Morgen vor 175 Jahren: Kommunistisches Manifest für eine bessere Zukunft

Programm, Weltanschauung und Anleitung zum Handeln

London, 21. Februar 1848: Wer sich Ziele setzt, um die Welt zu verbessern, braucht ein Programm! Eher Eingeweihten ist anno 1847 jener Bund der Kommunisten bekannt, der sich in der britischen Hauptstadt London um den Journalisten Karl Marx und den Wuppertaler Fabrikantensohn Friedrich Engels gruppiert hat. Einhellig wünschen alle Mitglieder des Bundes, ihre Ziele in einer verständlichen Schrift zusammen zu fassen. Engels soll vorgeschlagen haben, das Programm „Manifest“ zu nennen. Der Wuppertaler legt zunächst skizzenhafte „Grundsätze des Kommunismus“ vor. Vor allem Marx formuliert das Seinige hinzu. Auf dem zweiten Kongress des Bundes am 29. November 1847 legen Marx und Engels schließlich ihren gemeinsamen Entwurf vor, der begeistert angenommen wird. Anfang Februar 1848 trifft das Druckmanuskript in London ein. Am 21. Februar, vor 175 Jahren, geht alles in Druck und erreicht die ersten Leserinnen und Leser.


Erstmals auf dem Punkt: Wesenszüge des Kapitalismus

Was wollen diejenigen, die für sich die Bezeichnung „Kommunisten“ wählen, um sich von damals inflationär auftretenden „Demokraten“ oder „Sozialisten“ zu unterscheiden? Wichtigstes Ziel der Kommunisten – so können es Neugierige seit dem 21. Februar 1848 lesen – müsse sein, die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft durch die Kapitalisten für immer zu beenden. Die Verfasser stellen anschaulich dar, dass der Arbeiter oder die Arbeiterin für den Kapitalisten „Waren“ fertigten. Dafür erhielte er aber keinesfalls den ihm eigentlich zustehenden „Ertrag“. Die Ware, die der Arbeitende herstellte, ist nämlich von einem erheblich höheren Wert als der Betrag, der ihm als Lohn ausbezahlt wird. Der Differenzbetrag steht allein dem Kapitalisten zu. Dieses Missverhältnis bezeichnen Marx und Engels als „Ausbeutung“. Den Gewinn, den sich der Kapitalist – Geld für Maschinen, Gebäude und Verwaltung abgezogen – persönlich zur Mehrung seines Reichtums aneignet, nennen die Autoren des Kommunistischen Manifests dessen „Profit“.


„Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Marx und Engels sind sich sicher: Die Ausbeutung seiner Arbeitskraft können die Arbeiterin oder der Arbeiter in allen kapitalistischen Staaten hautnah verspüren. Sie müssten sie nur erkennen und sich dann dagegen wehren. Das Wissen über das gemeinsame Los müsste am Ende alle Klassengenoss*innen zusammenführen. Dann folge eine „Revolution“, also ein Umsturz der politischen Verhältnisse.

Mögen die herrschenden Klassen vor der kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. (…) Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

Dieser Appell, dass sich die Proletarier*innen aller Länder gegen ihre gemeinsamen Gegner auf der Seite der Kapitalisten vereinigen müssten, sollte für die folgenden Jahrzehnte eine Losung werden, die viele Menschen auf der ganzen Welt begeisterte und vereinte.


Abschaffung der Produktionsverhältnisse

Wichtig war für Marx und Engels, dass die Arbeiterklasse die Produktionsverhältnisse abschaffte. Unter denen verstehen die beiden Freunde jene gesellschaftlichen Beziehungen und Abhängigkeiten, welche die Menschen – Kapitalisten wie solche aus der Arbeiterklasse – im Rahmen der Herstellung von Waren in unterschiedlicher Rolle aneinander ketten. Was nach Abschaffung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse folgen müsse, ist für die beiden Autoren klar:

An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die freie Entwicklung aller ist.

Die geforderte Assoziation ist das damalige Wort für Zusammenschluss.


