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Samstag, 12. Juli 2025
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Was wird aus der Baracke 35?

Hat der Ort der Erinnerung und des Friedens eine Zukunft? OR interviewte Lilli Penno und Iljana Miloradovič

Im Rahmen des diesjährigen Spieltriebe-Festivals war der Balkan die Partnerregion des Theaters Osnabrück und die Baracke 35, einer von vier Spielorten. Hier erhielt das Publikum nach der Aufführung, die in verschiedenen Szenen das Leben der Inhaftierten im Lager während des Zweiten Weltkrieges zeigte, von den Schauspielenden Zettel, auf denen über eine mögliche Zukunft der Baracke abgestimmt werden konnte.

Zwei Fragen wurden den Besuchenden gestellt:

  1. Sollte man sie als Ort der Erinnerungskultur erhalten?
  2. Sollte die Gedenkstätte sogar weiter zu einem Bildungsort für zukünftige Generationen ausgebaut werden und hierfür finanziell von der Stadt Osnabrück unterstützt werden oder sollte man sie einfach abreißen, um zusätzliches Baugebiet zu gewinnen?

Die Baracke 35, ein 2009 vom Niedersächsischen Ministerium für Kultur und Wissenschaft als Einzeldenkmal ausgewiesener Ort, ist eine Begegnungsstätte mit einer tiefgreifenden Geschichte: Einst Teil eines Kriegsgefangenenlagers und später Notunterkunft für Displaced Persons, steht sie heute als Symbol für Frieden und Versöhnung.

Seit 2010 hat der Verein „Antikriegsbaracke Atter-Osnabrück e.V.“ die Hälfte des denkmalgeschützten Gebäudes von der Stadt Osnabrück gepachtet; die andere Hälfte wird bislang nicht genutzt. Der Gesamtzustand der Baracke ist allerdings alarmierend, denn sie verfällt immer mehr.

Vor diesem Hintergrund und warum es für den Verein so schwierig ist, die Baracke selbst vor dem Verfall zu schützen, sprachen wir mit Frau Miloradovič und Frau Penno, den beiden Vorsitzenden des Vereins, über die aktuelle Situation und die Zukunft der Baracke 35.


Frau Miloradovič, Frau Penno, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch für unsere OR nehmen. Die Baracke 35 hat eine lange und bewegte Geschichte und ist heute ein ausgewiesenes Denkmal. Im Mai/Juni wurden Abstimmzettel an das Publikum der Spieltriebe verteilt, auf denen es um die Zukunft der Baracke geht. Wie sehen Sie die aktuelle Lage?

Lilli Penno: Gerne. Kultur spielt selten eine Hauptrolle. Es waren schon mehrere Vertreter verschiedener Parteien aus dem Rat vor Ort, die alle sagten, dass alles toll wäre. Wir befürchten, dass diese Einstellung sich im Rat ändern könnte, sobald es um Fördermittel geht. Wenn man etwas bewirken möchte, ist es mit ehrenamtlicher Arbeit kaum zu bewerkstelligen. Man müsste mindestens eine feste Stelle schaffen.

Iljana Miloradovič: Es wäre natürlich toll, wenn die Stadt einen Minijob als Kurator/in vergeben würde, denn wir machen das, wie gesagt, rein ehrenamtlich und können nicht auch noch unser privates Geld investieren. Allein für die Fahrtkosten kommt schon einiges zusammen.


Wie viele Mitglieder haben Sie aktuell im Verein?

Iljana Miloradovič: Es sind aktuell ca 20 Mitglieder, von denen allerdings nur ungefähr 5-6 wirklich hier vor Ort aktiv sind. Das liegt hauptsächlich daran, dass die meisten nicht in Osnabrück wohnen. Einige sind deshalb Mitglieder, weil sie selbst Angehörige hatten, die hier im Lager waren. Diese haben sich dann natürlich später auch in andere Städte verteilt.

Lilli Penno: Wir bräuchten junge Leute, die für das Thema brennen. Wir werden nochmal mit der Uni Osnabrück in Kontakt treten, damit hier geforscht werden kann.


Woran liegt es, dass sich so wenig junge Leute engagieren?

Iljana Miloradovič: Es ist kein lustiges Thema und wie viele junge Leute interessieren sich schon für Geschichte?

Lilli Penno: So schlimm sehe ich das nicht. Es gibt viel ernstere Beispiele wie den Augustaschacht. Im Vergleich ging es den Kriegsgefangenen hier vor Ort relativ gut. Es wurde hier nicht dezidiert gefoltert. Es kamen hier zwar auch Menschen zu Tode, aber durch andere Umstände. Wenn eine Bombe in eine Baracke gefallen ist, waren auch viele Opfer zu beklagen. Der Gestapokeller oder der Augustaschacht sind da eigene Kategorien.


Bestehen aktuell Pläne für eine Kooperation mit anderen Gedenkstätten?

Lilli Penno: Absolut. Ich sprach darüber bereits mit Iljanas Vater. Ich glaube, dass er damals schon zu krank war, um dies zu realisieren. Seinerzeit war ich im Beirat ohne Funktion. Allein hätte ich das nicht gemacht, aber wir sollten das jetzt angehen.

Iljana Miloradovič:
Bei den eigegangenen Umfragezetteln kam mehrfach die Anmerkung, dass unser Verein eine Einheit mit dem Augustaschacht bilden sollte.

Lilli Penno:
Das bietet sich schon an. Es gibt noch viele Dinge, die wir in Gang setzen möchten.

