Freitag, 3. Mai 2024

Kleine KiTas in Osnabrück verzweifeln an überbordender Bürokratie

Zum 31. Oktober war es wieder so weit: von den Osnabrücker Kindertagesstätten musste die sachgerechte Verwendung der Zuschüsse für die Sprachförderung nachgewiesen werden.

In der Universitätsstadt Osnabrück gibt es zahlreiche sogenannte Elterninitiativen, die sich vor Jahrzehnten aus Mangel an Betreuungsplätzen gegründet haben, in der Regel als gemeinnütziger Verein organisiert sind und von ehrenamtlichen Vorständen und einer pädagogischen Leitung geführt werden.

Aus diesen Reihen ist uns zugetragen worden, dass der bürokratische Aufwand mittlerweile eine sehr hohe Fachkompetenz und sehr viel Zeit erfordert, die gerade berufstätige Eltern nur noch mit Mühe aufbringen können. Es stellen sich immer mehr Vorstände die Frage, ob sie der Verantwortung noch gerecht werden können.

Wir haben nachgefragt bei der neuen Vorsitzenden des Dachverbandes der Elterninitiativen in Osnabrück e. V., Kerstin Falkenstein, die selbst seit über zwanzig Jahren pädagogische Leiterin einer Elterninitiative ist. Sie gab uns folgenden Sachstandsbericht:

Zum 1. August 2018 wurde in Niedersachsen die (früh-)kindliche Sprachbildung im Wesentlichen aus dem Grundschulbereich in den Elementarbereich (Kindertagesstätten) vorgezogen.

Auf der Internetseite „Bildungsportal Niedersachsen“ (https://bildungsportal-niedersachsen.de/fruehkindliche-bildung/bildungsauftrag/bildungsbereiche/sprachbildung-und-sprachfoerderung) heißt es dazu:
Mit der gesetzlichen Verankerung der alltagsintegrierten Sprachbildung und Sprachförderung als Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen ist jede Kita in Niedersachsen verpflichtet, die Sprachentwicklung jedes Kindes zu beobachten, zu dokumentieren und die „Entwicklung der sprachlichen Kompetenz kontinuierlich und in allen Situationen des pädagogischen Alltags (alltagsintegriert) zu unterstützen“.

Und:
Bei den Kindern, die im letzten Jahr vor der Einschulung keinen Kindergarten besuchen, führen die Schulen weiterhin im Rahmen der Schulanmeldung ein Sprachstandsfeststellungsverfahren durch. Die Förderung der Kinder, bei denen die Grundschule im Rahmen der Schulanmeldung einen besonderen Sprachförderbedarf feststellt und die keine Kindertageseinrichtung besuchen, erfolgt auch zukünftig durch Grundschullehrkräfte.

Nach §31 des Niedersächsischen Kindertagesstättengesetzes (NKiTaG) stellt das Land Niedersachsen für diese Bildungsaufgabe den KiTas über die örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe (Städte, Landkreise und Gemeinden) insgesamt 32,5 Mio. Euro jährlich zur Verfügung.

Diese Zuschüsse können wie folgt verwendet werden: Auf Basis eines zwischen dem örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe und allen Trägern von Tageseinrichtungen seines Zuständigkeitsbereiches gemeinsam vereinbarten „Regionalen Sprachförderkonzeptes“ kann über die besondere Finanzhilfe zusätzliches pädagogisches Fachpersonal eingestellt bzw. die Verfügungs- und Leitungszeiten vorhandener Fachkräfte aufgestockt werden. Daneben können die Mittel auch für die Qualifizierung von Kräften in Kindertageseinrichtungen sowie für Fachberatung verwendet werden. Die besondere Finanzhilfe wird auf Antrag des örtlichen Trägers jeweils für ein Kindergartenjahr gewährt, steht aber grundsätzlich dauerhaft zur Verfügung.

