Ein Gastbeitrag von Ursula Alberts
Erkundung in Kirchen der Osnabrücker Innenstadt
Im Beisein der Referenten Dr. Hermann Queckenstedt und Dr. Winfried Verburg fand gegen Ende des Vormonats ein geführter Rundgang durch drei Osnabrücker Stadtkirchen statt. Thema: „Antijüdische Darstellungen in religiöser Kunst – Erkundung in Kirchen der Innenstadt von Osnabrück“. Der Gang offenbarte interessante Einblicke an Orten, an denen oft achtlos vorbeigeschlendert wird.
Eingeladen hatten die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und das Diözesanmuseum/Domschatzmuseum Osnabrück in Kooperation mit dem ev.-luth. Kirchenkreis Osnabrück. Zum angegebenen Treffpunkt im Forum am Dom kamen 38 interessierte TeilnehmerInnen. Gestartet wurde im Diözesanmuseum, wo Dr. Verburg ein ausführliches Referat zum Thema „Traditionen des Antisemitismus und dessen geschichtliche Phasen“ hielt.
Die Teilnehmer konnten einen Blick auf den Codex Gisle werfen, einer alten, wertvollen Handschrift aus dem Zisterzienserinnenkloster Rulle. Dieser Codex Gisle enthält neben den Gesängen, die die Nonnen im Gottesdienst sangen, kunstvoll angefertigte Miniaturen auf Goldgrund, die aber nicht nur schön waren, sondern z.B. Initialen mit Juden diffamierenden Bildinhalten zeigten. Dies wurde den TeilnehmerInnen durch herumgereichte Kopien veranschaulicht.
Wie von dem Historiker Dr. Thorsten Heese in einem seiner Aufsätze vom Historischen Verein Osnabrück erklärt, besteht eine Parallelität zwischen der Entstehung des Codex Gisle und der Etablierung der ersten jüdischen Gemeinde in Osnabrück um 1300. Darstellungen im Codex, z.B die verzierte P-Initiale, spiegeln die Sicht auf die Juden und die Konflikthaftigkeit des Verhältnisses wider.
Die zweite Station des Stadtrundganges war das sogenannte Brautportal der St. Marienkirche, der heutige Haupteingang der Kirche. Hier begrüßte Pastor Thorsten Both die Gäste und wies auf das Ende August 2024 stattfindende Kirchweihfest in St. Marien hin. Das Brautportal bezieht sich auf das Gleichnis nach Mt 25, 1-13 von den klugen und den törichten Jungfrauen, ergänzt um Ecclesia und Synagoga. Die linke Figurenseite soll den neuen Glauben des Christentums symbolisieren und die Figuren rechts, die Vertreterinnen des alten Glaubens, des Judentums.
Die Darstellung ist gespickt mit judenfeindlichen Anspielungen, wie z.B. die durch Augenbinden symbolisierte Blindheit, den leeren Öllampen und vor allen Dingen die figürliche Darstellung des Drachen (= Teufel), der Judensau unter dem Podest der Synagoga. Die Gestaltung des Verhältnisses zu den sich in der Stadt niedergelassenen Juden war nicht einheitlich. Da die Bischöfe der Stadt von ihnen als Geld- und Kreditgeber profitierten, stellten sie ihnen Schutzbriefe aus und unterstützten ihre Ansiedlung im Stadtgebiet.
Die Pest führte allerdings auch in Osnabrück zu heftigen Judenpogromen und von den jüdischen Bürgern, die sich vor allen Dingen in der heutigen Marienstraße angesiedelt hatten, war Mitte des 14. Jahrhunderts kaum einer mehr da. Da sie als Geldgeber aber weiterhin geschätzt wurden, vergrößerte sich die Zahl der in Osnabrück siedelnden Juden wieder. Ihre erste Synagoge hat wohl in der Marienstraße gestanden, später gab es eine neue in der Redlingerstraße.
Von 1424 bis 1808 durften sich Juden nur auf der Durchreise oder zu Viehmärkten in der Stadt aufhalten. Dabei unterlagen sie Schikanen durch die Verwaltung. Ihnen wurde der Aufenthalt lediglich tagsüber gestattet; für Übernachtungen etwa mussten sie eine behördliche Genehmigung beantragen Zum Abschluss wurde noch die Kirche St. Johann aufgesucht, eine gotische Hallenkirche aus dem 13. Jahrhundert. Im Chorraum wurde ein Holzgestühl betrachtet, welches mit den Figuren der Ecclesia und Synagoga ein weiteres Zeugnis der judenfeindlichen Darstellungen in christlichen Kirchen ablegt.
Wie mit diesen Zeugnissen aus der damaligen Zeit umgegangen werden soll, bedarf sicher noch weiterer Diskussionen und Öffentlichkeitsarbeit. Es ist festzuhalten, dass sie eben Zeugnisse aus dem Mittelalter sind und nicht der Einstellung der christlichen Kirche heutzutage entsprechen. Vielleicht wäre es sinnvoll, die Thematik mit entsprechenden Schautafeln noch zu verdeutlichen und zu erklären. Dank an die Referenten und OrganisatiorInnen.