Dienstag, 30. April 2024

22. August 1944: Der letzte Tag im Leben von Mala (26) und Edek (20)

Ihre Liebe, Flucht und Tod wurden in der Geschichte des Lagers Auschwitz legendär

Edward Galiński, Edek, 1923 bei Jarosław geboren, war Schüler der Seefahrtsschule in Pińsk, als er mit 17 verhaftet, im Juni 1940 mit dem ersten Transport politischer Gefangener nach Auschwitz kam und zum Häftling nr. 531 wurde. Mala Zimetbaum (Malka Ccimetbaum, Häftlingsnr. 19.880), 1918 in Brzesko geboren, war als Zehnjährige mit ihrer Familie nach Antwerpen ausgewandert, hatte als Näherin in einem Modesalon gearbeitet und war im September 1942 als Jüdin nach Auschwitz deportiert worden.

kennengelernt haben sich die beiden drei monate später, als edek mit seinem schlosserkommando reparaturen im frauenlager in birkenau durchzuführen hatte. die beiden verliebten sich offenbar sehr schnell und sehr heftig ineinander, so dass wiesław kielar, der mit seinem besten freund edek schon lange ihrer beider flucht vorbereitet hatte, auf dessen drängen hin seinen platz in dem unternehmen an malka abtrat.

dass ihre flucht überhaupt von statten gehen konnte, war edeks vorgesetztem in der schlosserei, dem deutsch-polnischen ss-mann edward lubusch zu verdanken, der auch anderen häftlingen geholfen hatte, und ihm nun eine ss-uniform, einen blanko-ausweis und eine waffe besorgte. am frühen nachmittag des 24. juni 1944 marschierte so ein falscher ss-mann, der einen falschen häftling in übergroßer arbeitskleidung und einem waschbecken auf der schulter vor sich hertrieb, unbehelligt an der wache vorbei durch das lagertor zu einem angeblichen arbeitseinsatz.

erst stunden später wurde häftling 531 im männerlager und häftling 19.880 im frauenlager vermisst. „als wir den ton der sirene hörten, so die damalige mitgefangene ewa feldenkrais, „flüsterte es überall: ’das ist mala, das ist mala!’. mala ist tatsächlich mit edek aus dem lager geflohen.“ stiller jubel. beide galten als außerordentlich freundlich und hilfsbreit, ihre verbotene liebe hatte sich unter den gefangenen längt herumgesprochen, wie auch ihr plan, die flucht aus der hölle zu wagen.

tatsächlich erreichten malka und edek das dorf kozy, wo der im lager beschäftigte fliesenleger antoni szymlak lebte, der ihnen versprochen hatte, sie zu verstecken, bis sie weiter nach zakopane zu wiesław kielars schwester konnten. der war aber nun nicht mehr dabei und sie änderten ihren plan spontan und machten sich von kozy in richtung slowakei auf den weg, wo verwandte malkas lebten. knapp zwei wochen später wurde mala in der nöhe der slowakischen grenze beim versuch, brot zu kaufen, von einer deutschen patrouille aufgegriffen. edek war noch nicht bemerkt worden, hätte fliehen können, kam jedoch aus seinem versteck, um seine freundin nicht allein zu lassen.

beide wurden schnell als auschwitz-häftlinge identifiziert, in das lager zurückgebracht und in getrennte zellen im keller von block 11 gesperrt. trotz folter verrieten sie nicht, von wem sie die utensilien für ihre flucht bekommen hatte. edeks zellengefährte bolesław staroń sagte später, dass beide im lager heimlich als helden gefeiert wurden und dass edek jeden abend ein italienisches lied sang, um mala ein zeichen zu geben, dass er noch am leben war. doch wie nicht anders zu erwarten, verurteilten die deutsche kommandantur beide zum tode, ihre hinrichtung am galgen sollte zeitgleich und öffentlich passieren. edek konnte noch „lang lebe polen!“ rufen, bevor sich die schlinge um seinen hals zuzog. mala schnitt sich nach der urteilsverkündung die pulsadern mit einer rasierklinge auf, und starb vor den augen des gesamten frauenlagers entweder durch einen schuss oder tritte der ss-männer auf dem weg zum krematorium.

Eine Haarsträhne von Malka, die Wiesław Kielar durch alle Lager gerettet hat und die erhalten gebliebene Inschrift, die Edek in seiner Todeszelle in die Wand geritzt hat: ihre Namen, ihre Häftlingsnummern und der Tag ihrer gemeinsamen Gefangennahme, der 6.7.44Eine Haarsträhne von Malka, die Wiesław Kielar durch alle Lager gerettet hat und die erhalten gebliebene Inschrift, die Edek in seiner Todeszelle in die Wand geritzt hat: ihre Namen, ihre Häftlingsnummern und der Tag ihrer gemeinsamen Gefangennahme, der 6.7.44

 

Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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