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Freitag, 13. Juni 2025
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Remarque-Friedenspreis 2025: Der Mensch ist gut – trotz allem

Menschenrechte und Verständigung bleiben zentrale Kriterien

Die Friedensstadt Osnabrück ehrte am Donnerstag, dem 5. Juni zwei bedeutende Akteure im Kampf für Menschenrechte und Verständigung. Der renommierte Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis geht an den britisch-französischen Juristen und Schriftsteller Philippe Sands. Mit dem Sonderpreis wurden Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann für ihr Projekt „Trialoge“ ausgezeichnet, das den Dialog zwischen jungen Israelis und Deutschen fördert. Die Verleihung unterstrich die anhaltende Bedeutung von Remarques Vermächtnis in turbulenten Zeiten.


Ein Hauptpreis für die Aufarbeitung von Krieg und Völkermord

Philippe Sands erhielt den mit 25.000 Euro dotierten Hauptpreis für sein unermüdliches Engagement im Bereich der Menschenrechte und seine eindringlichen literarischen sowie juristischen Arbeiten. Sands, bekannt für sein tiefgreifendes Eintauchen in die Mechanismen von Krieg, Verfolgung und Völkermord, hat sich mit Werken wie „Rückkehr nach Lemberg“ (im Original „East West Street“) international einen Namen gemacht. Dieses Buch zeichnet nicht nur die Lebenswege zweier Juristen nach, die maßgeblich die Konzepte von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Völkermord“ prägten, sondern verknüpft diese auch mit Sands‘ eigener Familiengeschichte, die tief in der vom Krieg gezeichneten Stadt Lemberg verwurzelt ist.

Der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis wird alle zwei Jahre von der Stadt Osnabrück, der Geburtsstadt des weltbekannten Schriftstellers, verliehen. Er würdigt Persönlichkeiten, deren literarische, journalistische oder wissenschaftliche Werke sich kritisch mit den Fragen des inneren und äußeren Friedens auseinandersetzen oder die sich durch beispielhaftes Engagement für Frieden, Menschlichkeit und Freiheit hervorgetan haben. Sands‘ Arbeit, so die Jury, sei ein eindringlicher Appell, die Vergangenheit nicht zu vergessen und die universellen Prinzipien der Menschenrechte zu verteidigen.

 

Ein Blick hinter die Kulissen: Jurymitglied Dr. Sven Jürgensen im Interview

Welche Botschaft/ welches Signal sollte aus Sicht der Jury vom diesjährigen Friedenspreis ausgehen?

Das ist aus der Überzeugung heraus, dass wir ohne internationale Rechtsprechung nicht aus den Problemen und Konflikten herauskommen. Wenn es darum geht, unsere Freiheit zu verteidigen, dann können sie diese nur auf Basis des Rechts verteidigen. Nur auf der Basis von Rechtsbeziehungen der Völker untereinander. Wir sehen aktuell in Europa und im Nahen Osten, was passiert, wenn nicht genügend Menschen dafür eintreten. Die Preisverleihung ist somit verbunden mit dem Appell, die Rechtsinstitutionen zu stärken, weil sie nur unsere Freiheit garantiert.

Hat es einen Einfluss auf den Friedenspreis/ die Auswahl der Preisträger, dass das Thema Krieg und Frieden aktuell auch in Europa wieder eine größere Aufmerksamkeit hat?

SJ: Wir wissen, dass durch den Friedenspreis kein Krieg beendet werden kann. In diesen aufgewühlten Zeiten ist es wichtig, daran zu erinnern, und auf Menschen zu verweisen, die besonnen sind und mit der Kraft ihrer Kompetenz in die Gegenwart hineinwirken können.

Die Bücher von Philippe Sands erscheinen mit dem Fischer Verlag in einem der renommiertesten Buchverlage Deutschlands, die ein breites Publikum haben, die zugleich gut recherchiert und präsentiert sind, dass man sich ein noch größeres Publikum wünschen kann. Sands ist ein Stellvertreter für diese Rechtsposition, die er in seinen Büchern und auch als Jurist vertritt.

Wie war die Vielfalt der Bewerbungen in diesem Jahr, mit denen sich die Jury beschäftigt hat?

Das war ein längerer Diskussionsprozess von Vertretern, die zu 50 Prozent aus städtischen und zu 50 Prozent aus Fachvertretern zusammengesetzt sind. Die kommen dann mit ihren Ideen und Vorschlägen, die unterschiedliche Charakter haben können. Der Friedenspreis ist kein reiner Schriftstellerischer oder Literaturpreis, da er den Namen von Erich-Maria-Remarque im Titel trägt. Der Preis soll Menschen würdigen, die sich allgemein für den inneren und äußeren Frieden einsetzen. Bei der Diskussion spielen aktuelle Ereignisse eine große Rolle. Einerseits darf es nicht tagespolitisch sein, andererseits muss es auch eine Relevanz haben, damit man das Publikum überzeugen kann, dass dieser der richtige Vertreter ist.

