Samstag, 2. November 2024

Pfingsten ist auch nur ein Ochse: Über die Unwahrscheinlichkeit der eigenen Existenz …

Pfingsten? A watt …

Nur mit religiösen Mythen vertraute Christen und (natürlich) Wikipedia wissen, warum Pfingsten überhaupt gefeiert wird. Die Begründung klingt wie immer höchst befremdlich bis märchenhaft, wenn es um unerklärbare Phänomen oder geisterhafte Erscheinungen aus der Bibel geht: „Pfingsten ist ein christliches Fest, an dem die Gläubigen die Sendung des Heiligen Geistes zu den Jüngern Jesu und seine bleibende Gegenwart in der Kirche feiern.”

Und in der Apostelgeschichte steht: „Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren … Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“

A watt … von mir aus, aber irgendwie muss der Heilige Geist auch dieses Jahr mal wieder komplett an mir vorbeigebraust sein.

„Ach, aber auf die freien Tage wollt ihr Atheisten mal wieder nicht verzichten, oder?“, ermahnen die Erweckten bei jeder christlichen Festgelegenheit die Aufgeweckten im gebieterischen Ton, als hätte unsereins seine freien Tage ihrem komischen Glauben zu verdanken. Dabei wird von ihnen geflissentlich unterschlagen, dass alle religiösen Feste heidnische Wurzeln haben, die sich der Klerus über all die Jahrhunderte wie den gesamten Grundbesitz widerrechtlich unter den Nagel gerissen hat, indem er dem ungebildeten Volk einen Stehplatz im Himmel versprach. Bis heute offenbar weltweit ein erfolgreiches Geschäftsmodell.

Liebe Christengemeinde, mir fallen zig bessere Anlässe für Feiertage ein, als dem Vorbeibrausen eines heiligen Geistes oder der Himmelfahrt eines bedauernswerten Tischlersohns zu huldigen. Wie wäre es, stattdessen den 21. Juli, den Tag der Mondlandung, als Tag der Wissenschaft und Charles Darwins Geburt am 12. Februar als Tag der Evolution zu feiern?

Wie wäre es, am 8. Mai dem Tag der Befreiung vom Faschismus und am 4. April der Ermordung Martin Luther Kings zu gedenken? Was ist mit einem Rosa-Parks-Day? Auch die zukünftigen Todestage von Donald Trump oder Wladimir Putin sollten als Freudenfeste in spe vorgemerkt werden.

Sicherlich wären auch viele gläubige Menschen damit einverstanden, zumindest diejenigen, die im Jahr 2024 angekommen sind, denn eins steht fest: Nur weil man Atheist ist, ist man noch lange kein besserer Mensch, schaut mich an …

Und wenn es den gläubigen Menschen hilft, irgendeine Kirche, einen Tempel oder eine sonstige heilige Stätte aufzusuchen, sich gen Mekka zu werfen oder einen Ring durch die Nase zu ziehen, dann sollen sie das tun, solange sie den Mindestabstand zu mir einhalten und sich nicht als bessere Menschen wähnen.

Besonders schick ist ja seit Jahren der Buddhismus, das IPhone der Religionen sozusagen, natürlich nur der ach so friedliche, wie er uns mit Vorliebe in Talkshows von Sinnsuchenden  vorgegaukelt wird, und nicht der reale und blutrünstige wie in Burma oder Myanmar.

Nun, ihr lieben Christen, immerhin wird meine Geistes- und Bewegungsfreiheit durch eure, auf mich urkomisch wirkenden Rituale oder Feiertage wie Pfingsten seit Abschaffung der Gottesurteile nicht mehr eingeschränkt. Na ja, kaum jedenfalls … aber soll ich mich über ein mittelalterliches Tanzverbot am Karfreitag wirklich noch empören? Nur um euch zu ärgern, werde ich bestimmt nicht einmal im Jahr extra zum Tanzen gehen.

Übrigens glauben auch Atheisten hin und wieder an etwas. Ich zum Beispiel an Parmesankäse und die heilende Kraft der Rockmusik. Es gibt derart viele irdische Freuden, da komme ich gar nicht dazu, den wunderbaren Himmel auf Erden für irgendwelche Vertröstungen auf ein ebenso furchteinflößendes wie beklopptes Jenseits samt drohendem Fegefeuer und ewiger Verdamnis aufzugeben.

Und habt ihr mal das himmlische Brausen meines knallroten italienischen Kaffeeautomaten gehört? Ich bete ihn sogar an, weil ich mir ein Leben ohne Kaffee nicht vorstellen kann. Andere bevorzugen eben Tee oder langweiliges heißes Wasser. Okay, in diesem Fall bin ich dann, rein sensorisch betrachtet, tatsächlich mal der bessere Mensch, aber wirklich nur dieses eine einzige Mal.

Und nun ein paar tröstliche Gedanken für Menschen, die an keine höheren Wesen glauben. Wenngleich meine Tocher als kleines Kind die Zahnfee sehr zu schätzen wusste, zumal sie von ihr auch nie enttäuscht wurde, sodass deren Existenz sehr viel wahrscheinlicher als die irgendeines Gottes ist. 

