Am Beispiel von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten: Wie macht sich demokratisches Engagement an Ortsbezeichnungen fest?
Ohne längeres Nachdenken könnte es Umherschweifenden egal sein, welche Beschriftungen Straßen- oder Platznamen tragen. Doch bereits die Frage, ob man in einer Pinochet-, Hindenburg- oder auch Stalinstraße leben möchte, macht deutlich, dass die Antwort bei den allermeisten klar sein sollte: niemals! Der Autor dieses Artikels nutzt als Hintergrund das 150. Gründungsjahr der Osnabrücker SPD, um speziell an diesem Beispiel der Frage nachzugehen, wie sich der Kampf für Frieden und Gerechtigkeit in Ortsbezeichnungen widerspiegelt.
Ein Promille unter 1.500
Ganz weit her ist das oben aufgeworfene Problem mit fragwürdigen Ortsbezeichnungen keinesfalls. Das Osnabrücker Straßenverzeichnis verfügt über rund 1.500 Eintragungen. Darunter sind etliche Benennungen nach Schlachtennamen, Kaisern und Königen, vermeintlichen Kriegshelden, Volksunterdrückern und erklärten Nicht- oder sogar Antidemokraten erfolgt. Immer wieder gibt es Initiativen zur Umbenennung. Erfolgreich waren diese zuletzt im Falle der Altnazis Gisbert Bergerhoff in Hellern, Heinrich Röper und Carl Diem im Schölerberg- beziehungsweise Neustädter Bereich.
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben immer zu denen gezählt, die vorbehaltlos für Frieden, Demokratie und sozialen Fortschritt gestritten haben. Im Vergleich zu anderen historischen Bewegungen ist dies beileibe nicht wenig. Und in der Tat: Einige Platz- und Straßennamen in Osnabrück tragen inzwischen den Namen früherer Sozialdemokraten oder Sozialdemokratinnen. Erinnern wir uns mal im Vorübergehen.
Unsere kurze Stadtwanderung erfolgt hier nicht nach Himmelsrichtung, sondern nach sachlichen Gesichtspunkten. Für die Ewigkeit festgehalten werden naturgemäß SPD-Persönlichkeiten, die international oder mindestens national wirkten. Sie spiegeln sich bei Namen, die an frühere Parteivorsitzende erinnern – bei der Lassallestraße (Parteigründer 1863), dem Willy-Brandt-Platz (Bundeskanzler bis 1974 und Friedensnobelpreisträger) oder dem Kurt-Schumacher-Damm (1. Nachkriegsvorsitzender).
Der August-Bebel-Platz – benannt nach dem jahrzehntelangen Vorsitzenden bis 1913 – hat im übrigen eine besondere Geschichte, denn der Ort wurde dereinst 1933 von den Nazis in Niedersachsenplatz umbenannt, was erst 1992 per Ratsbeschluss wieder „umgedreht“ wurde.
Bekannte deutsche Gewerkschafter und Sozialdemokraten werden durch die Carl-Legien-Straße, die Hans-Böckler-Straße oder den Otto-Brenner-Platz bewusst gemacht. An andere national renommierte SPDler wird in der Scheidemannstraße (Kanzler und „Ausrufer“ der ersten deutschen Republik 1918), am Adolf-Reichwein-Platz (Pädagoge, Widerstandskämpfer und Namensgeber der ehemaligen Pädagogischen Hochschule), in der Julius-Leber-Straße (wie Reichwein ebenfalls 1944 von den Nazis hingerichteter Widerstandskämpfer) und in der Ernst-Reuter-Straße (Berliner Bürgermeister) erinnert.
Last not least: Zahlreiche Straßen und Plätze sind natürlich auch Osnabrücker Sozialdemokraten gewidmet. SPD-Widerstandskämpfer, die in der Nazizeit ins KZ deportiert und ermordert wurden, finden sich in den Bezeichnungen Fritz-Szalinski-Hof, Heinrich-Groos-Straße und Wilhelm-Mentrup-Weg.
An populäre frühere Oberbürgermeister erinnern die Wilhelm-Kelch- und die Ernst-Weber-Straße. An den rund 40 Jahre als SPD-Ratsfraktionsvorsitzenden amtierenden und Landtagsvizepräsidenten Walter Haas denkt man in einer nach ihm benannte Straße. In Sutthausen wurde der dort aktive Sozialdemokrat Adolf Staperfeld per Straßenschild verewigt.Die „Verfassungsväter“ Otto Vesper und Hans Wunderlich wurden gemäß eines Kulturausschuss-Beschlusses vom April 2000 Namensgeber für zwei Straßen in einem Wohnbereich in Hellern.
An eine ehemalige SPD-Ratsfrau erinnert der Amalie-Pieper-Weg. Die aufrechte antifaschistische Kämpferin Alwine Wellmann, die international bekannte Autorin und Pädagogin Anna Siemsen sowie Elisabeth Selbert als eine der „Mütter des Grundgesetzes“ schmücken, Siemsen und Selbert kommen noch mit Verzögerung, Straßenschilder im Gewerbegebiet Limberg.
Kurzum: Allenfalls ein gutes Promille der Osnabrücker Straßennamen erinnert an Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die zeitlos für Frieden, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einstanden. Dies kann eigentlich nur ein Anfang sein. Nicht minder gilt es für andere Menschen, die sich – auch weltweit – für Demokratie, Toleranz und soziales Miteinander verdient gemacht haben. Namen besitzen Botschaften, die einem reichhaltigen Leben entspringen. Und humanitäre wie demokratische Botschaften können in einer Demokratie sehr bei der eigenen Orientierung helfen.