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Montag, 17. November 2025

Teil 3 der neuen OR-Serie „Täter-Hetzer-Profiteure“: Ludwig Münchmeyer

Ludwig Münchmeyer, Antisemit und NSDAP-Propagandaredner
„Ein solcher Geistlicher verdiene den Namen eines Geistlichen nicht“ 

Eine „Stinkblase“ sei „geplatzt“ – so bejubelte ein ehemaliger Pastor den Mord an einem demokratisch gewählten Minister durch eine Terrororganisation während der Weimarer Republik – und lockte mit derartiger menschenverachtender Rhetorik die Massen an. Mit der „Stinkblase, die aus dem Sumpf der Revolution aufgestiegen“ sei, meinte er den ehemaligen Reichsaußenminister Walter Rathenau. Rathenau wurde 1922 von Mitgliedern der rechtsradikalen Organisation Consul ermordet. Bei dem Redner, der von der ersten deutschen Republik als einem „Sumpf“ sprach, handelte es sich um Ludwig Münchmeyer.

Ludwig Münchmeyer wurde am 2. Juni 1885 in Hoyel geboren, einem kleinen Dorf zwischen Melle und Enger. Er stammte aus einer protestantischen Pastorenfamilie, und schlug selber ebenfalls diese Laufbahn ein. Nach dem Besuch der Volksschule in Groß-Munzel und des humanistischen königlichen Gymnasiums in Rinteln studierte er an den Universitäten Erlangen, Leipzig und Göttingen evangelische Theologie. Mit 20 Jahren wurde er 1905 in die Burschenschaft Germania Erlangen aufgenommen. Dabei handelte es sich um eine schlagende, farbentragende Studentenverbindung, deren Mitglieder „Erlanger Germanen“ genannt wurden.

Nach Ablegen der Zweiten theologische Prüfung im März 1911 wurde er im Juni des Jahres ordiniert und zunächst im Ausland eingesetzt. Münchmeyer war bis zum Kriegsbeginn 1914 Pfarrer der evangelisch-lutherischen Seemannsseelsorge in Cardiff (Großbritannien), danach Auslandspfarrer der beiden deutschen Gemeinden in Cardiff und Swansea in Südwales. Er behauptete später, dass er bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs Deutsche mit englischen Pässen versehen hätte, die er betrunken gemachten englischen Seeleuten abgenommen hatte, und dafür im Zuchthaus Newcastle gesessen hätte. Daraus sei er geflohen und wäre, wohl als Anerkennung, in Belgien dem Kaiser vorgestellt worden.

Münchmeyer: mit Kreuz und Uniform
Münchmeyer: mit Doppel-Kreuz und Uniform

Tatsächlich war er im Ersten Weltkrieg ab 1914 Feld-Divisions-Pfarrer bei der kämpfenden Truppe und wurde mit dem Eisernen Kreuz I. und II. Klasse ausgezeichnet. Nach Kriegsende wurde er als Garnisons-, Lazarett- und Gefängnispfarrer in Hannover angestellt. Er war verheiratet und hatte vier Kinder.


Die Insel Borkum: „Judenfrei“ seit 1897

Zwei Jahre nach Kriegsende wurde Münchmeyer 1920 Pastor der evangelisch-lutherischen Christuskirche auf der Nordseeinsel Borkum. Dort war die Stimmung schon lange stark nationalistisch und antisemitisch geprägt. Bereits vor der Jahrhundertwende wurde von der Kurkapelle täglich ein Lied voller rassistischer Klischees gespielt, bei dem die Kurgäste mitsangen, das auch in Osnabrück allgemein bekannte „Borkum-Lied“.

Doch wer dir naht mit platten Füßen
mit Nasen krumm und Haaren kraus
der soll nicht deinen Strand genießen
der muß hinaus! der muß hinaus! hinaus!