Aber was interessieren uns von Menschen erfundene Fabelwesen? Eben gar nicht oder allenfalls als schillernde Figuren in Fantasy-Romanen.

Und was ist mit uns selbst? Als Reaktion auf meine Aussage in einem NOZ-Interview, dass ich die Existenz eines Gottes für einen Hauch wahrscheinlicher halte als die von Bielefeld, denn von Gotteshäusern hätte ich schon mal etwas gehört, aber noch nie von Bielefeldhäusern, erhielt ich folgende Mail von Frau M. aus dem Emsland:

„Was Sie da in der Zeitung von sich geben, mögen Sie ja witzig finden, aber mit Humor hat das wahrhaftig nichts zu tun. Es ist nur noch respektlos und längst kein harmloser Quatsch mehr. Überlegen Sie demnächst lieber besser, was Sie von sich geben! Wo bleibt Ihr Respekt vor der Schöpfung!!!?“

„Liebe Frau M.,

wo bleibt Ihr Respekt vor harmlosem Quatsch und der Wissenschaft oder auch nur vor dem Zufall? Da Sie sogar das Schöpfungsmärchen ins Spiel bringen, fällt meine Antwort etwas komplexer aus. Das haben Sie nun davon.

Als erstes frage ich Sie, frei nach meinem viel zu früh verstorbenen Freund und Kollegen Matthias Beltz, zurück: ‚Woher kommt der Mensch? Wohin geht der Mensch? Und warum ist er nicht dort geblieben?‘ Dazu müssen wir uns allerdings ergänzend die Fragen stellen: ‚Woher kommt die Erde? Wohin geht die Erde? Und was soll der ganze Quatsch?‘

Eine kurze Rückblende also:

Vor 13,78 Milliarden Jahren war der Big Bang, der Urknall also, den übrigens kein Mensch gehört hat, weil es noch gar keinen Raum gab, in dem er sich hätte ausbreiten können. Und wäre er hörbar gewesen, hätten wir ihn dennoch nicht gehört, obwohl es uns schon alle gab, nur noch etwas unglücklich sortiert in der Form von etwa acht Quadrilliarden Atomen, also pro Durschschnittsmensch. Eine 8 mit 27 Nullen. Daraus besteht nun mal der Mensch, manche sind sogar bis heute eine einzige Null geblieben.

Halleluja, Frau M.! Wir sind alle fast 14 Milliarden Jahre alt. Heute können wir dank neuester Teleskope alles, was bis etwa 380.000 Jahre nach dem Big Bang geschah, sehen und bis auf 1-43 Sekunden genau berechnen.

Doch was interessiert uns die Vergangenheit unseres Planeten und seiner Bewohner? Werfen wir lieber einen Blick auf die rosige, also äußerst dornige Zukunft der Menschheit und ihres angestammten Planeten, auf die Erschöpfungsgeschichte also …

In den nächsten 50 Millionen Jahren wird Europa aufgrund der Plattentektonik von Afrika unterwandert, denn der afrikanische Kontinent schiebt sich von unten gegen Europa. Das Mittelmeer ist weg, zu unserer großen Freude und ihrem eigenen Entsetzen sitzen Mallorca-Urlauber*innen auf dem Trockenen, und zwar in Höhe der französischen Alpen. Schwarzafrika, der Schwarzwald und Schwarzbayern wachsen buchstäblich zusammen, ob das der jeweiligen Urbevölkerung nun passt oder nicht. Damit drängen sich für Asylsuchende als Unterkünfte schon heute Berghütten mit Kuckucksuhren geradezu auf.

Die permanenten ‚Bürgerkriege‘ in Syrien und im Irak finden dann übrigens in der Tschechei statt, so dass die derzeit dort noch immer stationierten 20 tschechischen Militärberater automatisch für ein paar Tage wieder zu Hause sind, bevor ihnen einige Millionen Jahre später gemeinsam mit den afghanischen Taliban und den versprengten ISIS-Horden aufgrund mangelnder Bekleidung am Nordkap im zersprengten Restkalifenstaat der Arsch auf Grundeis geht.

Aber solch kurze Zeiträume interessieren nach kosmischen Maßstäben überhaupt nicht, darum gestatten Sie mir einen kleinen Exkurs, Frau M.., um uns nicht in unmaßgeblichen Details zu verlieren.

Sobald im Kern der Sonne die letzten Wasserstoffatome zu Helium verbrannt sind, passiert mit ihr nämlich das, was gerade dank des Kriegs in der Ukraine und des sinnlosen Abschlachtens im Gazastreifen schon heute auf der Erde geschieht: Die ganze Weltordnung gerät aus dem Gleichgewicht. Das war es aber auch schon mit der Analogie, denn unser Stern breitet sich im Gegensatz zur Erde zum Roten Riesen aus.

In zwei Milliarden Jahren wird es auf der Erde so heiß, dass Leute, die an die Wiedergeburt glauben, heftige Probleme bekommen, da sie nicht einmal mehr als Kakerlake, sondern allenfalls noch als Qualle in den nun rasch austrocknenden Meeren eine geringe Überlebenschance haben.