Vom Sozialismus zum Kommunismus: eine klassenlose Gesellschaft

Der Kampf gegen die zahlenmäßig kleine Klasse der Kapitalisten soll also mit dem Sieg der viel größeren Arbeiterklasse enden. Endziel aller Klassenkämpfe müsse eine neue gesellschaftliche Ordnung sein. Diese bezeichnen sie als „Kommunismus“. Der wiederum sichere den Menschen eine freie und klassenlose Gesellschaft. Wären erst die kapitalistischen Produktionsverhältnisse abgeschafft, sollte zunächst der „Sozialismus“ als die nächsthöhere Phase der menschlichen Entwicklung erreicht werden.

Erstausgabe des Kommunistischen Manifests. Abbildung: Friedrich-Ebert-Stiftung

Vereinfachter ausgedrückt: Den um ihren persönlichen Profit bemühten Fabrikbesitzern sollen die Fabriken, Maschinen, Landgüter und Rohstoffe weggenommen werden. All diese Produktionsmittel müssten dann in den Besitz der Gemeinschaft übergehen. Erst dadurch kämen die produzierten Werte denen zugute, die hart dafür arbeiten. Im Kommunismus könnten sich alle Menschen später das vom Gemeineigentum nehmen, was sie zum Leben brauchten.

In ihrer Sicht der geschichtlichen Abläufe räumen Marx und Engels ein, dass all dies noch einen sehr weiten Weg bedeute. Noch herrscht in den meisten Staaten außerdem der Adel, der zunächst durch die Kapitalistenklasse entmachtet werden müsste. Deswegen sind beide angesichts der Bürgerlichen Revolution von 1848 noch äußerst skeptisch, grundlegende Veränderungen herbeiführen zu können. Der „Klassenkampf“ gegen die Kapitalisten könne erst wirklich beginnen, sobald diese die Herrschaft des Adels durch ihre eigene ersetzt hätten.

Als das Manifest erscheint, findet es noch lange nicht die Verbreitung, die sich seine Anhänger gewünscht haben. Die Schrift ist nämlich nicht überall zu haben. Vielerorts bleibt das schmale Buch noch völlig unbekannt. Begründet ist dies vor allem dadurch, dass von Presse- und Meinungsfreiheit landauf, landab noch nichts zu spüren ist. In Deutschland ist die 1863 vorsichtig entstehende Sozialdemokratie, die am ehesten für die Verbreitung der Schrift gesorgt hätte, aufgrund des Sozialistengesetzes zwischen 1878 bis 1890 verboten. Erst danach erscheint das Manifest in wirklich hoher Auflage und wird vom Anhang der neu formierten SPD in breiter Form gelesen und inhaltlich vertreten. Sowohl das Erfurter Programm von 1891 wie das Heidelberger Programm von 1925 sind in weiten Teilen von marxistischem Denken geprägt.


Die Lehren von Marx und Engels: bis heute eine wichtige Orientierung

Spätestens zur Jahrhundertwende zählen die Lehren von Marx und Engels zu den programmatischen Grundpfeilern in den Programmen nahezu aller weltweit entstehenden sozialdemokratischen Parteien. „Kommunisten“, „Sozialisten“ oder „Sozialdemokraten“ gelten dabei in Deutschland bis Ende 1918 als willkürlich austauschbare Begriffe. Eine „Kommunistische Partei“, die sich – in Deutschland seit Januar 1919 – später auf den Marxismus-Leninismus begründet und für sich reklamiert, allein bestimmende „Avantgarde des Proletariats“ zu sein, wird im Kommunistischen Manifest von 1848 oder in späteren Schriften von Marx und Engels an keiner einzigen Stelle vorgesehen. Der Autor dieses Beitrags ist sich sicher: Hätten beide beurteilen können, was sich später in Osteuropa oder in anderen Teilen der Welt „Sozialismus“ nennen wird, hätten sie vehement und mit akribischer Faktenkenntnis deren Selbstverständnis zerlegt. Ihnen ging es um eine Welt von „Freien und Gleichen“, nicht um eine von Unterdrückern und Unterdrückten.

Und Marxismus heute? Selbst in der heutigen, häufig neoliberal beeinflussten Sozialdemokratie gehört die Selbstbezeichnung, Marxist oder Marxistin zu sein, zu einer weitgehend tolerierten Denkrichtung.

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