) gibt es immer wieder neue Erkenntnisse, wodurch die Anforderungen für die Tierhaltung ebenso angepasst werden wie die Anlagen selbst. Auch deshalb wurden in den letzten Jahren viele der alten, oft engen Behausungen durch moderne, tiergerechte und offene Themenlandschaften ersetzt, die von den Besuchenden frei eingesehen werden können und in denen sich Tiere offenkundig wohl fühlen.

Hinzu kommen künftige Planungen, die das Potenzial besitzen, völlig neue Potenziale zu erschließen. Eine bereits konkrete Vision ist hier beispielsweise das interaktive Evolutionskino „Time Spiral“ mit 3D-Tierholografie, dass Erd- und Tiergeschichte auf technisch höchstem Niveau erfahrbar machen kann. Freuen darf sich die Welt der Besuchenden auf ein einzigartiges, interaktives Tierholografie-Kino zur Vermittlung weltweiter Evolutionsgeschichte – und das in der Friedensstadt Osnabrück.

Wann sonst, wenn nicht im Osnabrücker Friedensjubiläum 2023 sollte besonders daran erinnert werden, dass es darum geht, diese Vielfalt auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Dass der Zoo in einer Zeit massiven Artensterbens sogar direkt an ganz konkreten Arterhaltungsprogrammen beteiligt ist, macht seine Arbeit besonders wertvoll.


Der Podcast zum Bericht:

Kalla Wefel & Heiko Schulze unterhalten sich mit Mareike Andree, Lehrerin und Tochter von Heiko, völlig unbefangen über den Osnabrücker Zoo und können allen Leser*innen der Rundschau einen Besuch dieser weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Osnabrücker Institution nur empfehlen.

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Weitere Informationen


*Die 14-teilige OR-Serie zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens wird gefördert vom Fachbereich Kultur der Stadt Osnabrück.

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