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Donnerstag, 13. März 2025
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Osnabrück zeigt sich wetterfest gegen Rechts

Die AfD ist nicht sichtbar:
Osnabrück zeigt sich wetterfest gegen Rechts

Es war ein Tag, der typisch ist für die Hasestadt: Das Wetter zeigte sich von  seiner schlechtesten Seite und die OsnabrückerInnen, die sich davon nicht abschrecken ließen, dennoch von ihrer besten: bunt und solidarisch.

Laut Polizeibericht trotzten gestern 1.300 DemonstrantInnen dem heftigen Regen, um der AfD zu zeigen, dass sie in Osnabrück nicht erwünscht ist – und das, obwohl der Deutsche Gewerkschaftsbund als Anmelder der Demo dankend auf die Werbung der immer weiter nach rechts driftenden Neuen Osnabrücker Zeitung verzichtet hatte. Die NOZ behauptete, die Gegendemonstration sei nur „dank der Polizei“ friedlich“ geblieben. Die hatte aber überhaupt nichts zu tun, da die Demonstration auch ohne ihr Eingreifen friedlich verlief und die Ordner immer wieder mit Nachdruck dafür sorgten, dass die Verkehrswege freigehalten wurden. Auch die von der NOZ wie üblich behauptete massenhafte „Vermummung“ war nur vereinzelt in der vordersten Reihe zu sehen, wo DemonstrantInnen der mit Kameras bewaffneten AfD direkt gegenüberstanden.

Die Polizei musste nicht viel Personal aufbieten, um den blauen Stand der Rechten zu schützen, während die Menge skandierte: „Es gibt kein Recht auf rechte Propaganda!“ Das demokratische Osnabrück hielt freiwillig Abstand zu den Rechten mit den empfindlichen Fingern, bei denen im letzten Jahr ein Griff nach Flyern zu einem „Angriff“ mit Körperverletzung aufgebauscht und vor Gericht verhandelt wurde.

Die antifaschistische Mitmach-Kampagne „Den Rechten die Räume nehmen“ hatte dazu aufgerufen, „den Rechten den Wahlkampf zu vermiesen“ und gegen ihren Infostand vor dem Theater zu protestieren. Welcher Infostand? fragten sich wohl manche OsnabrückerInnen, die dem Aufruf folgten und zum Theater kamen, denn der Stand der AfD war hinter der riesengroßen Menge der GegendemonstrantInnen überhaupt nicht zu sehen.

Die AfD blieb ebenso unsichtbar wie ihr Ratsmitglied. Speziell bei Russlanddeutschen empfinden es viele als seltsam, dass diese sich einer Partei anschließen, die unverdrossen gegen Menschen mit Migrationshintergrund hetzt. Es fällt schwer zu verstehen, warum Menschen, die einer Diktatur entkommen sind, anschließend versuchen, in dem Land, das sie aufgenommen hat, die Demokratie zu unterwandern, um die nächste Diktatur zu errichten.

Zu sehen waren die „Blaunen“ nur für die vielen jungen AktivistInnen und die „Omas gegen Rechts“ in der vordersten Reihe, wo die Frauen wie immer ebenfalls zahlreich vertreten waren. Obwohl sie sich aufgrund des Nachwuchsmangels in Osnabrück extra noch Unterstützung von der „Jungen Alternative“ aus Hannover herangeholt hatte, zählte man an dem blauen Stand der AfD gerade mal 10 bis 20 Personen. Von den 3.888 OsnabrückerInnen, die 2O21 die AfD in den Stadtrat gewählt haben, war niemand zu sehen. Entweder waren das inzwischen bekehrte Protestwähler, oder die Anhänger der AfD trauen sich in Osnabrück nicht, offen zu ihrer politischen Meinung zu stehen.

Schön zu sehen, dass selbst die Unterstützung des reichsten Mannes der Welt, Elon Musk, zumindest in Osnabrück diesem elenden Häufchen nichts gebracht hat. Der hatte für die Hasestadt keine Zeit – er unterstützte gerade seine neue Freundin Alice Weidel in Halle/Saale. Musk, der den Nationalsozialismus nicht verstanden hat und darüber Witze macht, rief die Deutschen ausgerechnet zum Holocaust-Gedenktag dazu auf, sich nicht mehr mit „vergangener Schuld“ zu beschäftigen und die Erinnerung an den millionenfachen Mord hinter sich zu lassen. Stattdessen sollten sie „stolz darauf sein, Deutsche zu sein“. Der Milliardär, der meint, wer lesbisch lebt, könne kein Nazi sein, sollte seine Klappe zu etwas halten, wovon er keine Ahnung hat. Er hat anscheinend noch nie von der SA und ihrem schwulen Anführer Ernst Röhm gehört. Wenn er weiter so bei Alice Anschluss und Anerkennung sucht wie bei Trump, verkündet der Südafrikaner auf der nächsten AfD-Veranstaltung wahrscheinlich Parolen aus den braunen Zeiten wie „Deutschland den Deutschen!“Osnabrück zeigte sich dagegen bunt und solidarisch. Beifall brandete auf, als aus dem Fenstern des Theaters direkt über dem AfD-Stand ein großes Banner aufgehängt wurde, auf dem den Hetzern darunter erklärt wurde: „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ Auch das Ensemble des Theaters machte das kostümiert und tanzend und mit einem Banner mit dem Text „Gemeinsam transkulturell“ deutlich.

