Alle Jahre wieder: Ein Leben ohne Feuerwerk und Horoskope ist sinnlos …

… jedenfalls für Knalltüten.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ein neues Jahr steht kurz bevor und all die Knallköpfe, die es den gefrusteten feuerwerksablehnenden Gutmenschen mal so richtig zeigen wollen, werden das neue Jahr mit etwa 15.000 Tonnen Kanonenschläge und Raketen begrüßen. Dank dieser letzten Helden des pyromanischen Alltags, die sich einst kurz vor der Menschwerdung des Affen mit beiden Fäusten auf die Brust trommelten und “Feuer machen! Feuer machen!” brüllten, wird in den Epizentren dieser Evolutionsverächter die erste Stunde des neuen Jahres gleich mit 2.500 Tonnen Kohlenstoffdioxid und einer Feinstaubbelastung auf bis zu 5.000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft begrüßt, der normale Durchschnitt liegt bei 30 bis 40 Mikrogramm.

Böse Zungen behaupten, dass das darwinsche Prinzip “Survival of he Fittest” auch heute noch gelte, so dass diese evolutionären Fehlschläge mit jedem Knallfrosch nicht nur ihr Revier markieren, sondern auch im umgekehrt reziproken Verhältnis ihren geistigen Horizont verkleinern, weil mit jedem Donnerschlag ein paar der ohnehin nur rudimentär vorhandenen Gehirnzellen vernichtet würden. Das sei wie beim Boxen.

Sämtliche Umfragen weisen zwar darauf hin, dass eine große Mehrheit die Silvesterballerei generell ablehnt, aber “Umfragen sind auch nichts anderes mehr als Meinungsmache”, beschied ein mit dem Intellekt eines erfolgreichen Absolventen der Dunning-Kruger-Academy-of-Faked-Sciences ausgestattete Knallcharge auf Facebook. Wie schrieb eine andere Userin? “Wer sonst nichts zum Knallen hat …”

Doch wen interessiert so etwas schon in einer Gesellschaft der Ich-AGs? Was interessieren mich aufgeschreckte Haustiere, schreiende Kleinkinder oder um Atemluft ringende Asthmatiker? Sollen sie doch verrecken. Und was heißt hier Rücksichtnahme und Solidarität mit all den Geflüchteten aus Kriegsgebieten? Erst durch unsere Ballerei fühlen sie sich doch auf natürliche Weise, also ganz ohne Handy, endlich mal wieder mit ihrer Heimat verbunden.

Wie verkündete einst Anita Klahn als ehemalige sozial- und familienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag auf Twitter: “Wer Solidarität will, will nur eins: Das Geld von anderen Leuten.” Mit dem Verweis darauf, dass der “Kontext” nicht “klar erkennbar” gewesen sei, hatte sie den Tweet wenige Stunden später gelöscht, zumal selbst etliche ihrer Parteikollegen jegliche Solidarität mit ihr hatten vermissen lassen.

Nun könnte man all diese intellektuellen Kollateralschäden einer humanen Gesellschaft, diese Koryphäen solidarischer Entsagungen, ja ganz einfach vergessen, würden sie ihr betörendes Hauptsache-mir-geht-es-gut-Gehabe nicht ständig ins Internet kotzen. Da man das Nichtgedankengut von Menschen wie Anita Klahn nicht logisch, sondern allenfalls auf einer Metaebene erklären kann, und ich gerade gelesen habe, dass die Astrologie wieder eine Renaissance erlebt, habe ich für Anita mit geradezu wissenschaftlicher Akkuratesse ein Jahreshoroskop erstellen lassen.

Anita ist am 20. Januar 1960 in Lübeck geboren, also im Sternzeichen Steinbock, und ich erschrak: All ihre negativen und positiven Eigenschaften treffen auch auf mein Sternzeichen “Waage” zu (und natürlich auch auf alle anderen Sternzeichen).
Aber mal ganz ehrlich, wer von uns “studiert” schon Astrologie, nur um ein Horoskop lesen zu können? Verstehen kann man es eh nie. Das erschwert dann natürlich die Interpretation solch kryptischer Aussagen wie sie in Anitas Horoskop zu lesen sind:

“Liebe Anita, Neptun steht heute im zweiten Haus, während Uranus sich im ersten aufhält und sich Venus allmählich dem dritten Haus annähert.”

