„Die bewaffnete Offensive der von der Hamas angeführten palästinensischen Streitkräfte findet statt vor dem Hintergrund der Verschärfung der israelischen Besatzungspolitik im Gaza-Streifen, im Westjordanland und Ostjerusalem. Wir bedauern die toten Israelis und Palästinenser.“
Mit diesen Worten relativierte und beschönigte Jean-Luc Mélenchon vom französischen Linksbündnis „La France Insoumise“, wohl mit Blick auf das muslimische Wählerpotenzial in den Vorstädten, die Massaker der Hamas beim Supernova-Sukkot-Festival in der Nähe des Gaza-Streifens sowie in diversen Kibbuzim mit mindestens 1.200 Toten. Wie die Hamas vom Islamischen Staat und seinem Massaker in Paris im Jahr 2015, u. a. im Club Bataclan, gelernt hat, so hat Mélenchon von der linksidentitären französischen Parti des Indigenes de la Republique (PIR) gelernt: „Wir sind zutiefst erschüttert, aber nicht überrascht“, schrieb diese damals – und schob die Schuld auf die Kriegsführung Frankreichs in Syrien und anderen Ländern sowie auf Rassismus und staatliche Islamophobie.
Leider ist Mélenchon damit nicht allein. Der deutsche Journalist Malcolm Ohanwe fragte, gewissermaßen mit unschuldigem Augenaufschlag, auf X (ex-Twitter): „Wenn die Zunge der Palästinenser systematisch abgeschnitten wird, wie sollen sie sich mit Worten wehren?“ Es offenbart zumindest ein ungeheures Ausmaß an Fantasielosigkeit, wenn einem als Alternative zu „Worten“ nur Massaker an Unbeteiligten und Unbewaffneten einfallen. „Happy New Year only to the Blacks, the coloreds and/or Queers“, hatte diese antirassistische Lichtgestalt einmal auf Twitter geschrieben. Dass so jemand ausgerechnet ein Magazin mit dem Titel „Respekt“ bei arte moderieren durfte, ist an sich schon ein schlechter Witz.
Reza Afisina und Iswanto Hartono, zwei Mitglieder des Kuratorenkollektivs ruangrupa, das bereits die antisemitischen Skandale bei der documenta 2022 in Kassel verantwortete, likten einen Instagram-Post mit feiernden Palästinensern, die den Hamas-Angriff bejubelten. Beide unterrichteten an der Kunsthochschule Kassel und hatten eine Gastprofessur an der Hochschule der Bildenden Künste in Hamburg. Einen ähnlichen Post likte der südafrikanische Fotokünstler und Aktivist Adam Broomberg, gegenwärtig Dozent an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Er hatte zuvor schon ein anderes Video von einer Demonstration vor der israelischen Botschaft in London gelikt, bei der „Juden ins Gas!“ skandiert wurde. Auch der Künstler Jota Mombaça, zurzeit mit einer Ausstellung im Center for Contemporary Arts in Berlin vertreten, likte das Video mit den jubelnden Palästinensern. Der Kurator der Ausstellung, Edwin Nasr, postete seinerseits eine Bildcollage fliehender, von Hamas-Leuten gejagter Besucher des „Supernova“-Festivals unter der Überschrift „Poetic Justice“.
„Diese gefangengenommene Siedlerin sieht glücklich aus. Ich hoffe, sie geben ihr ein gutes palästinensisches Gericht zu essen“, schrieb die palästinensisch-amerikanische Künstlerin Emily Jacir auf Instagram. Flashback: Als Tausende Oppositionelle nach dem faschistischen Putsch 1973 in Chile in einem Stadion zusammengepfercht und dort teils gefoltert und ermordet wurden, meinte der deutsche Christdemokrat Bruno Heck: „Das Leben im Stadion ist bei sonnigem Frühlingswetter recht angenehm.“ Dieselbe Geisteshaltung.