Danach suchte man die Quartiere jüdischer Gäste auf und forderte sie auf, die Insel zu verlassen. Der sogenannte Bäder-Antisemitismus – die Ausgrenzung jüdischer Gäste – diente wie auf Amrum, Juist, Langeoog, Spiekeroog und Scharbeutz auch auf Borkum als Werbung, um völkisch-nationale Kurgäste vom attraktiveren Norderney auf die „judenfreie“ Insel zu locken. Ein Inselführer pries Borkum 1897 als „judenrein“. Der „Central-Verein Deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ (kurz Central-Verein) warnte seine Mitglieder vor Hotels und Pensionen, „die judenfeindlich sind oder denen als ‚ausgesprochen christlichen Häusern‘ jüdischer Besuch nicht willkommen ist.“ Auf dieser antisemitischen Hitliste stand 1922 auch das Hotel Zur Post in Bad Rothenfelde, einem beliebten Ausflugsziel auch von jüdischen Osnabrücker Familien südlich von Osnabrück.

Antisemitismus per Postkarte
Antisemitismus per Postkarte

Der neue Inselpastor heizte die rechtsradikale und antisemitische Stimmung auf Borkum mit zahlreichen Vorträgen weiter an. Unterstützt wurde er von dem im Jahr seiner Ankunft 1920 gegründeten „Bund zur Wahrung deutscher Interessen auf Borkum“. Münchmeyer engagierte sich für „deutsche Bezeichnungen“ auf den Speisekarten und „deutsche Ausdrücke“ an den Inschriften von Häusern und kontrollierte die Personalien von Borkumer Kurgästen, an deren „arischer“ Abstammung er zweifelte.

Der sozialdemokratische hannoversche Oberpräsident Gustav Noske (SPD) wies den Regierungspräsidenten in Aurich 1922 an, gegen diese Hetze vorzugehen. Das antisemitische Borkum-Lied wurde eine zeitlang nicht mehr gespielt. Als der aus Osnabrück stammende sozialdemokratische Landrat des Landkreises Emden, Walter Bubert, das Verbot 1924 erneuerte, organisierte Münchmeyer gemeinsam mit dem völkischen Badedirektor Hempelmann Protestkundgebungen, bei denen sie Bubert und Noske beschimpften und gegen das Spielverbot wetterten.

Auf Hempelmanns Anweisung wurde das Verbot ignoriert und das Lied wieder gespielt. Bubert ließ daraufhin einige Musiker während eines Konzerts verhaften und die Instrumente beschlagnahmen. Den Badedirektor entließ er mit sofortiger Wirkung. Dieser klagte dagegen erfolgreich vor dem Amtsgericht Emden. Das Oberverwaltungsgericht in Berlin bestätigte das Urteil. Münchmeyer feierte das als Erfolg.

Im gleichen Jahr ließ Münchmeyer sich 1924 als Kandidat der antisemitischen Deutschnationalen Volkspartei in den Gemeindeausschuss wählen. Außerdem war er Kreistagsabgeordneter und Vertreter Borkums im Kreisausschuss des Landkreises Emden. Als zeitweiliges Mitglied der Badedirektion fing Münchmeyer trotzdem an, neben Juden auch Katholiken anzugreifen, wodurch viele rheinländische Badegäste vertrieben wurden. Die Presse berichtete über die „Katholikenhetze“ auf Borkum, der Deutsche Bäderverband beschloss, Fahrten nach Borkum nicht mehr zu empfehlen. Aufgrund der daraus resultierenden finanziellen Einbußen begann die Badedirektion, sich ebenso von Münchmeyer zu distanzieren wie die Leitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, die nichts gegen seinen Antisemitismus gehabt hatten.

Borkumer NS-Impressionen: Münchmeyer ist Hauptagitator
Borkumer NS-Impressionen: Münchmeyer ist Hauptagitator

Der „Münchmeyer-Prozess

Nicht alle Borkumer fanden es richtig, Antisemitismus zu tolerieren, wenn er den Umsatz steigerte. Der Borkumer Albrecht Völklein unternahm zusammen mit dem „Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ (C.V.), der sich gegen antisemitische Ausschreitungen engagierte, einen neuen Versuch, gerichtlich gegen Münchmeyer vorzugehen. Der Central-Verein hatte zuvor vergeblich versucht, beim Landeskirchenamt in Hannover die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Verfasser rechtsextremer Schriften zu erreichen.