Bitte? Was soll ich daraus nun schließen? Noch ein Haus und ich kann mir in der Schlossallee ein Hotel kau­fen, oder was?

“Aber als Steinbock-Geborene weißt du hoffentlich auch, dass aus astrolo­gischer Sicht am Tag deiner Geburt alles vor­bestimmt und damit von dir nie zu beeinflussen war, ist und sein wird.”

Wie, sie kann also am Ende nicht einmal etwas dafür, dass sie in der FDP ist und nicht weiß, was Solidarität ist? Aber es geht im fast lyrischen Tonfall weiter: “Einer völlig orientierungslosen Gesellschaft gehst du blindlings voran. In der Liebe geht bei dir alles drunter und drüber. Es wird warm, die Hormone spru­deln … leider ins Leere, denn auf grünen Weiden lässt sich zwar gut grasen, aber du bleibst im Stall.”

Mhm, das klingt wahrlich nicht sehr prickelnd und vielleicht sollte man als astrologischer Laie etwas gründlicher vorgehen. Zum Sternzeichen Dingsbums gehört nämlich das 4. Haus und darin verbirgt sich der Pla­net Pluto. Nun ist der Pluto zwar nach offizieller astronomischer Lesart längst nur noch ein Zwergplanet, aber egal, wissenschaftliche Fakten haben in der Astrologie nichts verloren.

klein und doof wie ein Golfball: Pluto

Also: Der klitzekleine Pluto ist im 4. Haus? Mhm, dann ist das 4. Haus maßstabgerecht wohl eher eine Hunde­hütte mit Pluto drin, zumindest für Micky-Maus-Fans. Nun kommt es aber erst: Aus astrologischer Sicht sei dabei von entscheidender Bedeutung der Stand dieses Bonsaiplaneten, da allein dessen Anziehungs­kraft, die er am Tag von Anitas Geburt auf sie aus­geübt habe, für das  Glücks- und Wohlbefinden ihres ganzen Lebens verantwortlich gewesen sei.

Spätestens an dieser Stelle hätte ich als Hobbyastronom dann doch eine kleine Anfrage, wenngleich die­ses Mal eben nicht aus astrologischer, sondern aus rein astronomischer Sicht: “Wie schwer war eigentlich Ihre Hebamme, liebe Anita?”

Nun, Hebammen sind ja hin und wieder etwas stämmiger gebaut, also gehen wir mal von 80 Kilo aus. Dann war nämlich allein die Anziehungskraft der Hebamme – bei einem Gewicht von 80 kg – 4,2 Milliarden mal höher als die des Miniplaneten Pluto. Auf Deutsch: Wenn man diese astrologischen Weisheiten glaubt, dann ist das Gewicht der Hebamme 4,2 Milliarden mal entscheidender für Anitas Glücks- und Wohlbefinden als Plutos Gemütslage am Tag ihrer Geburt.

All die, die an Astrologie glauben, können also nur hoffen, dass die bei ihrer Geburt anwesende Hebamme leichtgewichtig war, um den ungeheuren Einfluss des Pla­neten auf das psychische Elend nicht zu sehr zu verwässern.

Was schließe ich daraus? Die Astrologie ist nichts anderes als die Wissenschaft von den Fußab­drü­cken, die man beim Gehen übers Wasser hinterlässt, obwohl man mit beiden Beinen fest in der Luft schwebt. Und Esoterik ist nichts anderes als Zellulitis im Hirn. Das Kardinalproblem der Astrologie-Quacksalberei aber ist, dass der Blick in die Sterne niemals ein Blick in die Zukunft, sondern immer nur ein Blick in die Vergangenheit sein kann.

“Wer das nicht versteht, sollte sein blamables Unwissen zukünftig lieber nicht im Internet ausposaunen”, lautet jedenfalls meine astronomische Vorhersage für die nächsten Jahrtausende, zehnte.

Auch im Namen der gesamten Redaktion wünsche ich allen ein gesundes neues Jahr 2024, das hoffentlich für uns alle erfreulicher als 2023 verlaufen wird.


Und als versöhlicher Abschluss:

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