Schulische Impulse ließen neuen Gedenkort beim OSC entstehen
Besinnlich, nachdenklich stimmend, aber auch fantasiereich und mutmachend verlief die gut besuchte Einweihungsfeier für ein Erinnerungsmahnmal auf dem OSC-Gelände, die bei bestem Herbstwetter stattfinden durfte. Erinnert wird fortan an ausgeschlossene jüdische Mitglieder, die bereits 1924, neun Jahre vor der Nazi-Machtergreifung, mit rassistischen Schmähungen aus dem Vereinsleben vertrieben wurden. Hervorgetan hatte sich dabei seinerzeit vor allem der damalige Vorsitzende des Osnabrücker Turnvereins, Fabrikant Fritz Frömbling. Bewusst hatten die Initiatoren als Datum auf den 9. November gesetzt. Exakt am gleichen Novembertag hatte die SA anno 1938 die deutschen Synagogen, wie auch die in Osnabrück, gebrandschatzt, jüdische Geschäfte verwüstet, zahllose Menschen jüdischer Religion entweder ermordet oder in Konzentrationslager deportiert.
Ergebnis eines Geschichtswettbewerbs
Den eigentlichen Anlass der Zusammenkunft bildete eine Initiative, die von Schülerinnen und Schülern der Integrierten Gesamtschule Osnabrück sowie vom Gymnasium Bad Iburg ausgegangen war. Mithilfe ihrer Lehrer Henrik Radewald (IGS) und Jan Müller (Bad Iburg) hatten sich die jungen Leute an einem Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten beteiligt. Die Gruppe beschäftigte sich beispielhaft mit dem Schicksal von Lea Levy, der es aufgrund einer Direktive von Vereinsoberen im Jahre 1924 allein aufgrund ihrer jüdischen Religionszugehörigkeit verwehrt gewesen war, weiter im OSC-Vorläufer OTB Sport zu treiben.
Künstler Bernd Obernüfemann, der sein Werk auf der Grundlage der schulischen Ideen in bemerkenswert kurzer Zeit realisiert hatte, berichtete sehr anschaulich von den einzelnen Arbeitsphasen. „Fliesenkleber spielte eine große Rolle, nicht nur der Stabilität, sondern auch der engen zeitlichen Zielsetzungen wegen“, berichtete der Künstler. Sein Werk hatte das Endprodukt einer Rekordzahl von 30 künstlerischen Entwürfen gebildet, nachdem Schülerinnen und Schüler beider beteiligten Schulen in den eigenen Reihen ein beispielhaftes kreatives Engagement geweckt hatten.
Nach Begrüßungsworten des OSC-Vorsitzenden Thomas Levien ließen es sich mehrere der beteiligten Schülerinnen nicht nehmen, auf herzerfrischende Art über ihren Weg von der Idee bis zur Umsetzung zu berichten.
Gesanglich eingestimmt wurde die Zusammenkunft von Patrick Hehmann, der das Lied „Über Brücken“ vortrug.
Michael Grünberg, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, zeigte sich besonders erfreut über das modellhafte Engagement der jungen Menschen: „So etwas ist auch deshalb ungemein wichtig, weil rechte Parteien in Deutschland derzeit wieder einmal dabei sind, übelste antisemitische Hetze zu betreiben.“
Kooperation mit dem VfL?
Anwesende Mitglieder der VfL-Fangemeinde betonten immer wieder in Randgesprächen, dass sich zwischen OSC und dem VfL in Zukunft so manche Schnittmengen für gemeinsame Aktivitäten ergeben. Hermann Queckenstedt, vormaliger VfL-Präsident, hauptberuflich Leiter des Diözesanmuseums und ehrenamtlich für die Herrenteichslaischaft tätig, erinnerte in seinem ausführlichen Redebeitrag an Felix Löwenstein und an die ausgeschlossenen Spieler der vormaligen OTV-Abteilung „Spiel und Sport“, die in überwiegender Mehrheit demokratisch gesonnen gewesen seien und auch deshalb, wie Lea Levy, im gleichen Jahr aus dem OSC-Vorläuferverein gedrängt worden waren.
Scharfe Kritik an L&T
Einen äußerst bemerkenswerten Redebeitrag lieferte Queckenstedt, der das Vorhaben der Schülerinnen und Schüler auch namens der Herrenteichslaischaft in entscheidender Weise unterstützt hatte. „Es muss darum gehen“, so der Redner, „aus den Verfehlungen zu lernen und sich jedwedem Rassismus, jedwedem Antisemitismus und jedweder Diskriminierung nicht nur im Sport entgegenzustellen.“
Queckenstedt ließ es sich nicht nehmen, solche Fakten zu benennen, die das damalige Geschehen um die ausgeschlossene Sportlerin Lea Levy, geborene Falk, auch in einem brisanten aktuellen Licht erscheinen lassen. Der Anlass: Leas Vater Gustav Falk war seinerzeit Miteigentümer des renommierten Kaufhauses Alsberg in der Großen Straße, das von den Nazis 1935 im Zuge der sogenannten „Arisierung“, damals entgolten mit einem skandalös niedrigen Preis, den neuen Besitzern Lengermann und Trieschmann (heute L+T) übereignet worden war.
Schülerinnen und Schüler waren tatsächlich an die heutige Firma herangetreten, um eine finanzielle Unterstützung für ihr Projekt zu bekommen. Das Ergebnis war offenkundig ein brüskes Nein. Queckenstedt zeigte sich offen verärgert darüber, „dass das Unternehmen L+T euch auf die Bitte einer Mitfinanzierung dieses Gedenkortes einen Korb gegeben hat.“
Stattdessen sei von der gleichen Firma bis zum 6. November eine 94-seitige Hochglanzbroschüre unter dem Titel „fashion live style sport – 111 years forever young“ unter die Kundschaft gebracht worden, auf dessen Seiten sich L+T „drei Tage vor dem 9. November – selbst feierte und das jüdische Gründungsdatum ebenso ungeniert wie undifferenziert für das eigene Marketing instrumentalisierte.“ Auf ihren 94 Seiten reduziere das Magazin die jüdisch verantwortete Aufbauleistung der Firma „auf zwei kleinformatige Fotos mit zwei Bildzeilen oder präzise gesagt: auf der Seite 34 auf 40 Wörter mit insgesamt 242 Zeichen – einschließlich der Leerzeichen – gepaart mit einer inhaltlich missverständlichen, orthographisch-grammatischen Schludrigkeit.“
Eine zentrale Frage bewegte auf dieser Grundlage nicht nur Dr. Hermann Queckenstedt: „Wie würden die pseudolegal aus dem Betrieb gedrängten, quasi enteigneten ersten Besitzer und ihre Familien, nicht zuletzt angesichts ihres persönlichen Schicksals, wohl eine solche peinliche Geschichtsklitterung selbst kommentieren?“
Das Raunen, das nach diesen Worten durch das Publikum ging, zeigte ebenso wie der sofortige Beifall, dass der Sprecher der Herrenteichslaischaft mit seinen Worten ins Schwarze getroffen hatte. Die gesamte, durchaus gelungene Veranstaltung belegte, dass noch weiter sehr viel zu tun ist in der Osnabrücker Erinnerungskultur.