Keine Atempause, lila-weiße Geschichte wird gemacht
Es geht voran
Schlag auf Schlag ging es in der dritten Liga zu. Der VfL hechelte von Spiel zu Spiel, denn es war mal wieder eine „englische Woche“. Der Fußball im Stakkato begann vorletzten Sonntag gegen Rostock, am Mittwoch darauf gastierten die Lilahemden in Essen, letzten Samstag folgte mit der Partie gegen Aue ein weiterer „Brückentag“. Die Bilanz: 5 Punkte, die dem VfL halfen, in der Tabelle auf Platz 5 zu klettern: in eine Höhenlage, die in der letzten Saison in einer Hinserie voller Pleiten, Pech und Pannen unerreichbar war.
Der VfL holte aus den ersten beiden Begegnungen der „englischen Woche“ nur zwei Punkte (0:0 und 1:1), die Stimmung im Osnabrücker Fanlager war dennoch größtenteils gut, weil: Der Glaube an eine erfolgreiche lila-weiße Zukunft ist zurück! Der VfL zeigte den welkenden „Veilchen“ zum Abschluss der „englischen Woche“ schließlich, was die Harke ist – wenn auch etwas ungelenk, weil sie ihm fast selbst auf die Füße gefallen wäre. Redewendungsfrei ausgedrückt: Die Lilahemden gewannen mit 3:1, obwohl sie schlechter spielten als zuvor. Der Bayern-Dusel, der aufgrund der strukturell bedingten Überdominanz des Fußballkonzerns von der Säbener Straße arbeitslos wurde, hat anscheinend beim VfL einen neuen Job bekommen.
Während die „Fehlfarben“ 1980 an einer gefühlten Schwelle zum Atomkrieg lediglich ironisch in ihrem Song „Ein Jahr (Es geht voran)“ einen Fortschrittsoptimismus besangen, kann beim VfL dagegen im Spätsommer 2025 mit dem Anspruch auf Faktizität eine positive sportliche Entwicklung festgestellt werden. Der Saisonstart verlief zwar mit dem 0:0 gegen Aachen und dem 1:3 in München zunächst enttäuschend, was die Untergangsgläubigen der eigenen Fanszene stark triggerte, so dass sie einen besonders lauten prophetischen Abgesang auf den Niedergang der Lilahemden anstimmten. Aber dann begann der Umschwung auf dem Platz und in den Köpfen vieler VfL-Fans, indem die Schultzlinge überzeugend mit jeweils 2:0 gewannen, sowohl zu Hause gegen Saarbrücken als auch in Hannover gegen Havelse.
Bei diesen Siegen, errungen am 3. und 4. Spieltag, zeigte der VfL einen Spielstil, der einige Elemente aufwies, die es einfach machen, sich mit der personell veränderten Mannschaft und dem neuen Trainer zu identifizieren. Auffällig war beim Spiel gegen Saarbrücken insbesondere die neue alte Stärke in der Defensive. Denn der Aufstiegsanwärter aus dem Südwesten hatte nur eine größere Chance in der Anfangsphase, als ein FCS-Verteidiger nach einem Eckball knapp vorbeiköpfte. Ansonsten agierte der VfL hinten sehr sicher. Was seine Funktion als Stabilisator betrifft, erscheint Timo Schultz daher als ein Wiedergänger Marco Antwerpens, dem es in der letzten Saison mit der Vermittlung von Leidenschaft und Organisation hervorragend gelang, aus der Schießbude der Liga ein unbezwingbares Bollwerk zu machen – abgesehen davon, dass nach der Sensation des vorzeitigen Klassenerhalts wieder alle Dämme brachen, auf dem Platz und auch moralisch im Handeln des Ex-Coaches.
Exzesse einer „schwarzen Trainerpädagogik“ sind von Timo Schultz nicht zu erwarten, weshalb Doc Welling keinerlei Befürchtung haben muss, dass ironische WhatsApp-Nachrichten als Mandat zu einer psychisch gewalttätigen Drohkommunikation gegenüber Untergebenen grob missverstanden werden könnten. Stattdessen dürfte sich der Geschäftsführer darüber freuen, dass dank des Entwicklers Timo Schultz eine realistische Chance besteht, dass sich der VfL auch in spielästhetischer Hinsicht dem Idealbild eines attraktiven „Brückenfußballs“ annähert. Der Auftritt gegen den TSV Havelse war das Erweckungserlebnis für den Glauben, dass die Lilahemden auch fußballerisch glänzen können.
