Verleihung des Alwine-Wellmann-Preises führt Menschen und Themen zusammen
Mit einem besonderen Gast konnten die Verantwortlichen für den Frühjahrsempfang dieses Jahres im Osnabrücker Theater aufwarten: Boris Pistorius, vormaliger SPD-Oberbürgermeister, Landesinnenminister und nunmehr Verteidigungsminister, nahm die Gelegenheit gern wahr, altbekannte Weggenossinnen und Weggenossen zu treffen: „Ich räume ein, es gibt gleich mehrere Gründe dafür, eine schöne Zeit in meiner Heimatstadt zu verbringen: Heute früh ist es dieser Frühlingsempfang, gestern war es unser VfL und an beiden Tagen sind es vor allem meine Enkelkinder, die ich hier mitsamt ihrer Eltern besuche“, bekannte der gebürtige Schinkelaner.
Wichtiger Anlass der Zusammenkunft war die diesjährige Verleihung des Alwine-Wellmann-Preises, was zum Schluss des Treffens erfolgte.
Es war ein buntes und zahlreich vertretenes Publikum, das die beiden SPD-Vorsitzenden Melora Felsch und MdB Manuel Gava gleich zu Beginn der Zusammenkunft begrüßen konnten: Nicht nur SPD-Genossinnen und -Genossen, auch Menschen aus den Reihen der Grünen, Gewerkschaften, örtlichen Institutionen, Verbänden und Vereinen waren der Einladung gefolgt. Alle nutzten die Gelegenheit zum Zuhören und zum Austausch am Rande der Ansprachen.
„Krieg ist kein War-Game!“
Alternativlos ernst und nachdenklich stimmte der Einstiegsvortrag, mit dem Boris Pistorius die aktuelle Situation im Ukraine-Krieg beschrieb. „Putins Krieg ist kein War-Game, sondern maximal brutal“, stimmte der Minister auf die aktuelle Weltsituation ein. Besonderen Eindruck hinterließen seine privaten Erlebnisse:
„Ich war am 6. Februar persönlich in Kiew. Neben meinen Gesprächen mit Regierungsmitgliedern waren es vor allem ganz normale Alltagseindrücke, die mich besonders berührt haben. Etwa die Szenerie, wenn hübsche Straßencafés direkt neben Sandsäcken platziert sind, wenn Tausende kleiner blau-gelber Fahnen, die großflächig angebracht sind, zu Tode gekommenen Soldaten gewidmet werden, deren Namen mit Todesdatum auf jeder einzelnen Flagge vermerkt sind. Es berührt, wenn man bei persönlichen Gesprächen Soldaten in die Augen schaut, deren künftiger Kriegseinsatz oder deren Ausbildung auf Panzern in Deutschland ansteht. Gleichzeitig durfte ich die feste Entschlossenheit erkennen, niemals die eigene Freiheit opfern zu wollen.“
Ohne Unterstützung des Westens und dessen Waffenlieferungen, so Pistorius, könnte die Ukraine als Staat nicht bestehen bleiben. „Milliarden für Waffen auszugeben, die man auch andernorts dringend benötigt, gefällt auch mir nicht“, räumte der Minister ein. Doch wenn die Ukraine ihre legitime staatliche Souveränität wiedererlangen soll, blieben Waffenlieferungen nötig. Zugleich müsse es darum gehen, die deutsche Bundeswehr im Interesse einer nachhaltigen Sicherheit wieder rundum verteidigungsfähig zu machen. Dies sei auch eine Frage der Generationengerechtigkeit.
Stolz sei er, in der jüngsten Zeit in unterschiedlichen Standorten ungemein viele Soldatinnen und Soldaten kennengelernt zu haben. „Die erledigen ihre eher bescheiden bezahlte Arbeit mit wahnsinnig viel Herzblut“, so Pistorius.