„Wir haben Platz für Geflüchtete“, stand auf dem Transparent der „Seebrücke“. Und vor dem Diözesanmuseum verkündete Generalvikar Ulrich Beckwermert, ein hoher Würdenträger der katholischen Kirche, gemeinsam mit Mitgliedern der Kolpingfamilie, die auf allen Demos gegen Rechts in Osnabrück vertreten sind: „Unser Kreuz hat keine Haken!“
Foto: OR/M. S.Foto: OR/M. S.

Eine Botschaft, die sich auch an die AfD richtet, bei denen etliche Mitglieder offensichtlich kein Problem damit haben, zugleich Christen und Faschisten zu sein. Ihr Stadtratsmitglied gehört zur fundamentalistischen Freikirche der „Lebensquelle“, die sich allerdings mittlerweile teilweise von der AfD  distanziert, auch wenn sich „bestimmte Ansichten der AfD“ mit ihrem Verständnis decken würden. Dazu gehört das „traditionelle Familienbild“, nach dem Frauen zu machen haben, was ihr Mann ihnen sagt.

Auf der Gegenseite zahlreich vertreten war die Kampagne „Solidarisch Wählen“ „für eine demokratische, solidarische Gesellschaft, nicht das Recht der Stärkeren“, die aus Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Umweltinitiativen und anderen Gruppen besteht. Anwesend wie immer auch VfL-Fans, für die es erst zur Demo, dann zum Fußballgucken im Jäger oder sonstwo ging. Und ein Vater, der seinem vierjährigen Kind auf den Schultern erklärte, was Demokratie ist und wie sie funktioniert: „In dem blauen Zelt sind Menschen, die andere Menschen ablehnen, die nicht so genauso sind wie wir. Und weil wir das nicht gut finden, sind wir hier.“


Der Refrain lautet „Arschloch“ – Rudelsingen gegen Rechts

Trotz des Dauerregens machte die Demonstration Spaß, denn ab 10.30 Uhr veranstaltete der Chor der neuen Event-Location „Die Botschaft“ an der Frankenstraße,  „Die singende Botschaft“, eine „spontane Chorprobe“. Bei einer Art Rudelsingen gegen Rechts wurde alle zehn Minuten der „Schrei nach Liebe“ gesungen. „Der Refrain ist ‚Arschloch!“, lautete die Anleitung der „Omas gegen Rechts“ für diejenigen, die den Text nicht kennen. „Man kann (und sollte!) den Refrain voller Inbrunst LAUT rausschreien.“ Das taten dann nicht nur die Omas. Es machte sichtlich riesigen Spaß, mit hunderten von Gleichgesinnten der AfD „Arschloch“ ins Gesicht zu brüllen. Und es war niemand da, der dem sich daran anschließenden, von der großen Demo gegen Rechts im Januar vor einem Jahr bekannten Sprechchor widersprach: „Ganz Osnabrück hasst die AfD!“

Foto: OR/M. S.Foto: OR/M. S.

Der Osnabrücker Gerhard Torges, der sich in der Stadt als erster den Demonstrationen der QuerdenkerInnen entgegenstellte, hat übrigens das nach den rassistischen Ausschreitungen von Hoyerswerda entstandene Lied der „Ärzte“ aus dem Jahr 1993 durch die „Aktion Arschloch“ 2015 innerhalb von 13 Tagen durch Aufrufe in den sozialen Medien auf Platz 1 der Charts katapultiert, als während der Syrienkrise bundesweit wieder Flüchtlingsheime angegriffen wurden. Darüber berichtete seinerzeit sogar die „Washington Post“.

Gegen 13 Uhr packte die isolierte AfD Flyer, Fotoapparate und den Stand zusammen und verschwand zur Freude der DemonstrantInnen ebenso wie der Regen. Das demokratische Osnabrück ging nass aber gut gelaunt zum Aufwärmen in die umliegenden Cafés oder nach Hause. Auch wenn die Angst vor dem Ausgang der Bundestagswahl nicht nur wegen der großen Fanbase der AfD im Osten, sondern auch wegen der fortschreitenden Anbiederung der CDU an die Rechten bleibt: Die „Friedensstadt“ Osnabrück hat sich am Samstag mal wieder von ihrer besten bunten Seite gezeigt. Wie auf vielen Schildern zu lesen war, hat Osnabrück immer noch „keinen Bock auf Nazis“.

Dennoch: Der Kampf gegen die Zerstörung der Demokratie ist erst am Anfang. Es gilt neben den öffentlichen auch die geistigen Räume zu besetzen und ebenso vehement zu verteidigen und die Anhänger von Verschwörungstheorien aus ihren Bubbles zu zerren, bevor sie in der Regierung sitzen wie in den USA. Dazu gehören auch potentielle CDU-Wähler, denen klar werden muss, dass sie eine Regierung mit AfD-Beteiligung an die Macht bringen, wenn sie den Millionär Friedrich Merz wählen, der mit populistischen Aussagen zu MigrantInnen ebenso Wahlkampfhilfe für die AfD leistet wie Elon Musk, statt sie politisch zu isolieren. Die Kampagne „Solidarisch Wählen“ setzt sich übrigens für eine höhere Besteuerung der Reichsten ein, die manche von ihnen selber fordern. Der Mann mit dem Hitlergruß gehört nicht dazu.

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