Iljana Miloradovič:
Ich bin schon froh, dass wir mit mehreren Schulen kooperieren. Gerade hatten wir z.B. ein sehr kreatives Gestaltungsprojekt mit Schülern des BSZW und in naher Zukunft steht etwas Größeres mit der IGS Eversburg an, bei dem der Verein „Spurensuche Osnabrück E. V.“ involviert ist, der uns dafür ins Boot geholt hat. Es ist schön, wenn sich kleinere Vereine zusammentun und unter die Arme greifen.

Lilli Penno:
Und ich habe mit zwei Pastoren gesprochen, die im Sommer ein Pop-up-Café mit Live-Musik vor der Baracke machen.


Was würden Sie machen, wenn Sie ausreichend Mittel zur Verfügung hätten, und wo sind derzeit die größten Baustellen?

Iljana Miloradovič: Das Holz außen ist ziemlich morsch und bröckelt. Eine Besucherin des Theaterstücks schlug vor, dass man eine Art Glashaus über die komplette Baracke bauen könnte. Das wäre wohl relativ kostengünstig, doch ist es damit nicht getan, denn wie mir seitens der Stadt mitgeteilt wurde, ist eins der größten Probleme, dass die Feuchtigkeit von unten in die Baracke zieht. Da nützt es leider auch nicht, etwas drüber zu bauen. Dazu kommt, dass auf der Südseite Wurzeln von Brombeerbüschen so langsam das Fundament hochdrücken.


Fühlen Sie sich von der Verwaltung der Stadt Osnabrück zu wenig gehört?

Iljana Miloradovič: Es gibt schon ein paar Dinge, die ich immer wieder angesprochen habe, beispielsweise dass seit über einem Jahr die Fensterscheiben kaputt sind. Fotos davon wurden mehrfach an die Stadt gesendet und auch Mitarbeiter der Stadt selbst haben Fotos davon gemacht, aber passiert ist nichts.

Das ist sehr schade, weil es zum einen zeigt, dass die Baracke auf der To-do-Liste der Stadt ganz weit unten steht und ich mir zum anderen vorstellen kann, dass es gerade für Jugendliche, die keine Ahnung haben, um was für ein Gebäude es sich handelt, wie ein Lost Place aussieht und es nur eine Frage der Zeit ist, bis jemand vandaliert.

Lilli Penno:
Die Situation im Rat stellt sich auch sehr schwierig dar. Obwohl wir auch Befürworter haben, ist der ganze Behördenapparat ziemlich schwerfällig.


Wie viel Geld müsste hier investiert werden und welche Projekte würden Sie damit umsetzen?

Iljana Miloradovič: Eine Sanierung, die den Denkmalschutz berücksichtigt, würde wohl etwa eine Million Euro kosten. Da hat die Stadt bereits klar gesagt, dass dafür kein Geld da ist und bei Förderungen, vor allem Schulen Vorrang haben. Wenn man allerdings bedenkt, dass dieser Ort auch eine Art geschichtliche Bildungsstätte ist, die von Schülern und Studenten besucht werden soll, ist es meiner Meinung nach gar nicht so abwegig hier rein zu investieren, zumal die Stadt Osnabrück damit wirbt, dass sie „Friedensstadt“ ist, und die Baracke 35 ist zweifelsfrei eines ihrer bedeutendsten Friedensdenkmäler.

Lilli Penno:
Wichtig ist auch, dass eine bezahlte Kuratorenstelle geschaffen wird.


Wie sehen Sie in die Zukunft , wie sehen Sie die Zukunft der Baracke 35 und wie gehen Sie in die Gespräche mit der Stadt?

Iljana Miloradovič: Von vielen Besuchern bekam ich die Rückmeldung, dass die Baracke unbedingt als Gedenkstätte erhalten bleiben muss, während bei Gesprächen mit Mitarbeitern von Stadt und Baubüro oft der Eindruck entsteht, dass sie diese am liebsten abreißen würden, um neuen Wohnraum zu schaffen, weil es viel lukrativer wäre. Das ist teilweise wirklich frustrierend, zumal wir diese Aufgabe ja nicht aus Spaß machen, sondern vor allem aus Respekt denjenigen gegenüber, die dort ihr Leben lassen mussten und weil es in der heutigen Zeit wichtiger denn je ist, an das Vergangene zu erinnern, um es jetzt besser zu machen. Eine Schülerin des BSZW hat uns eine tolles Zitat zur Baracke geschrieben: „Ein Ort des Erinnerns ist nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern ein Auftrag für die Zukunft!“

Lilli Penno:
Im Moment würde ich es noch positiv sehen. Wir sind gerade am Anfang und haben gute Ideen. Ich bleibe optimistisch und blicke positiv in die Zukunft.


Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch genommen haben.

Die Zukunft der Baracke 35 als Gedenkstätte ist ein wichtiges Anliegen für viele Menschen in Osnabrück. Das Interview mit Frau Miloradovic und Frau Penno zeigt, dass es viele Ideen und Projekte gibt, um diesen Ort der Erinnerung zu gestalten.

Dabei spielen nicht nur die Sanierung der Baracke selbst, sondern auch die ehrenamtliche Arbeit und die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen eine entscheidende Rolle. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass nicht nur die Gespräche mit der Stadtverwaltung , sondern auch die Entscheidungen des Stadtrats entscheidend sind.

Schließlich muss der Rat die finanziellen Mittel für die Umgestaltung der Baracke 35 bewilligen. Es bleibt zu hoffen, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen, um diesen wichtigen Ort der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu erhalten.

 

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