Als er zum Schluss seines ernsten Beitrags wieder etwas heiterer in die Augen des Publikums blickte, nutzte er dies zu einem klaren Bekenntnis: „Ihr könnt sicher sein: Ich bleibe wie ihr ein echter Osnabrücker. Feste Heimatverbundenheit erdet außerdem sehr gut für die politische Alltagsarbeit.“
Weitere Beiträge
Manuel Gava, direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Osnabrücker Wahlkreises, skizzierte in seinem Beitrag noch einmal die großen Herausforderungen, welche die derzeitige SPD-gefährte Bundesregierung zu bewältigen habe: „Nachwirkungen der Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation bedeuten eine riesige Herausforderung, die in dieser Summe noch keine Bundesregierung zu bewältigen hatte. Wir werden dennoch dafür sorgen, dass bei der Regierungspolitik eine klare sozialdemokratische Handschrift zu erkennen bleibt.“
Tiemo Wölken, Mitglied des Europaparlaments, konnte sich mit dem Hinweis auf die aktuellen globalen Herausforderungen nur anschließen. Allen Unkenrufen zum Trotz habe vieles die Wichtigkeit Europas deutlich gemacht: „In der Corona-Krise musste Europa beweisen, dass es zusammenstehen kann, und es hat dies bewiesen.“ Sozialdemokratisches Einwirken auf den Kurs der Europäischen Union müsse zukünftig sicherstellen, dass die Fehler der Griechenland-Politik sich nicht wiederholten, in deren Rahmen dieser Staat durch die damalige EU-Politik sogar gezwungen worden sei, wichtige Krankenhäuser zu schließen. „Anstelle solcher Politik muss künftig der soziale Zusammenhalt im Vordergrund stehen“, ist sich Wölken sicher. Ökologisch sei es dagegen völlig deplatziert, wie sich die deutsche FDP derzeit im Rahmen ihres Festhaltens an Verbrennermotoren aufführe.
Susanne Susanne Hambürger dos Reis, Fraktionsvorsitzende der Stadtrats-SPD, warf einen Blick auf die Kommunalpolitik. „Wer, wenn nicht wir, muss in diesen Zeiten dafür sorgen, dass unsere Stadtgesellschaft angesichts der zahlreichen, von außen verantworteten Krisen nicht zusammenbricht?“, fragte sie das Publikum. Einen großen Pluspunkt sozialdemokratischer Ratspolitik hob sie besonders hervor: „Wir können künftig endlich unsere Wahlkampfzusage einlösen, die Straßenausbaubeiträge, die sogenannten ‚Strabs‘ abzuschaffen, weil sie sozial ungerecht und unzeitgemäß sind. Ich bin froh, dass mittlerweile auch andere Fraktionen uns auf diesem Weg gefolgt sind.“
Künftig werde es darum gehen, weitere SPD-Positionen umzusetzen. Beispiele dazu seien beitragsfreie Krippen- wie Hortplätze sowie eine weitere Integrierte Gesamtschule. Die Fraktionsvorsitzende schloss mit einem historischen Hinweis, der den gemeinsamen Stolz aller Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten berühren dürfte: „Unsere SPD wird in diesem Jahr stolze 160 Jahre alt. Keine Partei in Deutschland ist älter, keine hat so viel durchgemacht, und keine hat so viel für die Menschen durchgesetzt.“
Alwine-Wellmann-Preis für den Verein SCHLAU e.V.
Zum Schluss des Frühjahrsempfangs stand noch einmal ein Höhepunkt auf dem Programm. Der zum dritten Mal verliehene Alwine-Wellmann-Preis, gewidmet der ersten weiblichen Abgeordneten der Region, wird jährlich für besonderes soziales, friedfertiges, demokratisches und ökologisches Engagement verliehen. Nach dem Verein EXIL und dem Verein „Wir in Atter“, Preisträger der beiden Vorjahre, bekam nun der Verein SCHLAU die Auszeichnung. Der wiederum war eine ausführliche Debatte in der Preis-Jury vorangegangen.
SCHLAU ist in Osnabrück eine ehrenamtlich organisierte Gruppe von Menschen, die anhand ihres persönlichen Hintergrundes über die Vielfalt von Lebensweisen, insbesondere von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans*personen (LSBT) aufklären und informieren. In Gestalt einer Arbeit mit Schulklassen strebe man an, dass viele Jugendliche ein Interesse an LSBT-Lebensweisen und den dazugehörigen Biographien bekämen. In Workshops böten ehrenamtliche Teams die Möglichkeit, auch weiterhin mit jungen lesbischen, schwulen, bi, trans*, inter* und queeren Menschen ins Gespräch zu kommen.
Melora Felsch, Katarina Kosebeck, Lennart Robra (Co-Vorsitzender der SPDqueer) und Jury-Sprecher Vëllaznim Haziri begründeten mit jeweils eigenen Worten ausführlich die Wahl des diesjährigen Preis-Empfängers. Gern baten sie zum Abschluss mehrere Mitglieder des Vereins auf die Bühne, welche die Gelegenheit am Schopfe packten, sich herzlich für die Wertschätzung bedankten, noch einmal eingehend auf ihre Arbeit einzugehen und um weitere Unterstützung zu werben.
Dass zahlreiche Gäste danach noch einmal ausführlich das Ende des Frühjahrsempfangs nutzten, um ausführliche Gespräche untereinander zu führen, lag in der Natur der Sache.