Die Darbietung in Hannover gegen Havelse lehrte, dass Timo Schultz bei Teilen der Fanszene zu Unrecht unter dem Verdacht stand, einen unansehnlichen Zweckfußball ausführen zu lassen, der den eigenen Fans selbst bei den Siegen ihres Teams eine große Leidensfähigkeit abverlangen würde. Anstatt an die berüchtigte Tradition von Rudis Rumpelkickern der Nullerjahre anzuknüpfen, hatte der VfL in seinem Offensivspiel plötzlich Momente drin, in denen er so inspiriert wirkte wie in den alten Thioune-Zeiten. So drängte sich die Erkenntnis auf: Timo Schultz braucht anscheinend Fabian Hürzeler nicht, um ein Bessermacher zu sein. Er kann es auch ohne ihn mit einem neuen Staff – weshalb allmählich plausibel wird, warum der neue Sportdirektor Joe Enochs sagte, dass Timo Schultz der „Königstransfer“ der Lilahemden wäre
Obwohl Joe Enochs nachweislich eine VfL-DNA hat und in Zwickau und Regensburg erfolgreich arbeitete, wurde seine Berufung zum Sportdirektor kontrovers diskutiert. Seine schärfsten Kritiker*innen unkten, dass er einen Sicherheitsfußball herbeimanagen würde, der das Stadion erst zum großen Gähnen bringen und dann leerspielen würde – wobei sie den Wert der Langeweile im Ligamittelmaß stark unterschätzten: einen Wert, der erst in der letzten Saison so richtig ins Bewusstsein drängen konnte, als der VfL eine viel zu lange Zeit in den Abgrund der Regionalligahölle blicken musste. Doch nach sieben Spieltagen lässt sich ein erstes positives Fazit seiner personellen Entscheidungen ziehen, das im Kontrast zu den Schreckensszenarien steht, die nach seiner Vertragsunterzeichnung kursierten.
Der Sportdirektor wählte anscheinend nicht nur den Trainer richtig aus, sondern er verpflichtete größtenteils Spieler, die ebenfalls bislang überzeugen konnten. So imponierten Bjarke Jacobsen und Frederik Christensen damit, wie wuchtig und zielstrebig sie gegen Saarbrücken und Havelse agierten. Folglich war es konsequent, dass in beiden Spielen „Air Jacobsen“ jeweils einen Eckball, von Frederik Christensen scharf und präzise getreten, ins gegnerische Tor schädelte, und zwar so heftig, dass die Maschen fast geplatzt wären. In seinem Spielbericht für die OR beschrieb Kalla diese Ereignisse metaphorisch perfekt als „Danish Dynamite“, zumal Bjarke Jacobsen so krachend in die Zweikämpfe ging wie Uli Taffertshofer in seinen besten VfL-Zeiten, in denen er als „Sheriff“ für Ordnung auf dem Platz sorgte.
Bjarne Jacobsen ist ein Bling-Bling-Neuzugang, der bei Wehen Wiesbaden nur auf mittelmäßige „KICKER“- Durchschnittsnoten kam und deshalb nicht sofort als Hochkaräter erkennbar war. Joe Enochs gehört daher zu jenen besonderen Perlentauchern, die auf dem Transfermarkt dort fündig werden, wo andere nichts funkeln sehen. Robin Meißner glänzte mehr, weil er in der Saison 22/23 für Viktoria Köln zwölfmal einnetzen konnte. Umso erfreulicher ist, dass Joe Enochs ihn in der Spätphase der aktuellen Transferperiode für einen Wechsel an die „Bremer Brücke“ begeistern konnte. Schon gegen Havelse, d.h. in seinem zweiten Spiel für die Lilahemden, war er erfolgreich, indem er als Pressingmaschine einen Slapsticktreffer erzwang – zum Leidwesen des gegnerischen Schlussmanns, der sich wie ein unfreiwilliger Hauptdarsteller in einer „Pleiten, Pech und Pannen“-Show vorkommen musste.
