Lila-weiße Bescherung für Schalke und das Warten auf die Ankunft der „Koschinatoren“

Am Freitagabend wurde in der „Arena auf Schalke“ tief in der Tabellengrube der zweiten Liga ein Spiel der unterirdischen Extraklasse angepfiffen, nämlich der „Abwehr-Schrottico“. Indem der VfL auf Schalke traf, begegneten sich die kaputtesten Defensivreihen der Liga. Beide Mannschaften hatten zuvor 33 Gegentore kassiert, weshalb haarsträubende Patzer in der Verteidigung zu erwarten waren.

Der VfL bestätigte das negative Bild, das vor dem Anpfiff die statistischen Werte vermittelt hatten. Wieder einmal ließen die Lila-Weißen sehr einfache Gegentore zu. Der Ball schlug viermal in das Osnabrücker Netz ein – und das gegen einen Konkurrenten, der nach seinen letzten beiden peinlichen Auftritten zunächst sichtlich verunsichert war. Die Schalker hatten das Glück, dass sie mit dem VfL den richtigen Gegner zur Krisenbewältigung bekamen, denn: In der Offensive wurden sie mit Osnabrücker Assistenzleistungen versorgt, die den Charakter einer Intensivpflege hatten.

Wer sah, wie die vier Treffer des Kumpel- und Malocherclubs fielen, hätte denken können, dass der VfL unter einem Helfersyndrom litte. Oder anders ausgedrückt: Die Lila-Weißen zeigten der Fußballwelt eindrucksvoll, wer derzeit als Aufbaugegner der Branchenprimus ist. Nach Elversberg, Wiesbaden, Fürth, Braunschweig und Magdeburg richteten die Lila-Weißen nun auch noch die Gelsenkirchener auf.

Im Schalker Spiel hatten zuletzt viele Fehlerteufel ihr Unwesen getrieben. Am Freitagabend waren sie jedoch machtlos, weil sie mit der ungewollten Großzügigkeit der VfLer einen Endgegner hatten, dem sie nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Die Lila-Weißen schenkten den Ball ab, als wäre Heiligabend schon am 01. Dezember gewesen.

Das, was Wiemann und Grill nach einem Schalker Eckball in der 20. Spielminute praktizierten, hätte auch eine christliche Nächstenliebe sein können, die sich als Defensivverhalten in einer Zweitligapartie schlecht verkleidet hätte. Grill durfte bekanntlich die Torwartschule des Lauterer Kultkeepers Gerry Ehrmann absolvieren. Daher hätte erwartet werden können, dass Grill rücksichtslos wie ein Action-Torwart die Schalker Hereingabe weggefaustet hätte. Stattdessen verhielt er sich unentschlossen: Er stoppte plötzlich ab, anstatt die Abwehrhandlung kompromisslos durchzuziehen. So machte er den Weg für das erste Schalker Tor frei.
Während sich Grill im Fünfmeterraum in eine prekäre Stellung brachte, wollte Wiemann – bedrängt von dem Schalker Kaminski – den Ball per Kopf klären. Der Osnabrücker Innenverteidiger traf jedoch das Spielgerät so unglücklich, dass es in die Richtung des VfL-Tors flog. Grill konnte, weil schlecht positioniert, nicht mehr eingreifen, weshalb die Schalker über die 1:0-Führung jubeln durften. Dieser Treffer hatte den Charakter einer vorweihnachtlichen Bescherung – und war gleichzeitig das Drehbuch für das, was noch kommen sollte, wobei sich Grill weiteren Assistenzleistungen für die Schalker verweigerte.

In der 49. Minute reihten die Lila-Weißen wieder eine Fehlerkette auf, die eine Gabe an die Schalker war. Es fing mit dem lang geschlagenen Ball von Fährmann an, in einem Moment, in dem der VfL schlecht organisiert war. Dadurch wurde dem Gegner der Angriff sehr leichtgemacht, als wären im schwarzen Auswärtstrikot Samariter tätig gewesen, die den Schalkern heilsame Erfolgserlebnisse bereiten wollten.

Als Fährmanns Ball eine Flugkurve zum Mittelkreis nahm, hatte Terodde zu viel Bewegungsfreiheit. Den Platz, den ihm Thalhammer großzügig gewährte, nutzte der Schalker Kapitän, um per Kopf das Spielgerät gezielt auf die rechte Osnabrücker Seite zu bugsieren. Murkin hatte dort keinen Gegnerdruck, weshalb er den Ball problemlos aufnahm und ungestört einen langen Diagonalpass spielte.

