Mittwoch, 8. Mai 2024

OR-Serie „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit“: Im November kommt das Buch!

Heute mal keine neue Folge …

Wer an dieser Stelle den mittlerweile gewohnten Beitrag unserer Serie „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit“ erwartet hat, muss sich noch etwas gedulden. Keine Sorge! Die Serie pausiert nur für kurze Zeit.

Wir nutzen das redaktionelle Luftholen, um auf unseren Sammelband aufmerksam zu machen, der die bisherigen Beiträge zum Osnabrücker Widerstand nun auch in Papierform in den Buchhandel bringt. Den klassischen Band zum Blättern und Stöbern halten wir unverändert für die nachhaltigste Form historischer Wissensvermittlung. Und die liegt uns nun mal am Herzen. Ein weiterer, ebenfalls alphabetisch angeordneter Band soll folgen, sobald die kommenden Artikel unserer Serie in der Online-Ausgabe der OR erschienen sind.


Ergänzung der Stadtgeschichte

Selten hat eine Artikelfolge in der Osnabrücker Rundschau so viel Beachtung erfahren: Bislang 18 Folgen unserer Serie haben den Leserinnen und Lesern ein anderes Osnabrück vor Augen geführt als jenes, das für gewöhnlich die regionalgeschichtliche Stadthistorie prägt. Facettenreich dargestellte Einzelschicksale belegen, dass es in Osnabrück heutzutage keineswegs bevorzugt der Herausstellung eines Hans Calmeyers bedarf, um der Nachwelt jenes „andere“ Osnabrück zu präsentieren. Wie auch das jüngste Symposium im Osnabrücker Rathaus zeigte, [ https://os-rundschau.de/rundschau-magazin/heiko-schulze/calmeyer-die-ambivalenz-und-der-respekt-vor-den-opfern ], gibt es, allein schon aus Respekt vor den Opfern des Holocaust, zunehmend  Zweifel an der Privilegierung des Osnabrücker Anwalts. Schließlich war dieser als Mitglied der Den Haager NS-Verwaltung keineswegs nur jemand, der durch die Anerkennung manipulierter Dokumente zahlreiche Leben rettete. Zweifellos war er zugleich auch Täter, dessen Unterschrift den Weg anderer zum Tod im Konzentrationslager vorbestimmte. Mit unserer Serie wollen wir deutlich machen, dass bei Benennung und Konzeption des künftigen „Friedenslabors“ in der Villa des Museumsquartiers andere Zusammenhänge und Biografien als die Calmeyers in den Vordergrund gerückt werden müssen.

Kurzum: Die Präsentation eines „anderen“ Osnabrücks muss andernorts ansetzen! Die in der Denkschrift des ILEX-Kreises [https://os-rundschau.de/wp-content/uploads/2022/07/Denkschrift-ILEX-Kreis.pdf ] veröffentlichten Recherchen konnten unbestreitbar beweisen, dass es weit mehr als 100 Einzelbiografien solcher Osnabrückerinnen und Osnabrücker gibt, die bereits lange vor 1933 unter Einsatz ihres Lebens massiv „Nein“ zum Nazi-Terror sagten. Nicht wenige erlitten grausame Haft und gesundheitliche Schäden. Andere wurden brutal ermordet. Weiteren gelang es, zu überleben und sich am demokratischen Neuaufbau ihrer geliebten Heimatstadt zu beteiligen.


Namen und Erkenntnisse

Wie facettenreich sich das „andere Osnabrück“ dargestellt hat, belegen die bisherigen Folgen unserer Serie sehr konkret. Lassen wir dies in Kurzfassung noch einmal für jene Personen in Erinnerung rufen, die wir als Autorinnen und Autoren bislang herausgestellt haben.