Mit den beiden Dreiern in der Liga konnten die Lilahemden einen Vertrauenskredit aufbauen, den sie in die „englische Woche“ mitnahmen – trotz des Stimmungsdämpfers, der durch das verdiente Aus im NFV-Pokal eintrat (nach Elfmeterschießen gegen die „Lindemänner“ vom damaligen Regionalligaspitzenreiter Jeddeloh 2). Vorletzten Sonntag schaute der VfL-Anhang gespannt zur „Bremer Brücke“ hin, als mit Hansa Rostock ein Aufstiegsaspirant dort hinkam. Spielerisch konnte der VfL nicht an seine Leistung anknüpfen, die er im Eilenriedestadion gegen Havelse gezeigt hatte. Lediglich in einer Situation Mitte der ersten Halbzeit blitzte auf, was der VfL an kreativen und technischen Ressourcen hat, die er für fußballerisch starke Lösungen nutzen könnte. Gemeint war Lars Kehls brillante Seitenverlagerung auf Patrick Kammerbauer, dessen starker erster Kontakt und sein folgender Beinschuss, mit dem er seinen Gegenspieler gekonnt tunnelte. Hätte der Neuzugang aus Verl, der ebenfalls eine sehr gute Verpflichtung des Sportdirektors ist, dann ins Tor getroffen, wäre der Spielzug zu einem Gesamtkunstwerk geworden. So war das Geschehen bloß ein unvollendetes Traumtor. Während dieses Aufflackerns eines Zauberfußballs nur die Ausnahme von der Regel eines beidseitigen Fehlpassfestivals war, konnten die Schultzlinge kämpferisch dagegen durchgehend überzeugen.
Dem 0:0 an der „Bremer Brücke“ folgte letzten Mittwoch ein 1:1 an der Essener Hafenstraße: ein Remis, das fußballerisch insofern eine Steigerung war, als der VfL in vier Situationen spielerisch starke Szenen hatte. Hier fiel insbesondere Fridolin Wagner positiv auf. Zum Stilmittel des waghalsigen Bayern-Vergleichs gegriffen, könnte behauptet werden, dass plötzlich Jamal Musiala in ihn eingefahren wäre, schlängelte sich Fridolin Wagner im Essener Strafraum doch so elegant an seinem Gegenspieler vorbei, wie es sonst nur der leichtfüßige Dribbelkünstler im FCB-Dress kann. Da aufmerksamkeitsökonomisch ein einziger abwegiger Bayern-Vergleich für ein „Merkste selber!“-Kopfschütteln des redigierenden OR-Chefredakteurs Kalla Wefel noch nicht ausreicht, muss Fridolin Wagners zweite Großtat – sein gechipter Außenristpass, der zum Elfmeterpfiff führte – zwingend als „kimmichesk“ bezeichnet werden. Nachdem Fridolin Wagner eingewechselt worden war, spielte der VfL besser, worin sich widerspiegelt, dass der Sportdirektor und der Trainer einen Kader zusammenbasteltt haben, der Timo Schultz viele gleichwertige Alternativen bietet – im Gegensatz zu Vincent Kompany, der damit konfrontiert ist, dass ab dem Kaderplatz 15 die Qualität abfällt.
Timo Schultz verwendet zum Glück sachlichere Analysemittel als den absurden Bayern-Vergleich. Er stellte nach dem Spiel in Essen fest, dass seine Mannschaft Fortschritte macht, wobei ihm offensiv die Weiterentwicklung noch nicht schnell genug geht. Sein Statement vor dem „Magenta“-Mikro war ausgewogen, weil er die Anerkennung für das Geleistete mit einer ehrlichen Kritik verknüpfte, die sich auf die misslungenen oder unterlassenen Pässe ins letzte Drittel und die fehlende Effizienz vor dem Tor bezog. Das, was er sagte, wird in der VFL-Gemeinde sicherlich positiv angekommen sein, zumindest bei der großen Mehrheit, die ihre Kontrolle über ihr Erwartungsmanagement nicht verloren hat. Endzeitprediger*innen gibt es im VfL-Anhang immer noch, jedoch bilden sie nur eine krude sektiererische Minderheit, für die ein Leben als VfL-Fan ohne alarmistische Beschwörungen des Untergangs zwar möglich, aber sinnlos ist.