Beim „unterstützten Offensivspiel der Schalker“ übernahm Wiemann im Verlauf des beschriebenen Angriffs eine weitere Hauptrolle. Denn der Innenverteidiger ermöglichte durch sein unvorteilhaftes Stellungsspiel seinem Gegenspieler Mohr, clever im Zweikampf aufzutreten. Den Flugball verfehlend, half Wiemann entscheidend bei der Durchleitung des Spielgeräts durch den eigenen Luftraum mit. So konnte der Schalker Seguin als Adressat der Spielverlagerung perfekt erreicht werden. Begünstigt wurde diese Situation auch dadurch, dass ihn Kleinhansl aus den Augen verloren hatte. Unbedrängt von VfLern, jagte der Siebener des Gegners den Ball zum 2:0 ins Netz.

Dank der Hilfe der Osnabrücker verwandelte sich die zugige Arena auf dem Berger Feld spätestens nach dem 2:0 atmosphärisch in eine Wärmestube für den Gastgeber. Nach dem kaiserfranzigen Motto „Ja, ist denn heut‘ schon Weihnachten?!“ fielen auch die Tore zum 3:0 und zum 4:0. Für die VfL-Fans fühlte sich jedoch dieser Spielverlauf so an, als würden sie vom Nikolaus Schläge mit der Rute bekommen.

Das Foul, das den Elfmeter zum dritten Schalker Tor verursacht hatte, war somit wieder ein Geschenk. Denn Wiemann ging viel zu ungestüm in den Zweikampf mit Terodde – und das in einer Situation, in der vom Rekordtorjäger der zweiten Liga keine große Gefahr ausgegangen wäre. Vor dem 0:4 halfen Gyamfi und Ajdini entscheidend mit, indem sie sich auf der rechten Abwehrseite billig von Topp und Mohr düpieren ließen. Die Flanke verwertete dann Karaman per Flugkopfball.

Die Erkenntnis des Freitagabends war: PKs schießen keine Tore und verhindern auch keine Gegentreffer! Wäre der VfL so aufgetreten, wie sich Uwe Koschinat medial präsentiert hatte, hätten die Lila-Weißen auf Schalke einen Achtungserfolg errungen. Tatsächlich blieb aber der positive Effekt des Trainerwechsels aus.

Stattdessen wirkte die VfL-Darbietung in Gelsenkirchen wie ein Flashback der desaströsen Rückrunde, die in der Saison 03/04 unter Pagelsdorf zusammengemurkst worden war. Es war ein Spiel wie damals in Karlsruhe, als die horrible Leistung der Mannschaft ein paar Ultras nötigte, auf den Zaun zu klettern, um den VfL-Spielern den nackten Arsch zu zeigen. Macht der aktuelle VfL so weiter wie letzten Freitag, dauert es nicht mehr lange, bis sich so ein Protestexhibitionismus wiederholt. Wütende Pfiffe schlugen der Mannschaft schon entgegen.
Koschinat möchte verhindern, dass wieder blanke Ultra-Pobacken in der VfL-Kurve zu sehen sind. Schon aus ästhetischen Gründen ist ihm zu wünschen, dass sein Rettungsplan gelingt – auch wenn das Proteststrippen auf dem Zaun nicht den Untergang der Fankultur bedeuten würde, anders als damals im katholischen Bibelgürtel rund um Osnabrück behauptet wurde. Nicht nur wegen der drohenden nackten Ärsche: Die Zeiten, in denen der VfL andere Mannschaften aufbaut, sollten so schnell wie möglich vorbei sein. Hierfür ist es notwendig, dass die Spieler wieder Selbstwirksamkeit auf dem Platz erleben können.

Die fußballerische Qualität, die im Kader zur Verfügung steht, ist begrenzt. Daher zielt Koschinats Lösungsansatz darauf ab, in der Logik des Abstiegskampfs die physische Komponente massiv zu stärken. Der Glaube, Spiele gewinnen zu können, wird unter den herausfordernden Bedingungen der zweiten Liga dann zurückgewonnen, wenn die Spieler bereit sind, „Koschinatoren“ zu werden.

„Koschinatoren“ sind Spieler, die sich mit ihrer Körperlichkeit in einem einfachen, aber gut organisierten Spielsystem gegen fußballerisch bessere Mannschaften durchsetzen können. „Koschinatoren“ treten auf dem Platz dominant auf, indem sie mit ihrem aggressiven Spielstil eine Gier nach dem Sieg ausstrahlen. Sollten die aktuellen VfL-Akteure durch intensives Training und Punktgewinne in der Liga tatsächlich zu „Koschinatoren“ werden, ist der Klassenerhalt zwar nicht gewiss. Aber ein Abschied mit Würde sollte möglich sein, der für einen erfolgreichen Neustart in der dritten Liga unerlässlich wäre.

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