„Finger weg von den Grünen Fingern!“

Ein Bericht von Ines Prehn
Startschuss für die Unterschriftensammlung zur „Rettung der Grünen Finger“

Nach dem hitzigen Schlagabtausch in der Ratssitzung am Dienstagabend könnte das Timing für den offiziellen Start der wahlkampfbegleitenden Petition des Umweltforums Osnabrücker Land e.V. nicht besser sein. Die Forderung richtet sich entschieden an den Rat der Stadt Osnabrück „umgehend eine Erhaltungssatzung für das gesamte Freiraumsystem der Grünen Finger zu beschließen und sie so dauerhaft zu sichern.“

Den Grund für ihre Forderung sieht das Osnabrücker Umweltforum in den zahlreichen Bebauungsbeschlüssen der Stadt: Scheibchenweise wird nahezu jeder der zehn Grünen Finger beschnitten und anderen Belangen – vor allem dem Wohnungsbau – untergeordnet, ohne ein Gesamtkonzept für die Stadt zu haben. Ein solches Konzept wird derzeit jedoch in dem Forschungsprojekt Grüne Finger der Hochschule Osnabrück erarbeitet. Das Projekt läuft noch einige Monate, bis dahin „soll die Stadt keine weiteren Fakten schaffen“, so Carolin Kunz, Vertreterin der Bürgerinitiative „Naturnaher Schinkel“.

Also keine Wohnbebauung mehr? „Wir sind nicht generell kontra!“

Andreas Peters, Vorsitzender des Umweltforum Osnabrücks, fordert die Politik auf, sich ein Beispiel an dem ehemaligen Stadtbaurat Lehmann zu nehmen, der vor fast 100 Jahren die Idee der Grünen Finger für Osnabrück entwickelte und die Stadtentwicklung von den Grünräumen her dachte. Bezahlbarer Wohnraum ist knapp, was aber überwiegend ausgewiesen werde, seien Einfamilienhaussiedlungen. „Das ist weder bezahlbarer Wohnraum, noch können wir uns sowas in Zeiten des Klimawandels leisten. Wir brauchen flächensparendere Lösungen, die mehr in die Höhe gehen.“

Dem stimmt auch Marita Thöle zu: „Wenn gebaut werden soll, dann nicht in den Grünen Fingern, sondern dazwischen. Wir sind nicht immer nur dagegen, sondern zeigen auch Alternativen auf!“ Sie vertritt die Bürgerinitiative Sandbachtal, die sich gegen das geplante VfL-Trainingszentrum sowie das Nachwuchsleistungszentrum in der Gartlage einsetzt. Trainingsplätze für den Profifußball seien mit ihren beheizbaren Böden, Kunstrasen und den nötigen Funktionsgebäuden keine einfachen Rasenflächen, sondern technische Bauwerke. Die Flächen in der Gartlage haben als sogenannte Kaltluftschneisen laut stadteigenen Gutachten eine so hohe stadtklimatische und ökologische Bedeutung, dass jegliche Bebauung gravierend negativ für einen Großteil der Stadt ist, der vor allem in den heißen Sommern nicht mehr mit kühler, frischer Luft versorgt würde. Weniger dramatisch für das Stadtklima sei dagegen der Standort am Limberg, den die Politik aber bewusst ignoriere.

Osnabrücker Umwelt- und Naturschutz verzeichnet großen Zuwachs

Offizieller Erstunterzeichner der Petition ist der emeritierte Hochschulprofessor Herbert Zucchi, der für seinen jahrzehntelangen Einsatz für den Natur- und Umweltschutz mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet wurde. Er hält die Zeit für reif. Gerade in der Pandemiezeit hätten viele Osnabrücker*innen ihre Stadt für sich wiederentdeckt. „Wenn ich die Menschen frage, wo sie sich in Osnabrück gerne aufhalten, werden meist Orte in den Grünen Fingern genannt.“ Auch Peters ist zuversichtlich: „Durch Corona haben sich sehr viele Menschen mit Themen des Natur- und Umweltschutzes auseinandergesetzt. Wir haben einen hohen Mitgliederzulauf zu verzeichnen.“

Was ist bis zur Kommunalwahl geplant?
„Diesen Irrsinn nicht mehr mitmachen!“

Spätestens seit der vergangenen Ratssitzung am Dienstag ist das Thema Grüne Finger zum Wahlkampfthema avanciert, die Stimmung aufgeheizt. So habe Fritz Brickwedde (CDU) dem Umweltforum bereits mit einer Unterlassungsklage gedroht. Das Umweltforum sieht dem gelassen entgegen, scheint einen wunden Punkt getroffen: „Es gilt, die Politik zu entlarven und das werden wir weiter tun.“ Die Petition läuft bis zur Kommunalwahl im September und soll durch verschiedene Aktionen, wie Spaziergänge, Wahlprüfsteine oder Info-Stände, begleitet werden sollen.

Hof Kötter – Besiegeltes Schicksal?

Der Ort der Erstunterzeichnung wurde nicht zufällig gewählt: Die Fachwerkscheune gehört zum Hof Kötter. Die junge Familie pachtet und bewirtschaftet die Flächen in der Gartlage, auf denen das VfL-Nachwuchsleistungszentrum geplant ist, heute jedoch noch ihre Kühe weiden. Da diese Flächen die Hälfte ihrer derzeitigen Hoffläche ausmachen, würde ein Ende des Pachtverhältnisses auch das Ende des Hofes bedeuten. Ein Schicksal, mit dem sich viele der Osnabrücker Landwirt*innen unter der steigenden Flächenkonkurrenz konfrontiert sehen. Gleichzeitig gäbe es ohne die innerstädtische Landwirtschaft keine Grünen Finger, viel zu hoch wäre der (finanzielle) Pflegeaufwand für die Stadt. Die Grünen Finger sind daher Orte, wo innerstädtische Landwirtschaft, Naherholung sowie Umwelt- und Naturschutz Hand in Hand gehen. Ob es dem Osnabrücker Umweltforum gelingt, die Grünen Finger in der politischen Debatte zu verankern und dauerhaft unter Schutz zu stellen oder ob ihr Schicksal ver- bzw. besiegelt ist, werden die kommenden Monate zeigen.

Für mehr Infos: http://www.umweltforum-osnabrueck.de/

 

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