Timo Schultz setzt darauf, dass er durch die gemeinsame Arbeit mit der Mannschaft Qualität hinzugewinnt: aus dem Kader heraus. Hierbei spielen die „Guten Bengelz“ eine sehr wichtige Rolle, womit die jungen steigerungsfähigen Spieler gemeint sind, mit denen der Trainer gerne auf eine Erfolgstour gehen möchte. Timo Schultz versteht sich einerseits als ein Entwickler – und muss andererseits auch ein Abrufer sein, der es schafft, dass seine Spieler konstant ein erwartetes und schon nachgewiesenes Leistungsniveau zeigen. Das geschieht, indem mehrere Faktoren, die Timo Schultz als Trainer steuern kann, so zusammenwirken, dass eine komplexe Erfolgsformel entsteht: Faktoren wie die Trainingsgestaltung, die Spieltaktik, die Positionierung auf dem Feld und die Kabinenansprache.
Als Abrufer hatte der VfL-Coach nach dem Traditionsduell an der Hafenstraße anscheinend eine schlechte Tagesform. Denn die Schultzlinge traten gegen Aue in der ersten Halbzeit so auf, als wären sie in einem Paralleluniversum von einer Jahrhundertauswahl der schlechtesten VfL-Trainer auf die Partie vorbereitet worden. So erlebte Timo Schultz von der Bank aus sein erstes Horrorspiel als Verantwortlicher für die Lila-Weißen, weil der VfL einen Kontrollverlust erlitt und daher keinen Zugriff mehr auf den Gegner hatte. Dadurch hatte Aue große Freiräume, in denen der Gegner in bedrohliche Positionen stieß. Als Julian Guttau in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit den Ball mit viel Effet aufs Tor zirkelte, musste sich Timo Schultz so fühlen, als sähe er Michael Myers mit einem Küchenmesser vor sich. Doch die „Null“, die beim VfL-Zwischenergebnis hinten stand, wurde nicht niedergemetzelt. Stattdessen konnte sie der Attacke knapp entkommen, indem der Ball an den Innenpfosten klatschte und von dort ins Aus abprallte. Diese Flugkurve entsprach der Logik einer Fußballphysik, der jene Mannschaften unterworfen sind, die zu viel Scheiße am Fuß haben.
Während Timo Schultz vor dem Spiel als Abrufer schwächelte, erreichte er in der Halbzeitpause als Aufwecker Spitzenwerte. Die Lilahemden kamen mit einer viel besseren Körperspannung aus der Kabine, Luc Ihorst war plötzlich dazu imstande, tiefe Läufe zu machen. Nachdem er als „Schläfer“-Stürmer die Auer Abwehr 45+1 Minuten lang dazu verleitet hatte, sich in Sicherheit zu wähnen, explodierte er plötzlich in der Hälfte des Gegners und brach infolgedessen auf der rechten Seite durch, so dass er mit seiner Wucht aus dem Nichts einen Eckball erzwang. Diese Standardsituation wurde dann für die erfolgsentwöhnten Auer zu einer Fortsetzung ihres sportlichen Albtraums in fremden Stadien, kam doch Bjarke Jacobsen im Tiefflug herangerauscht, um Patrick Kammerbauers präzise Hereingabe unhaltbar mit dem Kopf ins Tor zu donnern. Solche Szenen rufen Erinnerungen an die Schweinsteiger-Saison von 22/23 wach, nämlich insofern, als der VfL damals sehr torgefährlich nach einem „ruhenden Ball“ war.
Mit dem Wiederanpfiff begann die stärkste VfL-Phase. Fast im Anschluss an das früh erzielte 1:0 in der zweiten Halbzeit verpasste Robin Meißner, durch eine schöne Kombination freigespielt, mit einem gefährlichen Schuss knapp das 2:0, zehn Minuten später zeigte der Schiri dann auf den Punkt. Seine Entscheidung: ein Handelfmeter für die Schultzlinge, der nach dem maßgeblichen Wahnsinn der Überregulierung seitens des IFAB (International Football Association Boards) heutzutage normal ist, aber mit seiner unberechtigten Berechtigung der Seele des Fußballs wehtut. Was war geschehen? An der Grenze des Sechzehners hatte Lars Kehl den Ball volley genommen, sein harter Schuss traf aus einer kurzen Distanz die unwillkürlich abgespreizte Hand des sich wegdrehenden Auer Spielers. Den fälligen Elfmeter wegen einer neufußballbürokratisch irregulär vergrößerten Körperfläche verwandelte der VfL-Spielmacher sicher.
