Keine AfD im OFLAG VI C

Protest gegen den AfD-Parteitag in Osnabrück auf historischem Gelände

In einem Bürgerforum wurde von einem Historiker vor einiger Zeit angeregt, die neuen Bewohner des Landwehrviertels über die besondere Geschichte dieses Quartiers zu informieren. Jetzt, wo sich erneut eine rechte Partei auf dem Gelände eines ehemaligen Kriegsgefangenenlagers aus dem Zweiten Weltkrieg trifft, ist dafür wohl der richtige Zeitpunkt.

Anfang Februar protestierten 100 Personen gegen den Kreisparteitag der rechten Schreier. Lange war die Antifa mit den Omas gegen Rechts allein auf weiter Flur, wenn es darum ging, den Rechten die Räume zu nehmen. Doch langsam wacht das Land auf und immer mehr Menschen merken, dass es an der Zeit ist, die Demokratie zu verteidigen. Morgen ruft der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) dazu auf, zusammen mit antifaschistisch gesinnteb Aktivisten, Anwohnern aus dem Landwehrviertel und den Nachbarn aus Atter zu protestieren. Der Ort des Treffens sollte besonders zur Teilnahme animieren.

Wenn sich morgen eine Partei in der Turnhalle der ehemaligen Landwehrkaserne in Osnabrück trifft, deren Mitglieder  wie Mirko Welsch die „Abschiebung der Antifa nach Buchenwald“ fordern, tut sie das auf historischen Boden. Man sollte es als Warnung aus der Vergangenheit verstehen, wenn sich eine Partei, deren Mitglieder an dem Treffen in Potsdam teilnahmen, bei dem über die Vertreibung von Millionen Deutscher aus diesem toleranten Land phantasiert wurde, auf einem Gelände trifft, auf dem nach Kriegsende sogenannte Displaced Persons untergebracht wurden, Menschen, die durch den von Deutschland ausgehenden Krieg keine Heimat mehr hatten. Das Gelände kann aber auch auf ein engagiertes antifaschistisches Engagement während der NS-Zeit zurückblicken.

Im Stadtteil Eversburg befand sich auf einem 38 Hektar großen Gelände ein Kriegsgefangenenlager, zunächst für französische Kriegsgefangene. Nach dem Balkanfeldzug 1941 wurde es als Kriegsgefangenenlager für 3.247 königstreue Offiziere aus dem Köngreich Jugoslawien, überwiegend Serben und Montenegriner, genutzt. Bis 1943 wurde das Lager um weitere 22 Baracken vergrößert, die Zahl der Gefangenen stieg auf nahezu 6.000 an, darunter etwa 400 Juden, die im Mai 1942 von Nürnberg nach Osnabrück verlegt wurden und hier wie durch ein Wunder überlebten, weil sie unter dem Schutz der Genfer Konvention standen, während sämtliche Juden in der Deutschland deportiert und ermordet wurden.

Vor Antisemitismus waren sie allerdings auch im Lager nicht sicher. Ab Mitte Juni 1943 wurden sie vom Lagerleiter, Major Blümel, einen besonderen Teil des Lagers, das Lager D, verlegt, wo sie vonden übrigen Gefangenen separiert und die Bedingungen viel ungünstiger waren. Es umfasste vier Baracken mit den Nummern 35, 36, 37 und 38. Das Zimmer Nummer 7 in der von jüdischen Offizieren bewohnen Baracke 37 war ein Zentrum der illegalen Arbeit des kommunistischen Widerstands. Dort hielt ein Komitee tägliche Sitzungen ab.

Die Gruppe in Zimmer 7 gab eine tägliche Zeitung namens „7“ heraus, seit dem Frühling 1937 als Fachblatt der antifaschistischen Front. Jeden Morgen ging jemand durch das Lager und verbreitete die neuesten Radionachrichten – auch im Hauptlager C, zum Beispiel beim Abholen der Wäsche oder wenn die Kessel mit Essen aus der Küche geholt wurden. Die Gruppe der Antifaschisten im Lager bemühte sich, die Grenzen des OFLAG VI C zu überwinden und die antifaschistische Idee in anderen Kriegsgefangenenlagern zu verbreiten. Sie bastelten sich ein Radio und besaßen sogar Waffen, um sich bei einem Aufstand gegen Hitler zu beteiligen.

Das Komitee schmuggelte Nachrichten aus dem Lager, indem in Miniaturschrift auf feinem Zigarettenpapier in mikroskopisch kleinen Buchstaben Botschaften geschrieben wurden, die im Umschlag eines Buches versteckt werden konnten. Der Offizier Zenja Kozinski war einer der „Meister des kleinen Schreibens“, der viele der Botschaften auf Zigarettenpapier verfasste. Diese und andere Methoden des Widerstands sind noch bis zum 10. März in der Ausstellung Parolen aus dem Koffer in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen.

Die Widerstandsbewegung in der Baracke 37 versuchte, Kontakt mit sowjetischen Gefangenen und anderen internierten Sowjetbürgern aufzunehmen, die in Osnabrück und Umgebung lebten und arbeiteten, um festzustellen, ob und welche Art von Organisation unter den Sowjets existierte und sich über die Situation in ihren Lagern zu informieren. Zenja Kozinsiki, ein Offizier der königlich-jugoslawischen Armee war, der in Kiew geboren und mit seinen Eltern nach Jugoslawien emigriert war und Russich sprach, versuchte, diesen Kontakt herzustellen, wurde verraten und von der Gestapo verhaftet. Er nahm sich in der Gestapohaft das Leben, um die anderen Mitglieder der Widerstandsbewegung nicht zu verraten. Seine Geschichte ist eine von den 36 Biograrien mutiger Menschen, die in Osnabrück Widersand gegen das NS-Regime leisteten. Sie ist nachzulesen in dem Buch, dass der ILEX-Kreis veröffentlicht hat.

Das OLAG VI C war ein Ort der Verfolgung, aber auch des Widerstands. Hoffentich morgen früh wieder!


Am Samstag, 2. März um 15 Uhr findet in der Gedenkstätte Augustaschacht eine Lesung und Gespräch mit dem ILEX-Kreis statt. Der Eintritt ist frei.

 

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