So sind diese Gespräche immer sehr frei, wo aus unterschiedlichen Horizonten, Lebensläufen und Interessen der Jurymitglieder dieser Diskussionsprozess durchgeführt wird. Diesmal war dieser Entscheidungsprozess erstaunlich schnell und kompakt, welcher sich dann auf diesen Preisträger fokussiert hat.

In diesem Jahr hat sich die Jury besonders schnell auf diesen Preisträger verständigen können. Können Sie sich noch an Jahre erinnern, wo die Entscheidung langwieriger war?

Ja, das lag dann nicht an den Jurymitgliedern, dass vor zehn oder zwanzig Jahren viel hitziger diskutiert worden ist. Auch mit unendlich langen Diskussionsphasen, wo letztendlich der den Sieg davongetragen hat, der nicht eingeschlafen war, würde ich überspitzt sagen. In diesem Jahr war es sehr kompakt gewesen. So konnten wir uns nach ungefähr zwei Stunden ein Ergebnis einigen, dass alle mittragen konnten, da die Einstimmigkeit sehr wichtig ist. Einige Mitglieder waren online dazugeschaltet

Nun muss der Sonderpreis des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises nicht vergeben werden. Was verbindet die beiden Preisträger in diesem Jahr miteinander?

In der Tat muss der Preis nicht vergeben werden. Es ist eine sehr schöne Ergänzung insofern, als beide Preisträger eine besondere Konfliktsituation aufnehmen, die nicht nur im Nahen Osten spielt. Dort wird sie im Krieg ausgetragen und weiß kein Ende. In Deutschland wird dieser Konflikt aber auch ausgetragen, sowohl an den Schulen, wo Juden, Palästinenser, Israelis und Araber in einer Klasse sitzen und irgendwie nicht miteinander zurechtkommen.

Und hier öffnen Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann mit ihrem Trialogen ein Gesprächsformat, das Unmögliches möglich macht, dass Menschen, insbesondere junge Menschen ins Gespräch kommen, die eigentlich das Gegenteil wollen. Und sie ins Gespräch zu bringen, ist aller Ehren wert.

Oberbürgermeisterin Katharina Pötter mit den Preisträger*innen und Uni-Präsidentin Menzel-Riedel. Foto: Grötemeyer/OR
Von rechts nach links: Oberbürgermeisterin Katharina Pötter mit den Preisträger*innen Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann sowie Uni-Präsidentin Susanne Menzel-Riedl. Foto: Grötemeyer/OR


Sonderpreis für eine Brücke zwischen Generationen

Der Sonderpreis ging an „Trialoge“, ein Projekt von Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann, das einen entscheidenden Beitrag zur Verständigung in der heutigen Zeit leistet. „Trialoge“ schafft einen einzigartigen Rahmen für den Dialog zwischen jungen Israelis und Deutschen, die sich mit ihren Familiengeschichten im Kontext des Holocaust auseinandersetzen. In persönlichen Begegnungen und Gesprächen werden nicht nur historische Erinnerungen geteilt und verarbeitet, sondern auch Empathie aufgebaut und Brücken für eine gemeinsame Zukunft geschaffen.

Die Jury betonte, dass „Trialoge“ durch seinen Fokus auf den persönlichen Austausch und das gemeinsame Erarbeiten von Verständnis einen wichtigen Weg zur Überwindung von Vorurteilen und zur Förderung von Toleranz aufzeigt. Das Projekt verdeutlicht, wie die ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht nur zur Heilung von Wunden beitragen, sondern auch eine positive Gestaltung der Zukunft ermöglichen kann – gerade in einer Welt, die von Differenzen und Missverständnissen geprägt ist.


Ein Vermächtnis des Friedens für die Zukunft

Die Auszeichnungen an Philippe Sands und „Trialoge“ senden ein starkes Signal aus Osnabrück in die Welt. Sie erinnern daran, dass Remarques Botschaft – die unbedingte Notwendigkeit von Frieden und Menschlichkeit – auch heute noch von größter Relevanz ist. Während Sands‘ Arbeit uns mahnt, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die Verantwortlichkeit für Gräueltaten einzufordern, zeigt „Trialoge“ den hoffnungsvollen Weg des direkten Dialogs und des gegenseitigen Verständnisses. In Zeiten globaler Konflikte und zunehmender Spaltungen betont der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis einmal mehr, dass Frieden eine ständige Aufgabe ist, die durch Engagement, Erinnerung und den Mut zum Dialog immer wieder neu errungen werden muss.

 

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