Blues auf’m Bauernhof: Rockqueen Inga Rumpf gastierte im Rahmen des Musiksommers Artland in Badbergen
„Goin’ To The Country“ sang Inga Rumpf 1972, damals Frontfrau der Rockband Frumpy und in der Großstadt Hamburg ansässig. Erst Jahre später machte sie ihre Ankündigung wahr und zog in die Wesermarsch. Der Text, von ihr selbst verfasst, passte wie bestellt zu ihrem Gastspiel in Triobesetzung beim Musiksommer Artland 2025.
Die seit 2011 bestehende, in diesem Jahr vierteilige Konzertreihe wird veranstaltet vom Tourismus Marketing Artland und geleitet von Dieter Schlüwe, selbst Musiker und Bandleader der Artland Big Band, die zum Festivalauftakt am 11. Juniauftrat. In der Vergangenheit gastierten im Rahmen der Reihe unter anderem Klaus Doldingers Passport, Ute Lemper, die Prinzen, Heinz Rudolf Kunze. Auch regionale Musikschaffende finden hier eine Bühne. Für Künstler und Publikum geht es buchstäblich aufs Land.
Die Kulisse allein ist schon ein Erlebnis. Schauplatz der Konzerte ist der von Bäumen umstandene Hof Sickmann. Die Bühne steht vor der Fachwerkfassade des historischen Hallenhauses. Das mit einem schwarzen Bogenvorhang ausgestattete Tor zur Diele, groß genug für einen Leiterwagen, dient als Bühnenzugang. Zwei Remisen und ein Stallgebäude bilden einen Innenhof. Der Zugang zu den Sitzreihen erfolgt durchs Scheunentor. Während des Konzertes fliegen Schwalben im Haupthaus ein und aus. Vogelgezwitscher ist zuhören. Inga Rumpf hat Spaß daran. „Das ist immer derselbe.“ Er sei schon seit dem Soundcheck dabei. Manchmal klingt es tatsächlich so, als tiriliere der kleine Schlingel die zweite Stimme.
Inga Rumpf zählt nicht an, kein „One, two, three, four …“ – als Seemannstochter eröffnet Inga Rumpf das Konzert mit den Worten „Leinen los!“ und startet mit dem Titelsong ihres Doppelalbums „Universe of Dreams“. Dort findet man unter den musikalischen Begleitern Namen wie Keith Richards, Ron Wood, Mick Taylor, Nicky Hopkins, Richard Tee. „A Song About You“ ist ihren treuen Fans gewidmet, programmatisch wirkt „Back To The Roots“, denn bestimmende Stilrichtung dieses Konzertabends und besagten Albums ist der Blues. Eine der Stilrichtungen, die das Repertoire der City Preachers prägten, jener Hamburger Folkrock-Formation, mit der Inga Rumpf Mitte der Sechziger erste Popularität erlangte.
Es folgten die Progrock-Band Frumpy, aus der die mehr am luftig-groovigen Westcoast-Sound orientierten Atlantis hervorgingen, die bis 1976 bestanden. Sie erinnere sich gern an diese Jahre, erzählt sie auf der Bühne, aber es habe auch Zeiten gegeben, die sie „spooky“ nennt. Gespenstisch, surreal … Nach den Bandprojekten ging es weiter mit Soloeinspielungen, deutschen Texten, Big-Band-Projekten, Reunions, in höherem Alter Gospelprogramme und jetzt also (wieder) der Blues. „Lazy“ zum Beispiel, von Rumpf schalkhaft anmoderiert mit den Worten, der Song beginne so, wie es sich für einen echten Blues gehört: Mit der Textzeile „I Woke Up This Morning“.
Dieses Aufwachen sei ja das Wichtigste, scherzt sie angesichts ihres Alters. Am 2. August wird sie 79. Eine Zahl, die sie vielleicht mit ein wenig Verwunderung registriert, mit der sie aber lockeren und ironischen Umgang pflegt. Das Publikum kann es nachempfinden. Menschen unter 40 sind hier in der Minderheit. Neben neueren Songs gibt es den einen oder anderen Abstecher in die Vergangenheit. 1983 coverte Tina Turner den von Rumpf ursprünglich für Frumpy geschriebenen Titel „I Wrote A Letter“, zufinden auf der B-Seite von Turners Hitsingle „Let’s Stay Together“ und auf späteren, um mehrere Bonus-Songs erweiterten Ausgaben des Albums „Private Dancer“. Tina Turner interpretierte „I Wrote A Letter“ als soulige Rocknummer, Inga Rumpf stellt ihn an diesem Abend als Ballade vor.
Sie selbst spielt (Slide-)Gitarre und wird begleitet vom Jazzpianisten Joe Dinkelbach und Thomas Biller am Bass, der seine Ausbildung gar nicht so weit entfernt absolvierte, an der Universität Oldenburg. Beide erhalten ausgiebig Gelegenheit, ihre Virtuosität zu demonstrieren und erhalten bei jedem Solo stürmischen Beifall. Den gab es auch zum Schluss, niemand blieb sitzen. Für die Zugabe ließen sich Rumpf und ihre Mitstreiter nicht lange bitten. Und dann hieß es, gehaucht von dieser noch immer beeindruckenden rauchigen Stimme: „Gute Nacht“.
Harald Keller
Wer mehr über Inga Rumpf erfahren und von ihr hören möchte, findet in der ARD Mediathek dasteils in Münster produzierte Filmporträt “My Life Is A Boogie“ mit unter anderem Peter Urban, Achim Reichel und Steffi Stephan, ferner auf der Webseite des „Rockpalast“ einen Konzertmitschnitt von Inga Rumpf & Friends aus dem Jahr 2006.