Als Kinderreime verboten wurden
Eine Email-Korrespondenz aus dem Jahr 2008 (!) zwischen dem DFB und mir zu den Themen Hoffenheim, Dietmar Hopp und Meinungsfreiheit im „Originalton“.
Von: Kalla Wefel [mailto:kalla.wefel@t-online.de]
Gesendet: Donnerstag, 25. September 2008 12:54
An: Mail-Pressestelle
Betreff: Hoffenheim
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großer Erleichterung habe ich davon erfahren, dass die TSG Hoffenheim Hunderte von E-Mails erhalten haben soll, in denen sich Menschen für die Angriffe gegen Herrn Hopp entschuldigt haben.
Was soll ich nun aber mit den Abertausenden Mails machen, in denen mir entsetzlicherweise geschrieben wurde, Herr Hopp sei ein Arschloch und der Totengräber des deutschen Fußballs? Soll ich diese Meldung an die noch nicht Ihnen oder Herrn Hopp gefälligen Reporter weiterleiten? Ich weiß, es gibt nicht mehr allzu viele davon, aber ausgerechnet diese kenne ich gut. Und soll ich nun die unzähligen aufmüpfigen E-Mail-Schreiberlinge alle anzeigen? Oder könnten Sie, also der DFB oder der Sohn von Herrn Zwanziger, der ja was mit den Frauen aus Hoffenheim zu tun haben soll, für mich eine Sammelklage einreichen?
Und ich möchte mich auch noch selbst anzeigen, ich habe damals beim Spiel gegen diesen unaussprechlichen Verein aus der Gegend von Sinsheim in Osnabrück nämlich laut gerufen: „Eure Armut kotzt uns an!“ Und ich habe mich zu einem zugegebenermaßen etwas populistisch klingendem „Hopp, du Arschloch!“ hinreißen lassen, und das in einem völlig nüchternen Zustand, also voll zurechnungsfähig, falls Sie wissen, was das ist.
Was soll ich mit den Mails nun machen? Ans zuständige Gericht weiterleiten? Welches käme denn da in Frage? Die Gerichtseiche neben dem Dietmar-Hopp-Stadion in Hoffenheim vielleicht?
Völlig ratlos.
MfG und einem zwanziger Kotau für die Herren Koch und Hopp
Kalla Wefel
Von: Mail-Pressestelle [mailto:Info@DFB.DE]
Gesendet: Donnerstag, 25. September 2008 16:06
An: Kalla Wefel
Betreff: AW: Hoffenheim
Sehr geehrter Herr Wefel,
die Aggressionen gegen Kahn sind ein gutes Beispiel, wie weit diese Spirale des Hasses sich drehen kann. In Freiburg wurde Kahn von einem Golfball an der Schläfe getroffen und verletzt – Sie können sich sicher an diese Szene erinnern.
Pauschale Schmährufe sind schon schlimm, aber wenn sich der gesamte Hass auf eine Person konzentriert, dann sind die Reaktionen nicht mehr zu kontrollieren. Aus fehlgeleiteter Fan-Leidenschaft hat ein „Fan“ von Steffi Graf einst Monica Seles niedergestochen. Wir sollten nicht erst handeln, wenn Herrn Hopp etwas passiert ist. Der DFB respektiert die Freiheit – auch die Meinungsfreiheit – eines jeden Fußball-Fans. Doch die Freiheit des einen hört da auf, wo die Freiheit des anderen verletzt wird.
MfG DFB-Pressestelle
Von: Kalla Wefel [mailto:kalla.wefel@t-online.de]
Gesendet: Freitag, 26. September 2008 01:11
An: Mail-Pressestelle
Betreff: AW: Hoffenheim
Werte Damen und Herren der DFB-Pressestelle,
Ihre Antwort empfinde ich, gelinde gesagt und ohne in die Klauen des DFB-Rassimusgleichstellungsbeauftragten geraten zu wollen, als höchst befremdlich. Was bitte hat denn dieser völlig durchgeknallte Psychopath, der damals ein Messerattentat auf Frau Seles verübt hat, mit Herrn Hopp zu tun? Okay, beide mögen völlig durchgeknallt sein, aber sonst? Und was hat wiederum Herr Hopp mit Frau Seles zu tun? Oder stöhnt der auch jedes Mal so ekelhaft auf, wenn er einen Golfball schlägt, der ihn dann womöglich am Kopf treffen könnte, weil der Ball gar nicht von ihm, sondern von seinem Freund Franz Beckenbauer geschlagen wurde? Also, wer den Beckenbauer übrigens bei Premiere vor dem Hoffenheimer Spiel gegen Borussia Mönchengladbach über Herrn Hopp hat reden hören, der könnte wirklich so etwas wie eine auf Bayern beschränkte Xenophobie entwickeln … aber gut, bezüglich Bayernfeindlichkeit will ich es erst einmal dabei bewenden lassen.
Da Sie offensichtlich nicht davor zurückschrecken, absurdeste Vergleiche heranzuziehen, wäre es da nicht angebrachter, Herrn Hopp als Retter der Witwen und Erben sowie als Wahrer und Beschützer des afrikanischen Fußballs mit Albert Schweitzer oder Karlheinz Böhm auf eine Stufe zu stellen? Oder wie wäre es – schon wegen der Rassismusvergleiche -, es gleich mit Martin Luther King oder Nelson Mandela zu versuchen. Oder Jesus vielleicht? Okay, der ist jämmerlich gescheitert, aber so ein Heiligenschein macht sich doch gut.
