spot_imgspot_img
spot_imgspot_img

Calmeyer-Film: Sondervorstellung mit neuester Fassung im Cinema Arthouse

Ein Interview mit Filmemacher Reiner Wolf

Nur wenige Figuren in der Osnabrücker Geschichte sind als mögliche Namensgeber eines Museumsgebäude so umstritten wie Hans Georg Calmeyer. Im Mai dieses Jahres wurde erstmals ein Dokumentarfilm über den Osnabrücker Rechtsanwalt in der Lagerhalle gezeigt. Nun wird der Film erneut im Cinema Arthouse aufgeführt. Zu sehen ist alles im Rahmen einer Sondervorstellung am Sonntag, 10. November um 11.30 Uhr mit anschließender Diskussion. Über die erste Präsentation des Streifens hatte die OR bereits berichtet

OR:
Moin Reiner, schön, dass Du uns für dieses Gespräch zur Verfügung stehst. Der von Dir produzierte Film wurde mittlerweile ja schon einige Male gezeigt. Gab es eine so große Nachfrage, dass jetzt ein noch größeres Kino angemietet werden musste?

Wolf:
Tatsächlich war das Interesse an der filmischen Aufarbeitung von Calmeyers Wirken in den damals besetzten Niederlanden enorm. Die Lagerhalle war fast ausverkauft, und viele Leute haben mir gesagt, dass sie den Termin leider verpasst hätten. Als wir dann im September eine kürzere Fassung im Museumsquartier gezeigt hatten, war der Raum voll und wir mussten viele Interessierte wieder nach Hause schicken. Es gibt also noch Bedarf.
Außerdem war die in der Lagerhalle gezeigte Version noch sehr „roh“! Zum Beispiel waren die englischsprachigen Interview-Passagen noch gar nicht untertitelt. Wir haben den Film also nochmal überarbeitet.

OR:
Wie erklärst du Dir die große Nachfrage?

Wolf:
Aktuelle Filme wie „In Liebe, eure Hilde“, über „ganz normale“ Widerständler“ oder „Riefenstahl“ über die zumindest opportunistische NS-Star-Regisseurin zeigen, dass das Interesse, sich mit der NS-Zeit zu beschäftigen, nicht nachgelassen hat. Trotz des größer werdenden zeitlichen Abstandes scheint diese düstere Phase der deutschen Geschichte stärker denn je als zentraler Referenzpunkt für eine Selbstvergewisserung unserer Gesellschaft herzuhalten. Das kann natürlich zu emotional aufgeladenen Debatten führen. Was an sich ja nicht schlecht ist. Wir ringen da um unser Selbstverständnis, darum, wer wir gemeinsam sein wollen. Gegen diese Beobachtung sprechen auch nicht die Versuche der AFD, den geschichtlichen Referenzrahmen zu erweitern – Stichwort: „NS-Zeit als Fliegenschiss der Geschichte“. Im Gegenteil: Gerade der Zuwachs am rechten Rand und eine Normalisierung rechten Gedankenguts lässt die Beschäftigung mit dem „Dritten Reich“ noch erstrebenswerter erscheinen. Wir suchen dabei offensichtlich nach Parallelen zur Jetztzeit. Wohl nicht zufällig handeln Filme wie „Riefenstahl“, oder „eure Hilde“, aber auch der Calmeyerfilm davon, wie unterschiedlich Menschen sich in Zeiten größer werdenden Anpassungsdrucks verhielten. Beim Calmeyerfilm kommt natürlich noch der lokale Aspekt hinzu, der für Interesse sorgt.

OR:
Also aus der Geschichte lernen? Hast du etwas aus der Beschäftigung mit Calmeyer gelernt?

Wolf:
Wenn ich persönlich eine Lehre aus Calmeyers Beispiel ziehen kann, dann vielleicht: „Wehret den Anfängen!“, aktiv werden, bevor sich neue Machtstrukturen festigen, bevor die Spielräume immer enger werden. Faschismus etabliert sich eher schleichend, und wenn man nicht aufpasst, steckt man in einer neuen „Normalität“. Ein Protagonist des Filmes verglich die Situation, in der Calmeyer handeln musste, mit den heutigen Zuständen in Russland. In meinen Augen nehmen die Gefahren, die von autoritären Versuchungen ausgehen, derzeit weltweit zu – auch in Europa.
Aber welche Lehren aus Calmeyers Beispiel konkret gezogen werden können oder sollten – auch darüber ließe sich trefflich streiten.

OR:
Apropos „streiten“. Es ist im Anschluss an den Film eine Diskussion angekündigt worden. Wer wird da miteinander streiten?

Wolf:
Der Film handelt ja von dem Streit über die richtige Bewertung von Calmeyers Handeln in den Niederlanden. Da müssen wir den Streit nicht nochmal auf der Bühne reproduzieren. Da können wir dann vielleicht gelassener reflektieren, warum der Streit so vehement geführt wird. Mitwirkende im Film wie aus dem Publikum sind allesamt herzlich eingeladen, sich an der Debatte zu beteiligen.

OR:
Wird es noch weitere Aufführungen des Films geben?

Wolf:
Geplant sind noch eine Aufführung im Januar/Februar im Universum Bramsche und eine Aufführung am 21. Januar in der Bergkirche Osnabrück. Anfang nächsten Jahres ist alles in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen. Außerdem möchten wir im Cinema Arthouse eine Schulvorstellung anbieten, zu der sich Schulklassen anmelden können. Die können den Film dann als Anschauungsmaterial für Diskussionen im Unterricht nutzen.

OR:
Sind auch Aufführungen in den Niederlanden geplant?

Wolf:
Bis jetzt nicht. Da müssen wir noch gucken, ob wir da Ansprechpartner finden. Das bedeutet aber viel Arbeit, wenn die deutschsprachigen Teile noch alle untertitelt werden müssen.

OR:
Vielen Dank für das Interview – und gute Resonanz für den Film.

Wichtiger Hinweis zur Sondervorstellung
Lehrer haben nach Voranmeldung (info@cinema-arthouse.de, Tel: 0541-60065 -11/12) zur Sichtung für eventuelle Schulvorstellungen freien Eintritt!
Trailer zum Film: https://www.cinema-arthouse.de/kino/programm/der-ambivalente-herr-calmeyer 

 

spot_imgspot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
25.01.2025spot_img
Oktober 2023spot_img
August 2024spot_img
August 2024spot_img
erscheint Oktober 2025spot_img
November 2020spot_img
2015spot_img
Follow by Email
Facebook
Youtube
Youtube
Set Youtube Channel ID
Instagram
Spotify