Doch zurück zur bereits explodierten und sich ständig ausdehnenden Sonne: Erst mal werden Merkur und Venus verschluckt, dann sämtliche Sonnenstudios und Glückspielhallen und dann erst die Erde – wir können uns das phantastische Spektakel also in aller Ruhe ansehen, bevor wir selbst an Verbrennungen dritten Grades eingehen …

Die Sonne wird zunächst als Weißer Zwerg enden und als Neutronenstern gerade mal noch 10.000 km Durchmesser haben, also nicht einmal ganz so groß wie die heutige Erde sein.

Und was heißt das nun für Sie als Christin?

Halleluja! Denn die Menschheit rückt mit ihrem angestammten Planeten als Bestandteil dieses Neutronensterns endlich enger zusammen, sehr eng sogar: Ein Katholik hat dann nur noch einen knappen halben Meter von Cloppenburg aus nach unten zu gehen und schon ist er in Rom.

Sobald dann dieser Neutronenstern etwa weitere 20 Milliarden Jahre später vom Schwarzen Loch verschluckt wird, dass sich schon lange nicht mehr in Rom, sondern im Mittelpunkt der Milchstraße befindet, beträgt der Durchmesser der Erde noch – halten Sie sich fest, Frau M. – sage und schreibe 43 Millimeter, 4,3 Zentimeter also.

Kurz: Die gesamte Erde ist dann exakt so groß wie ein Golfball, in dem ansonsten etliche tausend Kilometer großen Schwarzen Loch, in dem sich die kümmerlichen Reste der Milchstraße und anderer Galaxien befinden werden. In 60 bis 70 Milliarden Jahren geht dann übrigens im Universum das Licht endgültig aus und wir stehen erneut vor dem Nichts.

Deswegen gehen Leute wie Sie in die Kirche oder andere in die Moschee oder sonst wohin, um eben antworten auf Nichts zu bekommen, oder besser: auf das Nichts, damit dann irgendein bedauernswertes Wesen den Schalter wieder anknipst und sagt: ‚Es werde Licht.‘

Wenn nun die letzte Stromrechnung bezahlt worden ist, geht der ganze Unsinn, den Sie Schöpfung nennen, eventuell sogar von vorne los. ‚Im Anfang war das Wort, und das Wort war: Entschuldigung, aber der letzte Versuch ging voll daneben, zumal die Stromkosten seit den letzten Preiserhöhungen nicht mehr zu tragen waren!‘

Und was soll das alles, Frau M.?

Warum freut sich der Mensch nicht einfach darüber, dass es ihn überhaupt gibt? Denn die Wahrscheinlichkeit der eigenen Existenz ist absolut unwahrscheinlich, eher gewinnt man in jeder Quadrillionsten Sekunde seines ganzen Lebens den Jackpot im Lotto, also nicht ein einziges Mal, sondern unendlich oft.

Der Urknall musste genau so stattfinden, wie er stattgefunden hat, damit sich daraus irgendwann ein Planet wie die Erde bilden konnte, was an sich schon völlig unwahrscheinlich ist. Aber nicht nur alle Vorgänge im All mussten seit dem Urknall so stattfinden, damit sich der Sternenstaub derart vernünftig sortiert, um irgendwann daraus Leben entstehen zu lassen.

Auch sämtliche Prozesse auf der Erde und im Sonnensystem, jede einzelne Naturkatastrophe, vom schwächsten Asteroideneinschlag bis hin zum gewaltigsten Vulkanausbruch, musste genau so vonstattengehen, bis sich daraus endlich etwas Ähnliches wie Leben und irgendwann menschliche Wesen entwickeln konnten.

Und all die unzähligen Generationen vor uns mussten auf die Sekunde genau so leben und sich entwickeln, damit am Ende unsereins daraus entstehen konnte. Kurz: Es kann uns eigentlich gar nicht geben. Und warum das so ist, wissen wir nicht. Noch nicht.

Deswegen gehen einige Leute in die Kirche und feiern absurde Feiertage wie Pfingsten, wohingegen neugierige Menschen lieber weiter forschen, um irgendwann Antworten auf kaum zu beantwortende Fragen zu erhalten. Und auch wenn wir noch längst nicht alles wissen, so müssen wir schon gar nicht alles glauben.

Und bedenkt man, dass die Menscheitsgeschichte bis zu ihrem Ende hin nicht einmal einen Sekundenbruchteil der Existenz unseres Universums ausmachen wird, sollten wir lieber klitzekleine Springbrötchen backen und uns zum Beispiel an einer ferrariroten Kaffeemaschine, einem guten Buch, einem tollen Song wie „God only knows“ und vor allem an Freund*innen und Familie erfreuen.

Auch wenn das Leben völlig sinnlos sein mag, so kann es doch verdammt viel Spaß machen – in gänzlicher Fülle allerdings erst dann, wenn das alle Menschen von sich behaupten können.

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