Keine erwiderte Liebe für die Pläne zur Gartlage
Ehe der gesamte Rat überhaupt über die voranschreitenden Pläne zum neuen „Sport- und Landschaftsparks Gartlage“ informiert wurde, stellte Oberbürgermeister Griesert das „Landschaftsplanungsprojekt“ stolz der Presse vor. Er sei „ein bisschen verliebt“ in die Planungen – ein Zustand, der im Hause Griesert gerade Hochkonjunktur zu haben scheint. Doch setzen wir einmal die rosarote oder lila-weiße Brille ab, stellt sich doch schnell Liebeskummer ein.
Exklusivität im Landschaftspark
Der gutgewählte Name „Sport- und Landschaftspark Gartlage“ suggeriert zunächst, dass die Flächen als Naherholungsgebiet frei zugänglich sind, täuscht in Wahrheit aber geschickt über die Tatsache hinweg, dass der Großteil dieses Gebiets exklusiv dem Training des VfL vorbehalten ist. Doch gerade die Coronazeit hat verdeutlicht, wie wichtig öffentliches Grün für alle ist. Insbesondere für die Menschen aus sozial benachteiligten Verhältnissen, wie vielerorts im Schinkel, stellen diese Flächen einen wichtigen Ort für Begegnung nicht nur mit anderen, sondern auch mit Landschaft und Natur dar.
Eigene Gutachten werden ignoriert
Mit dem Bebauungsplan Nr. 669 wird ein Gebiet in Betracht gezogen, in dem nach stadteigenem Geodatenportal und Stadtklimagutachten „bauliche Eingriffe gänzlich vermieden werden sollten“.
Auf den feuchten Wiesen der Gartlage entsteht bislang kalte Luft, die über die (noch) freien Flächen bis in die Innenstadt vordringt und viele Menschen mit frischer Luft versorgt. SPD und CDU werden nicht müde zu betonen: Nach ihren Plänen bleiben die Flächen grün – rein farblich sicher richtig. Doch damit kalte Luft entstehen kann, muss es feuchte Flächen geben, auf denen Wasser verdunstet.
Dass weder auf den Spielfeldern feuchte Wiese gewünscht noch eine Verdunstung auf den mit Kunstrasen überzogenen Flächen möglich ist, leuchtet ein. Vielmehr heizt das Plastikkostüm die Luft sogar auf. Was das ganz konkret bedeutet? Wer bereits in den letzten drei Sommern das Gefühl hatte, die Luft „steht“ über der Stadt, wird mit dieser Einschätzung richtig liegen. Ja, eine Luftschneise bis in die Innenstadt wird es zwar weiterhin geben, doch diese wird dann nicht mit kühler, sondern mit aufgeheizter Luft gespeist.
Noch ein kleiner Fakt am Rande: 2020 starben laut Statistischem Bundesamt in den drei heißen Augustwochen bundesweit über 20.000 Menschen. Wer die derzeitigen Corona-Zahlen vor Augen hat, kann die Dimension ungefähr einordnen. Die Versorgung mit kühler Luft in den zahlreicher werdenden Tropennächten ist daher immer auch gekoppelt an realen Menschenleben. Von der Metaebene auf die konkrete Situation in Osnabrück: Die Entscheidungen, die gerade bezüglich der Gartlage getroffen werden, haben Auswirkungen auf die Gesundheit manch Osnabrückers und Osnabrückerin.
Alternativen sind nicht gewollt
Für viele gehört der VfL zu Osnabrück wie die Kaltluft zur Gartlage und der Profisport verdient seinen Platz in der Stadt. Doch auf die Frage, warum nur noch über das „Wie“ und nicht über das „Ob“ in der Gartlage diskutiert wird, wenn sogar eigene Gutachten die baulichen Eingriffe für gravierend negativ halten, gab OB Griesert keine konkrete Antwort.
Dabei gäbe es immer noch die Alternative am Limberg. Pläne sehen dort zwar ein Gewerbegebiet für Start-Ups und Wirtschaft 4.0 vor, angesichts der Auswirkungen der Coronakrise sollte jedoch dringend überlegt werden, ob sich diese Unternehmen nicht neben dem Einzelhandel ansiedeln ließen, um die Innenstadt zu stärken. Osnabrücker*innen könnten mit KI und Co. direkt in Berührung kommen und mit Virtual-Reality-Brillen über einen zumindest virtuell fertigen Neumarkt spazieren!
Auch wenn Herr Griesert mit der Gartlage sehr liebäugelt und die Augen gegen Alternativen zu verschließen sucht, steht der Beschluss noch aus. Anlass zur Hoffnung geben, neben dem am 12.03. erwarteten artenschutzrechtlichen Gutachten, die steigende Zahl an Menschen, die im Gegensatz zur SPD und CDU den zukünftigen Standortvorteil Osnabrücks erkennen: Die Grünen Finger machen Osnabrück nicht nur widerstandsfähig gegen die Auswirkungen des Klimawandels, sondern auch lebenswert – in welch anderer Großstadt erreicht man in zehn Minuten vom Stadtzentrum aus in fast jeder Himmelsrichtung (noch) offene Landschaftsräume?
Wann also, Herr Griesert, werden Sie sich darin verlieben?