  • Walter Bubert ist bereits in früher Zeit ein engagierter wie antinationalistischer Gewerkschafter und SPD-Kommunalpolitiker gewesen, der seine Ideale trotz aller Repressionen in der Nazizeit aufrechterhielt und mithelfen konnte, als Landrat und Oberkreisdirektor für den Neuaufbau demokratischer Strukturen in der Nachkriegszeit zu sorgen.
  • Hans Bodensieck steht für einen unbeirrt an seinen humanitären Werten festhaltenden Geistlichen, der es bis 1945 ablehnte, opportunistischen Kirchenvertretern zu folgen und der sich mutig mit offenen Worten den lokalen NS-Größen entgegenstellte..
  • Emil Berckemeyer hat aufgezeigt, dass sich auch Freimaurer, die unter dauernder Überwachung der Gestapo standen, aus ethischer Überzeugung am Widerstand beteiligten.
  • Josef Burgdorf, auch wegen seines selbst verwandten Pseudonyms als „Ilex“ bekannt, gilt bis heute als exemplarisches Beispiel für einen unbeugsamen Journalisten, der KZ-Haft überlebte und sich im Nachkriegs-Osnabrück verdient machen konnte.
  • Fritz Bringmann, bekannter im Hamburger Raum, blieb seinen humanistischen wie kommunistischen Überzeugungen auch als KZ-Häftling in Osnabrück treu und setzte sich unter Einsatz seines eigenen Lebens für Mithäftlinge ein. Wie alle Kommunisten musste auch er nach 1945 politische Verfolgungen erleben.
  • Anna Daumeyer-Bitter hieß jene aufrechte Osnabrücker Bäuerin, die von prominenten Osnabrücker Nazis kurz vor der Befreiung der Stadt durch britische Truppen allein deshalb brutal ermordet wurde, weil ihr das mutige Hissen einer weißen Fahne der militärischen Kapitulation vorgeworfen wurde.
  • Erwin Förstner fand den Mut, inmitten des Krieges eine in kleiner Auflage kursierende Widerstandszeitung herauszugeben, die den fortwährenden Kontakt Gleichgesinnter unter ehemaliger Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend garantierte. Nach 1945 zählte Förstner zum ersten demokratischen Stadtrat.
  • Ruth Gottschalk-Stern blieb trotz eigener Verfolgung als Jüdin so mutig, ihren Mann persönlich durch couragiertes Verhandlungsgeschick aus dem KZ zu befreien.
  • Heinrich Groos war ehemaliger Gewerkschafter, SPD-Kommunalpolitiker und Arbeitsamtsdirektor, der nach 1933 unbeugsam blieb und deshalb im KZ ermordet wurde.
  • Gustav Haas war für die Nazis von Beginn an als ehemaliges SPD-Ratsmitglied und Landtagsabgeordneter dermaßen verhasst, dass er schon 1933 nach unzähligen Drangsalierungen sterben musste. Der kilometerlange Trauerzug anlässlich seiner Beerdigung blieb bis zur Befreiung die letzte demokratische Demonstration in Osnabrück.
  • Frieda Höchster, die das KZ überlebte, wurde von den Nazis sowohl als Jüdin wie als aktive Sozialdemokratin verfolgt. Nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager engagierte sie sich für andere Überlebende.
  • Ženja Kozinski setzte selbstlos seinem Leben ein Ende, um  seine mitgefangenen serbischen Kameraden im Kriegsgefangenenlager OFFLAG VI C in der dortigen Widerstandsbewegung nicht zu verraten.
  • Ludwig Landwehr steht bis heute besonders beispielhaft für selbstlosen kommunistischen Widerstand, der bereits vor 1933 viele Stationen aufwies. Zur Tragik seines Lebens wurde, dass auch er trotz langjähriger KZ-Haft selbst nach dem Kriege unverändert als Kommunist verfolgt wurde.
  • Franz Lenz wurde erst nach 1945 als führender Osnabrücker Gewerkschafter bekannt. Vergessen wurde bis dahin vielfach, welche Widerstandsaktivitäten, beispielsweise die Anpachtung des antifaschistischen Treffpunkts „Eekenpacht“ in Lienen-Holperdorp, mit seinem Namen verbunden waren.
  • Paul Leo blieb ein unbeugsamer evangelischer Geistlicher, der zugleich wegen seiner jüdischen Abstammung verfolgt wurde, die NS-Zeit trotz immenser Repressalien überlebte und letztendlich nach der Befreiung den Weg in die USA fand.
  • Hans Lücke war Sozialist, Gewerkschafter und Genossenschaftler, der mit Franz Lenz für die Aufrechterhaltung der Eekenpacht sorgte. In den 50er-Jahren wurde er SPD-Bundestagsabgeordneter.
  • Wilhelm Mentrup wurde als Gewerkschafter und Sozialdemokrat, der es zum Verwaltungsinspektor der AOK gebracht hatte, von den Nazis als „Kassenbonze“ geschmäht und, auch wegen seiner Unbeugsamkeit, 1945 im KZ ermordet.
  • Luise Lütkehoff war eine resolut einschreitende Frau aus der Mitte der Osnabrücker Zivilbevölkerung, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens verhinderte, dass ein niederländischer Häftling von einem Nazi zu Tode geprügelt wurde.
  • Johannes Prassek steht für couragierte katholische Priester, die unbeugsam blieben und eine humanistische wie christliche Überzeugung am Ende mit dem Verlust des eigenen Lebens büßen musste.


Fortsetzung folgt!

Das Buch, auf das die Leserschaft gespannt sein darf, wird die Darstellung des Osnabrücker Widerstands aus der NS-Zeit keineswegs beenden. Zumal die Autorinnen und Autoren in aller Regel alphabetisch vorgegangen sind, soll der Band in naher Zukunft eine Fortsetzung erfahren.Die noch erscheinenden weiteren Biografien werden ebenso überzeugend belegen wie die bisherigen 18, dass jenes „andere Osnabrück“ keineswegs so unbedeutend klein war, wie bisher angenommen wurde.

„Denkwürdig“ sind die dargestellten Biografien im mehrfachen Sinne: Einerseits runden die Lebensgeschichten das bisherige Geschichtsbild als unverzichtbare Ergänzung ab. Zugleich vermitteln sie Orientierung zur friedlichen und demokratischen Gestaltung unseres heutigen wie zukünftigen Gemeinwesens.

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