Gesichter Marke Maschengilde

Ute Krugmann erläutert die Präsentation. Vorne links: Maschengilde-Partnerin Petra Koch. Foto: OR

Saisoneröffnung und neue Ausstellung im Piesberger Kulturcafé

Eine ungewöhnliche Porträtausstellung der Osnabrücker Maschengilde hat im Piesberger Gesellschaftshaus ihr Quartier bezogen. Thema: „Gesichter dieser Stadt“. Im urgemütlichen Inneren der historischen Gastlichkeit hängen in den nächsten zwei Monaten speziell gehäkelte Konterfeis an den Wänden, ohne den geringsten Anschein von Aufdringlichkeit zu erwecken. Alles bildete eine gelungene Saisoneröffnung für das Piesberger Kulturcafé mitsamt seinem „Kaffeegarten“. Auch die Präsentation im Innern erlebte eine wohltuende Premiere, der die OR gern beigewohnt hat.

Sonntägliche Impression: Garten und Haus mit besonderem Ambiente. Foto: ORSonntägliche Impression: Garten und Haus mit besonderem Ambiente. Foto: OR

Stippvisite mit alter Tradition: das Piesberger Sonntagscafé

Frühlingserwachen, Sonntagsausflug, Kaffee und Kuchen, Leute treffen. Schon wenige Worte beschreiben eine Tradition, die, in Osnabrück wie andernorts, über Generationen hinweg liebend gern gepflegt wird. Schnell werden Erinnerungen wach, die in uralten Fotoalben im Familienbestand sorgsam verwahrt werden. Moderne Events zeigen sich natürlich anders und vor allem bunter. Alles Alte gerät dagegen schnell in den Ruf überholter Spießigkeit. Was ist da sinnvoller, Angenehmes der Vergangenheit mit modernen Elementen zu verknüpfen?

Dem Piesberger Gesellschaftshaus gelingt es derzeit in beeindruckender Weise, Zeitgemäßes im historischen Ambiente anzubieten und dabei jede Menge Wohlfühlfaktor zu produzieren. Alles gepaart mit einer beeindruckenden Fülle ehrenamtlicher Arbeit. Allein Torten und Kuchen, die hier liebevoll nach alten Rezepturen gebacken werden, besitzen alle Voraussetzungen dazu, sich zu kulinarischen Geheimtipps zu entwickeln. Alles kreiert im allerletzten noch existierenden Ausflugslokal in Osnabrück. Was will mensch mehr?

Maßgeblich verantwortlich für das gelungene Angebot ist einmal mehr das Team um Imke Wedemeyer, das aktuell die Osnabrücker Maschengilde in beschauliche Café-Raume geholt hat. „Mit den Arbeitsergebnissen der Osnabrücker Maschengilde beschreiten wir einen neuen Weg in Räumen, in denen ansonsten eher nur Fotos zu sehen sind“, betonte Imke Wedemeyer bei der Ausstellungseröffnung. „Dass wir echte gehäkelte Porträts zeigen, ist neu in diesem Haus.“


Das Wilde an der Maschengilde

Häkel-Künstlerin Ute Krugmann oblag die Aufgabe, die ungewöhnliche Präsentation an Caféhauswänden vorzustellen. Sie erinnerte dabei vorab an die aktuell in den Hintergrund getretene „Corona-Zeit“: „Wir wollten eine Antwort darauf finden, dass viele Menschen in der Stadt sich nicht mehr sehen konnten. Wir konnten da zumindest symbolisch Begegnungen ermöglichen, indem wir Gesichter zeigen.“

In der Tat verlebten die Kunstwerke bereits im Vorjahr eine längere Präsenz-Zeit in markanten Schaufenstern der Innenstadt und konnten zwischen dem vom 26. August bis zum 26. September von zahlreichen Passant*innen wahrgenommen werden. Die Aktion in der City reihte sich ein in eine wahre Fülle weiterer Auftritte der Maschengilde. Viel Zuspruch bekamen beispielsweise hübsch gestaltete Kunstwerke im Rahmen der Aktion „Baumgesichter im Botanischen Garten“ mit dem markanten weiteren Titel „Neue Blickwinkel in der Natur“, die im August letzten Jahres präsentiert wurde. „Cupcakes“ nannten sich vor rund zwei Jahren kuchen-, keks- oder pralinenähnliche Häkelwerke, die beinahe zum Hineinbeißen eingeladen hätten. Andere Produkte der Maschengilde zeigen ein Spektrum von klassischer Ausstattung größerer bis kleinster Räume bis hin zu Kleidung oder lichtgetragenen Kreationen in der freien Natur.