Daher ließ man sich eine neue Strategie einfallen. Völklein veröffentlichte unter Pseudonym eine Schrift mit dem provozierenden Titel „Der falsche Priester oder der Kannibalenhäuptling der Nordsee-Insulaner“. Darin wurden Münchmeyer, ohne ihn namentlich zu nennen, Erpressung, Falschaussage, Vorspiegelung falscher Tatsachen, Amtsanmaßung und sexuelle Verfehlungen vorgeworfen und auch die Evangelische Landeskirche angegriffen. Dadurch sollte bewusst eine Beleidigungsklage durch Münchmeyer provoziert werden. Der Plan ging auf. Aus der Beleidigungsklage wurde ein politischer Prozess, der reichsweit für Aufmerksamkeit sorgte, und in dem es auch um Antisemitismus ging.

Der Münchmeyer-Prozess fand im Mai 1926 vor dem Großen Schöffengericht in Emden statt. Das Gericht gab dem angesehen Verteidiger, den der Central-Verein stellte, in fast allen Punkten Recht, auch wenn die Angeklagten wegen Beleidigung zu 1.500 Reichsmark Strafe verurteilt wurden. Sie durften aber Münchmeyer weiter als „falschen Priester“ bezeichnen, weil sein Verhalten „eines Geistlichen nicht würdig“ sei. Münchmeyer habe sich „wiederholt an Frauen herangemacht“ und sie sich „teils unter Ausübung eines unzulässigen Druckes, teils indem er sich als reicher Kaufmann ausgab“, gefügig machen wollen, junge Mädchen unsittlich berührt, sich wiederholt als Arzt und medizinischer Sachverständiger ausgegeben und die Gewohnheit, „nach Art alter Klatschweiber Gerüchte in die Welt zu setzen, um einwandfreie Menschen in Mißkredit zu bringen“.

Münchmeyer musste wegen der sexuellen Übergriffe seinen Dienst als Pfarrer quittieren, um sich einem im Herbst 1925 eingeleiteten Disziplinarverfahren des Landeskirchenamtes zu entziehen. Er verlor seine Arbeit, seinen Titel und seine Pensionsansprüche.


„Reichsredner“ der NSDAP

Während die Nationalsozialisten Juden in ihrem Duktus stereotyp als „Schänder unschuldiger Jungfrauen“ diffamierten und vor ihnen als „Verführer“ christlicher Frauen und Mädchen warnten, ignorierten sie die Missbrauchsvorwürfe gegen Münchmeyer und ernannten „den Erwecker der deutschen Seele“ zu einem ihrer offiziellen „Reichsredner“. Sie setzten gerne evangelische Theologen als Redner ein, die den Nationalsozialismus als „Christentum der Tat“ bezeichneten und Hitler als eine Art Messias sahen. Ludwig Münchmeyer wurde einer der aktivsten NS-Agitatoren im norddeutschen Raum und zeichnete sich wie zu erwarten durch besonders aggressive antisemitische Hetzreden aus. So behauptete er, auf dem Zionistenkongress in Moskau sei von den versammelten Juden 1908 der Erste Weltkrieg „beschlossen“ worden, um Deutschland und Russland zu vernichten.

Das Lingener Wochenblatt kündigte im Mai 1927 einen „Münchmeyer-Abend“ mit der Aussage an, „zweifelsohne [werde] er auch hier durch seine temperamentvollen Ausführungen zahlreiche Anhänger der völkischen Ideen zu verzeichnen haben“. Seine „temperamentvollen Ausführungen“ brachten Münchmeyer am 18. Mai 1927 vor Gericht. Was die Lingener Zeitung „temperamentvoll“ nannte, waren Beleidigungen und Schmähungen der übelsten Art. Münchmeyer schreckte selbst vor der Beleidigung von Toten nicht zurück, wie dem 1922 von Mitgliedern der rechtsradikalen „Organisation Consul“ ermordeten ehemaligen Reichsaußenminister Walter Rathenau. Ihn beschimpfte Münchmeyer mit der Äußerung, „Rathenau gehöre zu den Stinkblasen, die aus dem Sumpf der Revolution aufgestiegen und geplatzt seien“. Den deutschen Außenminister und Friedensnobelpreisträger Gustav Stresemann nannte er „einen Henkel am schwarz-rot-goldenen Misttopf“. Die Farben Schwarzrotgold standen für die Republik, die Münchmeyer ebenso verächtlich machte wie den ermordeten Rathenau. Friedrich Ebert, dem dritten Demokraten, der 1928 trotz der Proteste aus rechtskonservativen und deutschnationalen Kreisen mit einem Denkmal in Osnabrück gewürdigt wurde, unterstellte er „Volksverrat“.