In der taz schildert Anastasia Tikhomirova die sadistischen Übergriffe des Hamas-„Kämpfer“ auf Frauen und schreibt: „Anstatt den antisemitischen und misogynen Terror gegen die israelische Zivilbevölkerung unzweideutig zu verurteilen, rechtfertigten etliche reichweitenstarke und sich als progressiv wähnende Feminist:innen diesen als dekolonialen Widerstand oder solidarisierten sich gar mit der Hamas.“ Und im selben Blatt beschreibt Nicholas Potter die Reaktion der Clubkultur – einer „progressiven Partywelt“, einer „Kultur, die aus emanzipatorischen Kämpfen von schwarzen und queeren Communitys geboren wurde“ – auf die Ermordung ihrer eigenen Leute mit zwei Worten: „Ohrenbetäubendes Schweigen“. Und wenn sich doch jemand aus dieser Szene zu Wort gemeldet habe, dann so: „Die dänische Techno-DJ Mama Snake, die BDS unterstützt, teilte in einer Instagram-Story einen Beitrag, der das Massaker an israelischen Zivilist*innen als `Kampf für Leben, Würde und Freiheit´ verharmlost. … DJs wie Juliana Huxtable und Dina fällt nichts anderes ein, als den `palästinensischen Widerstand´ mit Social-Media-Beiträgen zu unterstützen. Und in den Kommentaren unter Posts zum Festival `Supernova´ reagieren viele User*innen hämisch. Der Tenor: Die ermordeten Psytrance-Fans hätten es verdient, weil sie gewagt haben, in Israel zu feiern.“
Um es klar zu sagen: Die Nakba, also die Vertreibung Hunderttausender Palästinenser aus jenem Gebiet, das heute Israel einnimmt, ist eine Wunde, die sich nicht schließen wird. Und Widerstand gegen die israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik ist allemal gerechtfertigt. Aber: Die Hamas ist eine islamistische, klerikalfaschistische Organisation. Obwohl sie bei Wahlen im Jahr 2006 nur eine relative Mehrheit von 44% erhielt, herrscht sie seit siebzehn Jahren im Gaza-Streifen, ohne dass ihre Regierung und ihre Politik seither noch einmal durch Wahlen legitimiert worden wären. Es ist ein Unding, dass Linke eine Widerstandsbewegung unterstützen, die von einer solchen Organisation okkupiert, angeführt und definiert wird und mit den entsprechenden faschistischen Terrormethoden arbeitet. Fascism is as fascism does. Schon die Aktion als solche beweist, dass es sich um Faschismus handelt.
Nun ist es natürlich nicht die Linke insgesamt, die so etwas durch Relativierungen oder auch ganz direkt unterstützt. Abgesehen von Opportunisten wie Mélenchon sind es zumeist Stimmen aus der so genannten antikolonialistischen, identitätspolitischen Linken und deren Umfeld, die diese Untaten bejubeln. Und auch das muss man klar sagen: Diese Leute sind antisemitische Faschistensympathisanten und sollten endgültig nicht mehr als Linke betrachtet und behandelt werden.
„Die interessante Frage heute müsste lauten, ob die Menschen in Israel und Palästina irgendwann zusammenleben können – was bedeutete, dass Israelis und Palästinenser einen eigenen Weg finden müssten, das Land zwischen Jordan und Mittelmeer gemeinsam zu bewohnen und zu regieren. Teilen kann man das Land schon längst nicht mehr. Doch von einem gemeinsamen Leben sind wir weiter denn je entfernt – und zugleich dringlicher denn je darauf verwiesen“, sagt Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems. „Das Einzige, was mich ein wenig optimistisch stimmt, ist der Umstand, dass auf Israels Straßen vor dem Krieg manche Menschen begonnen haben, für eine wirkliche Demokratie zu demonstrieren, die alle Menschen, die in diesem Land leben und es ihre `Heimat´ nennen, einschließt. Solange es solche Menschen gibt, ist nie alles verloren.“
(Infos und Zitate aus taz, Freitag, NZZ, Welt und profil)