Aue erlebte von der 45. Minuten bis zur 63. Minute einen Horror wie aus einer Helloween-Nacht in Haddonfield. Kurz, nachdem das 0:2 gefallen war, beschleunigte Ismail Badjie sein Tempo auf das atemberaubende Niveau, das er als Hochgeschwindigkeitsfußballer erreichen kann, trieb den Ball bis in den gegnerischen Strafraum hinein, geriet aber hierbei in eine Position, in der für ihn der Winkel zu spitz wurde. Deshalb ging sein Schuss nicht ins Tor, sondern nur ans Außennetz. Danach war jedoch der VfL die Mannschaft, die so spielte, als hätte sie der Anblick des massenmöderischen Maskenmanns geschockt.
Die Lilahemden taumelten über den Platz und hatten daher wieder so wenig Zugriff auf ihren Gegner wie in der ersten Halbzeit, weshalb folgerichtig der Anschlusstreffer zum 1:2 fiel. Zwei aus der Combo der „Guten Bengelz“ erlösten dann in der Schlussphase den VfL. Erst stresste Bernd Riesselmann, eingewechselt in der 88. Minute, mit seinem aggressiven Anlaufen den Auer Abwehr-Hulk Ryan Malone, jagte ihm hierdurch das Spielgerät ab, so dass sich sein Gegenspieler zu einer Notbremse genötigt sah, die glatt „Rot“ bedeutete. Der Platzverweis half dem VfL dabei, seine wackeldackelige Führung über die Zeit zu retten. Dann leitete In der Nachspielzeit Bernd Riesselmann bei einem schnellen Gegenangriff den Ball mit der Hacke in den Lauf von Ismail Badjie. Diese Koproduktion der ohne Atempause vorangehenden Nachwuchskicker führte dann zum 3:1, indem der Supersprinter aus der eigenen Jugend alleine aufs Tor zuraste, die Ruhe behielt und einnetzte. Diese Szene zeigte exemplarisch, wie der VfL-Kader durch die „Guten Bengelz“ an Qualität hinzugewinnen kann.
Timo Schultz war trotz des Sieges nicht zufrieden. Anstatt einen Dreier nach der Art des Bayern-Dusels schönzureden, äußerte er sich über das Wie des Auftritts kritisch. Timo Schultz ist kein „Status quo“-Trainer, der sich darauf beschränken möchte, das Dasein in der Dritten Liga zu verwalten, wie er in seiner Antritts-PK schon kundgetan hatte. Er will den Fahrstuhl nach oben nehmen – ganz nach dem Motto: „Keine Atempause, lila-weiße Geschichte wird gemacht. Es geht voran.“ Hoffen wir, dass die Erfolgsserie nächsten Sonntag in Köln weitergeht – am besten mit einer überzeugenden Leistung, damit der Bayern-Dusel auf Kurzarbeit gesetzt werden kann!
Einen Schritt nach vorne unternahm auch die aktive Fanszene vorletzten Sonntag. In Sachen Selbstreflexion gab sie zwar mit ihrem Fehlereingeständnis „die rote Laterne“ ab, aber sie steckt immer noch in der Abstiegszone, weil die anonymen Verfasser*innen es nicht schafften, Vandalismus grundsätzlich als nicht nur illegalen, sondern auch illegitimen Protest zu bewerten. Denn der Vandalismus hat die autoritäre Dimension einer toxischen Männlichkeit, weil er mit einer mackerhaften Pose eine verständigungsorientierte Einstellung aufhebt und sie durch die Sprache der Gewalt ersetzt: eine Sprache, die mit der Sachbeschädigung auf eine Erniedrigung und Einschüchterung des Opfers abzielt.
Deshalb ist der Ansatz schon völlig verfehlt, das strafrechtlich relevante Protesthandeln entlang der Frage aufzuarbeiten, ob das Ausmaß des Vandalismus auf dem Clubgelände des TSV Havelse „übertrieben“ war. Es kann beim Vandalismus nicht um ein Mehr oder Weniger gehen, weil ein Protest auf dem Boden der rechtsstaatskonformen VfL-Wertordnung jeglichen Vandalismus ausschließt – selbstverständlich auch dann, wenn es um fußballkulturell höchst legitime Anliegen wie „Kein Zwanni für einen Steher“ geht. Es wäre wünschenswert, wenn die aktive Fanszene bei ihrer Selbstreflexion über den Protestvandalismus in Havelse möglichst mit Galoppschritten an Qualität zulegen könnte. Das Potenzial hierfür müsste ja vorhanden sein, schließlich wurde der Julius-Hirsch-Preis nicht an einer Losbude gewonnen!