Lieber „Bley“ in den Füßen als „Deutschländer“ im Bauch
Am Dienstag geht es für den VfL um 19.00 Uhr im Landespokal gegen den SSV Jeddeloh. Gemeint ist in dem Fall der zur Samtgemeinde Edewecht gehörende Ortsteil Jeddeloh 2, der vier Kilometer südlich von Jeddeloh 1 liegt, was 1.323 Einwohner*innen zu schätzen wissen, denn dort isst man lieber die Wurst von Bley, dem Sponsor des SSV Jeddeloh.
Dass der SSV Jeddeloh nach sieben Spieltagen in der Regionalliga Nord dank sechs Siegen und einem Unentschieden auf Platz 1 steht, ist sicherlich sensationell. Trainiert wird die Mannschaft von Ex-VfLer Björn Lindemann, mit dem ich mich im aktuellen „Kallas Einwurf“ von heute über die morgige Partie gegen den VfL unterhalten habe.
Doch nun zurück zur Samtgemeinde Edewecht
Eine der kürzesten, prägnantesten und bekanntesten Stellungnahmen zum Thema Geografie-Kenntnisse gab einst der Fußballspieler Andy Möller ab: „Egal, ob Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien.“
Mit Erdkunde scheinen wir Deutschen ohnehin unsere Probleme zu haben. So lief bis vor Kurzem ein Fortbildungskurs „Geografie für Schlachternachwuchs“ im Fernsehen. Ich habe den Werbespot, der in diesem Fall den Namen Spott wirklich verdient, noch vor wenigen Monaten gesehen. Alle kennen die gruselige Melodie dazu:
Da fragt der Lehrling in einer Schlachterei: „Meistaaa, warum heißen Deutschländer eigentlich Deutschländer?“ Woraufhin der weise Meister mit patriarchalisch-bescheuertem Blick antwortet: „Na, weil da von den beliebtesten Würstchen Deutschlands das Beste zusammenkommt. Probier mal! Sie sind knackig wie Wiener, würzig wie Frankfurter und zart wie Bockwürste …“
Wann wurde dieser Werbespot eigentlich gedreht?
Knackig wie Wiener? Seit dem freiwilligen Anschluss von Österreich an Deutschland ist doch eigentlich schon genug Wasser über die Elb- und auch Donau-Ufer getreten, oder? Und Rapid Wien, der Deutsche Meister von 1941, hatte nach ’45 nie wieder eine Chance, Deutscher Meister zu werden – vom Sportlichen mal ganz abgesehen … Doch vom Fleischermeister der Firma Meica lasse ich mich natürlich gern eines Besseren belehren.
Mal ganz unabhängig vom Großdeutschländer-Würstchen, was ist überhaupt der Unterschied zwischen Wiener, Frankfurter und Bockwurst? Das weiß nur Meica. Da ist nämlich überall derselbe Mist drin, na ja, fast jedenfalls. Der Unterschied zwischen einem Frankfurter und einem Wiener Würstchen besteht einzig und allein darin, dass eine Frankfurter laut EU-Verordnung über den „Schutz geographischer Bezeichnungen“ nur im Frankfurter Stadtgebiet hergestellt werden darf, aber die exakt gleichen Zutaten wie eine Wiener enthält. „Ja mai, die Wianer hoams holt schliachtweg vergessen, ihr Woarstchen unter Oartenschutz zu stellen“, könnte man zumindest meinen. Also ist eine Frankfurter eine Wiener, eine Wiener aber niemals eine Frankfurter, obwohl sie in Wirklichkeit eine Frankfurter ist.
„Schutz geographischer Bezeichnungen“
Aber es wird noch komplizierter. Dass die EU-Verordnung über den „Schutz geographischer Bezeichnungen“ einfach unterlaufen wird, indem die Frankfurter in Neu-Isenburg hergestellt wird, ist dabei nur eine Randnotiz.
Tatsache ist nämlich, dass der junge Fleischermeister Johann Georg Lahner im Jahre 1842 von Frankfurt nach Wien zog und die Würstchen dann dort erfunden hat und sie lediglich in Erinnerung an seine Heimatstadt „Frankfurter“ nannte.
Und das ist auch der Grund, weswegen die Frankfurter in aller Welt „Wiener Würstchen“ und nur in Wien „Frankfurter Würstchen“ heißt, aber damit noch längst nicht genug: Wer hätte gedacht, dass die beliebten Wiener Würstchen ihren Namen gar nicht der österreichischen Hauptstadt verdanken, sondern einem Berliner Metzger und Weinstubenbesitzer, der bei einer Wien-Reise die Frankfurter-Rezeptur von Johann Georg Lahner abkaufte, um die Frankfurter dann Wiener zu nennen, so dass die Wiener eigentlich eine Berliner ist, und nur die Frankfurter eine Wiener?
Es kommt auf die inneren Darmwerte an
Bliebe noch die Bockwurst, da ist fast genau derselbe Scheiß wie in einem armen Frankfurter Wiener Würstchen drin, allerdings in einem Schafsdarm. Aber hat schon mal jemand Lust darauf verspürt, verschiedene Darmsorten geschmacklich voneinander unterscheiden zu können? Die Bockwurst heißt übrigens so, weil sie mit einem Bockbier serviert wurde. Also ist die Bockwurst, eine Wiener, die eigentlich eine Berliner ist, die Frankfurter heißen müsste – allerdings nur dann, wenn sie entgegen jeder EU-Norm in Neu-Isenburg hergestellt wurde … oder so ähnlich jedenfalls.
Und die Currywurst? Nun, die wurde erst im Jahre 1949 von der Berliner Imbissbudenbesitzerin Hertha Heuwer kreiert und hat mit der Frankfurter oder Wiener rein gar nichts zu tun, allenfalls mit der Berliner Bockwurst, also rein geografisch jedenfalls …
Geschichtliche Wahrheit und guter Geschmack
Mal ehrlich: Woher soll man all das in Edewecht bei Oldenburg in der Meicastraße 6 auch wissen, wenn dort an der Volkshochschule mit Vorliebe Yoga- und Esoterikkurse angeboten werden? Woher sollen die von Meica wissen, dass es bezüglich des zweiten Weltkriegs längst nicht mehr um die Wurst geht?
Dennoch ist mir der Werbespot aus historischer Sicht einfach nicht konsequent genug. Wenn schon, dann muss es der geschichtlichen Wahrheit und des guten Geschmacks zuliebe natürlich heißen: „Deutschländer Würstchen! Sie sind knackig wie Wiener, würzig wie Frankfurter und blutig wie Krakauer!“
Nachschlag
Selbst heute kann ich Meica nach all den Jahren nicht einmal ein gewisse Lernfähigkeit attestieren, auf der Webseite heißt es nämlich immer noch: