Judith Kessler: Am 16. September 1813 traf das 1. Jägerbataillon des Lützowsches Freikorps in der Schlacht an der Göhrde auf Napoleons Truppen.

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Am 16. September 1813 schlug sich das 1. Jägerbataillon des lützowsches Freikorps in der Schlacht an der Göhrde mit Napoleons Truppen herum. Der Infanterist August Renz versuchte einen Verletzten aus der Kampflinie zu ziehen und wurde durch einen Kartätschenschuss schwer verwundet. Ein Feldscher, der seine Wunden versorgen wollte, entdeckte, dass August Renz eine Frau war. Er ließ sie nach Dannenberg bringen, wo sie drei Wochen später starb …

eleonore prochaska aka august renz (links) wurde 1785 in potsdam geboren. als ihr vater, ein unteroffizier, 1793 in den krieg gegen frankreich zog, kamen seine drei kinder („weil die mutter die kinder vernachlässigte“) ins militärwaisenhaus. 1797 nahm der inzwischen pensionierte vater die kinder wieder zu sich. und die hörten ihm begeistert zu, wenn er von volksaufständen in spanien und tirol gegen napoleon erzählte, an denen auch frauen teilgenommen hatten. 1810 ging eleonore als köchin in stellung, aber das jahr 1813 erfüllte sie dann mit solch patriotischer begeisterung, dass sie potsdam heimlich verließ und als freiwilliger „august renz“ in die armee eintrat. zuvor hatte sie ihre habseligkeiten verkauft, um sich männerkleidung, büchse, hirschfänger und tschako anschaffen zu können. sie war relativ groß, ihr umgangston wenig ladylike, so dass sie nicht weiter auffiel. ein offizier erinnerte sich später: „seine sprache war nicht besonders fein, so dass niemand in ihm ein mädchen vermuten konnte. übrigens kochte er vortrefflich in den biwaks.“

in der geschichte des corps taucht renz-prochaska erst auf, als mit der verwundung ihr geschlecht offenbar wurde. sie wurde mit großem tamtam beerdigt. beethoven komponierte die musik (werk ohne opus 96) für ein schauspiel über sie, friedrich rückert schrieb ein gedicht, und noch jahrzehnte später wurde eleonore prochaska „jungfräuliche heldin“ und „potsdamer jeanne d’arc“ gefeiert.

es gab weitere glühende patriotinnen, die sich als männer ins heer geschmuggelt haben, aber nach ihrer enttarnung allesamt entlassen wurden, bis auf eine: die mecklenburgerin friederike krüger (rechts), die als „august lübeck“ nach ihrer entdeckung wahrscheinlich von einem vorgesetzten protegiert wurde, und von friedrich wilhelm III. daraufhin die erlaubnis erhielt, unter ihrem echten namen weiter zu dienen. sie wurde ebenfalls schwer verwundet, überlebte aber, wurde befördert und u.a. mit dem eisernen kreuz dekoriert.

ps. heinrich heine (1833): „wir hätten auch den napoleon ganz ruhig ertragen. (…) man befahl uns den patriotismus, und wir wurden patrioten. (…) denn wir tun alles, was uns unsere fürsten befehlen. man muss sich aber unter diesem patriotismus nicht dasselbe gefühl denken, das hier in frankreich diesen namen führt. der patriotismus des franzosen besteht darin, dass sein herz erwärmt wird, durch diese wärme sich ausdehnt, sich erweitert, dass es nicht mehr bloß die nächsten angehörigen, sondern ganz frankreich, das ganze land der zivilisation, mit seiner liebe umfasst. der patriotismus des deutschen hingegen besteht darin, dass sein herz enger wird, dass es sich zusammenzieht wie leder in der kälte, dass er das fremdländische hasst, dass er nicht mehr weltbürger, nicht mehr europäer, sondern nur ein enger deutscher sein will. (…) als gott, der schnee und die kosaken die besten kräfte des napoleon zerstört hatten, erhielten wir deutsche den allerhöchsten befehl, uns vom fremden joche zu befreien, und wir loderten auf in männlichem zorn …“

Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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