Vom Reichsbanner errichtet, durch NS-Willen zerstört: das Ebert-Erzberger-Rathenau-Denkmal am Herrenteichswall
Vom Reichsbanner errichtet, durch NS-Willen zerstört: das Ebert-Erzberger-Rathenau-Denkmal am Herrenteichswall

Münchmeyer wurde zwar zu einer Geldbuße von 1.000 Mark, einer Geldstrafe von 150 Mark und einer Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt (die Staatsanwaltschaft hatte sechs Monate beantragt), erhielt aber Strafaufschub, das hieß Bewährung, bis zum 1. Januar 1930. Das Gericht hatte strafmildernd berücksichtigt, „daß Münchmeyer sich der Folgen seiner Aeußerungen wohl nicht bewußt war und sie beim temperamentvollen Vortrag entschlüpft seien“ – eine juristisch fragwürdige Einschätzung angesichts der Tatsache, dass es sich bei Münchmeyer um einen hauptberuflichen Parteiredner handelte. Der als nächstes geplante Vortrag im Hotel Rave in Lingen wurde 1927 vorsichtshalber aber polizeilich verboten, was die Ems-Zeitung begrüßte, „denn Münchmeyer hätte zweifelsohne die Gemüter der Besucher durch seine Reden unnötig erhitzt“.


Vor überfüllten Sälen und ungeheurem Beifall

Im Laumannschen Saal in Bramsche konnte Münchmeyer am 23. Mai 1927 neben verschiedenen Verschwörungstheorien auch seine antisemitische Propaganda verbreiten. Er warf Juden „Schlauheit und Raffinesse“ vor und behauptete, „den Weltkrieg hätten alle beteiligten Völker verloren, die sich an ihm beteiligten, aber gewonnen habe ihn nur ein Volk, und zwar das internationale Judentum. Dafür bürgten Bestätigungen von maßgeblichen Leuten“ – deren Namen der Redner, wie bei Verschwörungstheorien üblich, natürlich nicht nannte.

Münchmeyer griff auch die Presse an, die angeblich Berichte unterdrückte, denn „die Macht der dunklen Mächte“ sei groß – so lautete auch der Titel seines Vortrags. Dafür, dass nach seiner Behauptung „die Großpresse in jüdischen Händen sich befinde“, machte diese viel Werbung für ihn. Dem Lingener Wochenblatt ist jedenfalls zu entnehmen, dass Münchmeyer die Massen anzog und „in der überreichen Zahl seiner Versammlungen auf dem Lande und in den Städten z. Teil vor überfüllten Sälen gesprochen und ungeheuren Beifall der Anwesenden gefunden [hatte], was auch von der Presse in spaltenlangen Artikeln anerkannt wurde“.

Münchmeyers Worte bereiteten die Taten der Nationalsozialisten vor. 1929 hielt er in Wittenberg eine Rede, in der er fragte, was Luther wohl gesagt hätte, wenn er jetzt leben würde. Ein paar Tage später marschierten die Nationalsozialisten mit antisemitischen Plakaten durch die Straßen, denen Flugblätter gegen die Juden folgten. In einer Schrift über den „Reichsredner“ Münchmeyer aus dem Jahr 1935 wird der Erfolg der NSDAP im Gebiet Ostfriesland, Oldenburg, Osnabrück und Bremen mit fast 40.000 Stimmen für die NSDAP bei der Landtagswahl 1928 wesentlich Münchmeyers Agitation in diesem Gebiet zugeschrieben.