Neun Köpfe, neun Charaktere. Fotomontage: ORNeun Köpfe, neun Charaktere. Fotomontage: OR

Charakterköpfe aus Garn

Mit deutlicher Anerkennung durfte das Publikum auf Fragen hin vernehmen, mit wie viel Handarbeit die computergestützte Kunst verbunden ist. Ute Krugmann: „Allein ein einzelnes Porträt kann durchaus zwei bis vier Wochen Arbeitszeit kosten.“

Petra Koch, ebenfalls anwesende Gesellschaftshaus-Mitarbeiterin und ebenfalls Maschengilde-Aktivistin, konnte dies in vielen Hintergrundgesprächen bestätigen. Bereits kurze Blicke auf einzelne Wände machten deutlich, dass Ungewöhnliches auch neugierig machen kann Prominenz von Porträtierten spielte dabei erklärtermaßen keine Rolle. Die ausgewählten Motive zeigen dafür Osnabrückerinnen und Osnabrücker mit völlig unterschiedlichen Hintergründen, die jeweils auf kleinen Schildchen auf dem gehäkelten Werk festgehalten sind. Die schwarz bebrillte Hannelore Zantop-Schmitz brilliert beispielsweise als „modebegeisterte Gartenliebhaberin und Show-Talent“. Thale Marai ist gemäß Beschilderung „Bestes Patenkind forever!“. Jehad Mahfouz agiert als „Hebamme und Familien-Mensch“, Josef Overmann, zugleich Lebenspartner der Künstlerin, ist gemäß Schildchen ein „kreativer Diplom-Ingenieur, Showtalent und Lebenskünstler“. Kay Ray, der mit Mikro ins Publikum blickt, ist angeblich „Dachschaden-Beauftragter“, Alfred Dietrich wiederum „bringt Energie und Farbe ins Leben!“

Der grün schillernde Andreas Majewski wird mit einer Art Lebensmotto zitiert: „Menschen ein Stück ihrer Lebensfreude wiederzugeben lässt mich Dankbarkeit und Sinnhaftigkeit erleben.“ Last, but not least, sind unter den neun Köpfen sogar die von zwei OR-Redakteuren zu sehen: Neben dem Autoren dieses Berichts erfreut sich auch Redaktionsmitglied und Multi-Künstler Heaven an einem Wandplatz. Sein markantes Konterfei wurde mit „Der letzte Gigant“ gelistet. „Romanautor für Osnabrücker Geschichte“ firmiert unter dem Porträt des Artikelschreibers.


„Bei Ihnen ist die Zeit viel dicker“

Zuweilen sind auch ungewöhnliche Beschreibungen sinnig, wenn sie den Wert eines Treffpunkts unterstreichen sollen. „Bei Ihnen im Kastaniengarten ist die Zeit viel dicker!“ Dieser schon ältere Kommentar einer Besucherin, seinerzeit wohl eher beiläufig formuliert, besitzt alles Potenzial für einen prämierten Werbeslogan. Zu Recht. In der Tat erscheint ein Aufenthalt inmitten des sonntäglichen Geschehens im Piesberger Gesellschaftshaus „dicker“ als ein solcher an sonst gewohnte Orten: Man verspürt weniger als andernorts den Drang, auf die Uhr schauen zu müssen. Und das historische Ambiente weckt jede Menge an Fantasie und gefühlter Zeitlosigkeit. Hängen dann noch Zeitgenoss*innen an den Innenwänden, die Neugier wecken, rundet sich der Eindruck ab, einen angenehmen Nachmittag erlebt zu haben.
Mehr zum Haus: https://www.piesberger-gesellschaftshaus.de

 

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