Und hier beginnt nun zumindest in der Stadt Osnabrück der bürokratische Aufwand überhand zu nehmen im Hinblick auf den jährlich separat zu erstellenden Verwendungsnachweis und zwar aus folgenden Gründen:

  • Pro Regel-KiTa-Gruppe (25 Kinder) wird pro Kindergartenjahr (August bis Juli) eine feste Summe als Zuschuss in monatlichen Abschlägen an die KiTas ausgezahlt.
  • Zur Verwendung dieser Gelder müssen nun für die Beschäftigten, die die Sprachförderung zusätzlich zu ihrer Regelarbeitszeit in der Gruppe durchführen sollen, zunächst die Arbeitgeberkosten einschließlich Sozialabgaben und Umlagen für Weihnachtsgeld usw. berechnet werden, um einen Monatsstundensatz zu erhalten. Der Jahreszuschuss geteilt durch 12, geteilt durch den Stundensatz ergibt die Wochenstundenzahl, die die Mitarbeiterin / der Mitarbeiter dann für die Sprachförderung aufwenden darf.
  • Steht jedoch eine Tariferhöhung an, oder eine Mitarbeiterin / ein Mitarbeiter bekommt wegen einer langjährigen Beschäftigung eine Erhöhung, muss alles neu berechnet werden. Scheidet jemand aus und es wird jemand neu eingestellt, verändert sich alles wieder.
  • Das alles hat zur Konsequenz, dass einerseits die Stunden, die für die Sprachförderung zur Verfügung stehen, bei einer festen Mitarbeiterin im Laufe der Zeit immer weniger werden, weil sie teurer wird; aber auch, dass eine KiTa mit einem neuen, jungen Mitarbeiter viel mehr Stunden dafür aufwenden kann, als eine KiTa, die einen „altgedienten“ Mitarbeiter dafür beschäftigt. Der Unterschied kann durchaus 5 zu 2,5 Stunden betragen bei gleichem Zuschussbetrag.
  • Für die Abrechnungen müssen dann die jeweiligen Beträge den Stunden zugeordnet werden. Hier kann es passieren (das ist aktuell in einer KiTa tatsächlich so), dass eine Mitarbeiterin von August bis Januar 6 Stunden für die Sprachförderung für zwei Gruppen aufwenden konnte, dann ihren Abschluss als Erzieherin machte (berufsbegleitend), ab da mehr verdiente und nur noch 5 Stunden Sprachförderung geben konnten. Dann kam die Tariferhöhung im Juni, und für Juni und Juli musste ein neuer Abschnitt mit 4,5 Wochenarbeitsstunden im Verwendungsnachweis begonnen werden.
  • Das ist aber noch nicht alles: all diese Veränderungen müssen zusätzlich an die Stadt in der Personalbemessung dargestellt werden, im sogenannten KiTa-Web (Onlineplattform des Landes Niedersachsen) und im abschließenden jährlichen Gesamt-Verwendungsnachweis für die Stadt Osnabrück, in dem noch einmal alle verwendeten Mittel nachgewiesen werden müssen.

Der gleiche Spaß hat mit den Zuschüssen der sog. „Richtlinie Qualität“ zu erfolgen – dies sind die Mittel, die der Bund als „Gute-KiTa-Gesetz“ über das Land, über die örtlichen Träger der Jugendhilfe an die KiTas verteilt.

Und alles zu unterschiedlichen Abgabeterminen: Verwendungsnachweis Stadt OS: 31.03. für das Kalenderjahr, VN Sprachförderung: 31.10. für das KiTa-Jahr von August bis Juli, Richtlinie Qualität war ursprünglich der 28.2.

Auch im Hinblick auf den aktuellen Personalmangel hat diese Art der Stundenverteilung negative Auswirkungen: Ein Anteil des Stundenkontingents kann immer nur befristet vergeben werden (unter Finanzierungsvorbehalt, bzw. so lange die Zuschüsse fließen), so dass ein Mitarbeiter damit rechnen muss, dass er z.B. am 01.08.2025 wieder 5 Stunden abgeben muss, was immerhin bei einem mittleren Einkommen als Erzieher aktuell rund 500 Euro brutto ausmachen würde.

Zusätzlich wird die Arbeit für Leitungskräfte und Vorstände in den vergangenen Jahren immer mehr durch zusätzliche Dokumentations- und Nachweispflichten erschwert und hat zur Folge, dass alle Verantwortlichen permanent das Gefühl haben „etwas vergessen zu haben“.

Wir von der Osnabrücker Rundschau lassen diese Ausführungen ohne weiteren Kommentar so stehen, denn das Procedere spricht eigentlich für sich und sollte jeden Politiker, jede Politikerin aufschrecken. Wir hoffen, dass wir mit diesem Artikel dazu beitragen können, dass die Vielfalt der Kindertagesstättenlandschaft in Osnabrück erhalten bleibt und nicht in Bürokratie erstickt.

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