Münchmeyer hatte aufgrund der regionalen Bekanntheit in Osnabrück 1926 mit 800 BesucherInnen mehr Zulauf als die aus der Spitze der NSDAP stammenden Redner wie Reichspropagandaleiter Strasser. Im Januar 1926 hatte Joseph Goebbels hier auf Einladung der 1925 gegründeten Osnabrücker Ortsgruppe der NSDAP eine Rede vor gerade mal 350 Zuhörerinnen und Zuhörern gehalten. Um die verlorene Pension als Pastor musste Münchmeyer sich angesichts dieses Erfolgs nicht sorgen. Neben seiner Tätigkeit als Redner veröffentliche er, meist im Eigenverlag, zahlreiche Schriften mit Titeln wie „Marxisten als Mörder am eigenen Volke im Solde des Feindes“ oder „Auf Urkunden gestütztes Beweismaterial für den organisierten Landesverrat und den Dolchstoß der Marxisten aller Schattierungen, den Zerstörer deutscher Ehr und Wehr“ (München 1930).

Im September 1930 wurde der antisemitische Agitator als Abgeordneter der NSDAP des Wahlkreises 33 (Hessen-Darmstadt) in den Reichstag gewählt, wo er bis 1945 ein Mandat innehatte. Im Reichstags-Handbuch hieß es 1930, Münchmeyer sei „über 100mal verfolgt“ worden „wegen angeblicher Verstöße gegen das Republikschutzgesetz und anderer politischer Vergehen“, jedoch immer wieder freigesprochen worden. Er habe „die ‚deutsche Insel‘ Borkum gegen das Eindringen undeutscher Einflüsse“ verteidigt.

Münchmeyer war auch am Boykott gegen die Aufführung der Verfilmung von Erich Maria Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“ beteiligt. Zusammen mit einem anderen Reichstagsabgeordneten, dem späteren Propagandaminister Joseph Goebbels, organisierte er die Störung der Aufführung bei der dritten Aufführung des Films in Berlin im Dezember 1930. Die Nationalsozilisten, die sich unter die Zuschauer gemischt hatten, störten erst durch Zwischenrufe, warfen dann wie kleine Schuljungen Stinkbomben und ließen weiße Mäuse los. Dabei wurden sie von Goebbels und Münchmeyer angefeuert und „dirigiert“. Es kam zu Auseinandersetzungen von Besuchern, die sich gegen diesen Terror wandten, mit den SA-Schlägertrupps. Die Vorstellung musste abgebrochen werden, die nächste wurde abgesagt und der Film schließlich verboten – später konnte er nur in arg gekürzter Variante vor geschlossenen Gesellschaften gezeigt werden.


„Nie wieder“

Aus der NS-Zeit ist wenig bekannt über die Aktivitäten Münchmeyers, der ab 1935 in Düsseldorf lebte und bis 1945 Reichstagsabgeordneter der NSDAP blieb. Nach Kriegsende wurde er interniert und starb am 24. Juli 1947 in Böblingen/Baden-Württemberg. Auf Borkum schwieg man lange über Münchmeyer und den Bäderantisemitismus, den der Historiker Frank Bajohr in seiner Untersuchung mit dem Titel: „‘Unser Hotel ist judenfrei.‘ Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert“ 2003 allgemein bekannt machte.

Erst nachdem sich nach der Ankunft des neuen Pastors Jörg Schulze auf der Insel 2011 ein Arbeitskreis bildete, beschäftigte man sich auf der Insel näher mit dem ehemaligen Pastor, der schon 13 Jahre vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten antisemitische Propaganda verbreitet hatte. Auch bei den Urlauberinnen und Urlaubern wuchs das Interesse an diesem Teil der Insel-Geschichte. 2013 wurde Münchmeyers Bild entfernt, das bis dahin immer noch in der Sakristei der Inselkirche hing. Ein Jahr später wurde 2014 an der Kirche, deren evangelischer Pastor einst Mädchen missbrauchte, die Demokratie bekämpfte und 25 Jahre lang antisemitische Agitation betrieb, eine Gedenktafel aus Bronze aufgehängt mit dem Text: „Nie wieder“. Die Stadt Borkum schreibt auf ihrer Website: „Heute können wir dieses jahrzehntelange Treiben nur noch zutiefst bedauern, der Opfer in Demut gedenken und aufmerksam bleiben für die Wahrung der Würde aller, die auf Borkum leben und zu Gast sind.“


Literatur:
Frank Bajohr: Unser Hotel ist judenfrei. Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt/M. 2003

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