Falls Herr Hopp es übrigens weiterhin für nötig hält, die lächerlichen Beleidigungen gegen sich mit rassistischer Hetze gleichzusetzen, könnte es natürlich rasch auch umgekehrt passieren, dass Ihm eine Klage wegen Verharmlosung von Rassismus ins Haus flattert, womöglich von seinen eigenen Nachwuchsspielern aus Brasilien, Ghana, Senegal, Nigeria oder aus welchen Ländern auch immer seine deutschen Nachwuchsfußballer stammen mögen. Herr Hopp mag es gewohnt sein, dass ihm seine nähere Umgebung – dazu muss man ja auch diverse Angehörige von DFB-Entscheidungsträgern zählen – zu Füßen liegt, doch woanders steht man ihm eben auch mal auf denselbigen. Für Menschen, die Kritik nicht gewohnt sind, ist es sicherlich sehr schwierig, sich mit der Meinungsfreiheit abzufinden oder sich wenigstens mit ihr zu arrangieren, meine achtjährige Tochter hat auch arge Probleme damit. Demokratie ist auch nichts für kleine Kinder oder große Patriarchen, die sich auf dem Affenfelsen permanent auf die Brust klopfen und „Feuer machen! Feuer machen!“ brüllen.
Aber ich will Sie nicht weiter langweilen, die restlichen 15 Minuten Meinungsfreiheit über Herrn Hopp und den Verbändelungen und Verästelungen und Skandalen im DFB seit Peco Bauwens über Dr. Hermann Gösmann – mein Vater war ein guter Freund von ihm – bis heute zu Herrn Zwanziger können Sie sich in meinem neuen Programm „Wer nichts weiß, muss alles glauben!“ ansehen. Die Szene hat übrigens den rassistischen Arbeitstitel „Kein Junge will mehr Adolf oder Dietmar heißen“ oder „Man sollte Ekel nie mit Neid verwechseln“.
Das war es dann, auch Sie haben etwas Besseres zu erledigen – nämlich den deutschen Fußball -, als sich mit einem idiotischen Fußballfan wie mir auseinanderzusetzen.
Kalla Wefel
Von: Mail-Pressestelle [mailto:Info@DFB.DE]
Gesendet: Freitag, 26. September 2008 08:16
An: Kalla Wefel
Betreff: AW: Hoffenheim
Sehr geehrter Herr Wefel,
Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Jedoch hört die Freiheit des einen da auf, wo die Freiheit des anderen beschränkt wird.
Herr Hopp ist sicherlich für konstruktive Kritik empfänglich, sie darf aber nicht beleidigend, verunglimpfend oder verletzend sein. Aktuell ist es jedoch so, dass sich eine gewisse Hass-Spirale in Gang gesetzt hat. Von Spiel zu Spiel werden die Schmährufe, die Plakate schlimmer. Eine auf das Portrait aufgemalte Zielscheibe ist jenseits der Grenzen des guten Geschmacks.
Von der aufgemalten Zielscheibe zu einem tätlichen Angriff ist es zwar noch ein weiter Weg – aber die Beispiele der Vergangenheit haben eben gezeigt, dass ein fehlgeleiteter Fan reicht.
MfG DFB-Pressestelle
Von: „Kalla Wefel“ <kalla.wefel@t-online.de>
Datum: 27. September 2008 13:20:42 MESZ
An: Mail-Pressestelle
Betreff: AW: Hoffenheim
Sehr geehrte Damen und Herren,
so richtig verstehen Sie mich offenbar nicht, es geht nach wie vor um Meinungsfreiheit, aber es freut mich außerordentlich, dass die Schmährufe von Spiel zu Spiel schlimmer werden, wobei Sie mit „schlimmer“ nur „mehr“ meinen können, schließlich kann es ja „schlimmer nicht kommen“.
Einer völlig inhaltslosen Floskel wie „Jedoch hört die Freiheit des einen da auf, wo die Freiheit des anderen beschränkt wird“ (meine Güte, wenden Sie diesen Schwachsinn mal auf die Arbeitswelt an oder auf dem Fußballfeld, wo sich ein Stürmer beim Verteidiger über die Einschränkung der Bewegungsfreiheit beschwert). Ihrer Freiheitsverballhornung halte ich dann doch lieber Rosa Luxemburgs „Freiheit ist immer die Freiheit des anders Denkenden“ entgegen. Bezüglich Meinungsfreiheit dürften dem DFB, der DFL und Herrn Hopp in nächster Zeit ohnehin etliche Lektionen erteilt werden.
An Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten ist dann das Verbot von Transparenten mit Kinderreimen wie „Hoppe, hoppe, Reiter …“, wie heute in Bremen geplant. Ich habe sämtliche aufrührerischen Kindergärtnerinnen und alle Blagen aus meiner Nachbarschaft schon mal prophylaktisch wegen „Hoppes-Lästerung“ angezeigt. Meine achtjährige Tochter findet Herrn Hopp übrigens auch so „richtig doof und hässlich“, obwohl ich ihr immer wieder sage, sie solle allein auf die inneren Werte eines Menschen achten. „Aber die meine ich doch, Papa.“ Ich habe ihr daraufhin Recht gegeben. Bitte antworten Sie mir also nur noch mit einer Hausdurchsuchung. In freudiger Erwartung auf Sippenhaft
Kalla Wefel