Das Genie unter den Rockmusikern, das nie gesurft hat
Brian Wilson war der Chef und Komponist der Beach Boys. Er ist gestern im Alter von 82 Jahren gestorben.
Einst wurde er von seinem Vater als Kind auf einem Ohr taub geprügelt, verfiel mit Anfang 20 jahrzehntelang in tiefste Depressionen und feierte Anfang dieses Jahrtausends seine erst nur allmähliche, dann aber triumphale Wiederauferstehung und tourte noch im hohen Alter von 80 Jahren mit seinem alten Beach-Boy-Mitstreiter Alan Jardine durch die Welt, begleitet von der begnadetsten Band, die ich jemals live erlebt habe und ich habe viele gesehen.
Die Süddeutsche Zeitung schrieb vor einigen Jahren nach einem Konzert von Brian Wilson, wenn Michael Jackson der King of Pop sei, dann sei Brian Wilson der God of Pop. Und selbst das scheint untertrieben, denn Brian Wilson hat einst im Alter von nicht einmal 25 Jahren mit seinem Konzeptalbum ‚Pet Sounds‘ die Pop- und Rockmusik in nie geahnte Dimensionen katapultiert. So wird es heute weltweit von fast allen Kritiker:innen als das beste oder zumindest als das wichtigste Album aller Zeiten eingestuft, denn es hat sämtliche Aufnahmetechniken und Hörgewohnheiten umgekrempelt. Bis dahin hatte Wilson einen Welthit nach dem anderen für seine Beach Boys komponiert und produziert. Songs wie California Girls, Surfin USA, Sloop John B., Fun, Fun, Fun, God Only Knows, I can hear Music, Wouldn’t It Be Nice?, Barbara Ann, Good Vibrations und zig andere sind längst Evergreens, deren Nachklang bis heute in vielen Rock- und Popsongs wahrzunehmen ist.
Dann erschien am 16. Mai 1966 ‚Pet Sounds‘ und dieses kommerziell erfolglose Album war etwas ganz anderes: Es war der Sieg der Kunst über den Kommerz und veränderte die Musikwelt mehr als jedes andere Album. Dieser wunderbare Artikel im Rolling Stone erklärt dazu alles Wesentliche.
Parallel arbeitete Brian Wilson an etwas, das noch vielschichtiger als Pet Sounds werden sollte, nämlich an dem erst vor wenigen Jahren in seiner Gänze erschienenen Album ‚Smile‘, das damals nur als verstümmelte ‚Smiley Smile‘-Version veröffentlicht worden war. ‚Smile‘ erschien nach 45 Jahren zum ersten Mal in der kompletten Version und der alte Brian Wilson feierte damit weltweit die Triumphe, die ihm einst mit diesem bahnbrechenden Album verwehrt worden waren.
Ich kann nur allen empfehlen, sich seine vor einigen Jahren umwerfend einfühlsam verfilmte Biografie ‚Love & Mercy‘ anzusehen, die hin und wieder zum Beispiel auf arte wiederholt wird, aber auch als DVD und Blue-Ray erschienen ist und sogar in allen möglichen Kategorien als absolut oskarverdächtig galt. Danach sieht und hört man nicht nur Brian Wilson und die Beach Boys, sondern die ganze Musikwelt mit anderen Augen und Ohren.
Eigentlich wollte ich nur den Song ‚Surf’s Up‘ verlinken, aber damit würde man dem musikalischen Ausnahmegenie Brian Wilsons nicht gerecht. Lasst euch mal auf dieses Livekonzert in London ein, am besten unter Kopfhörern. So, wie das noch vor RTL2 und ständigem Handyalarm üblich war. Allein, was dort an Instrumenten, Gegenständen und Geräuschen eingesetzt wird, ist atemberaubend verrückt, von den Stimmen ganz zu schweigen. Also noch mal: Das Ganze mit 25 Jahren komponiert und erst mit 70 Jahren mit absoluter Perfektion LIVE endlich eingespielt. Smile live in London
Tschüs, Brian, solange ich lebe, wird mich deine zeitlose Musik begleiten, wenn mir danach ist und mir ist seit 60 Jahren oft danach … genauer gesagt, seit ich I get around auf einem Samstagnachmittag in der Sendung „New York, New York“ mit Werner Baecker sah. Ich rannte am Montag sofort los und fragte nach „I get a Dog“ von der „amerikanischen Band the Beach Boys“ , die in den USA auf dem 1. Platz stehen. Erst zu Rohlfing, dann zu Radio Friedemeyer, wo mir Inhabertochter Ulrike versprach, sich darum zu kümmern. Eine Woche später wurde mir von Ulrike F. der korrekte Titel mitgeteilt und etwa einen Monat danach besaß ich meine erste Single, die mich im Nachhinein weit mehr geprägt hat als der erste Kuss.