Der VfL ist eine Baustelle
Während der VfL Osnabrück am Montag den Trainingsauftakt für die anstehende Drittliga-Saison entsprechend medial zelebrierte, gaben sich auf der Geschäftsstelle abreisende und eventuell zureisende Spieler buchstäblich die Klinke in die Hand.
Ein Fabian Conus verabschiedet sich schon mal von seinen Kollegen, indes sitzen die Verantwortlichen mit Merveille Biankadi (Arminia Bielefeld) zusammen, der aktuell als heißester Kandidat für die Offensive gesehen wird.
Derweil versucht der neue Direktor Fußball Joe Enochs den Überblick über die Personalplanung zu vermitteln. Trainer Timo Schultz zeigt laut NOZ überwiegend gute Miene zum Wechselbetrieb rund um den vorhandenen Kader, während andere Beobachter auch Missmut in seiner Mimik erkannt haben wollen.
Stand der Dinge
Die Fakten: Auf der Illoshöhe versammelten sich am Montagvormittag 19 Feldspieler und drei Torhüter aus dem aktuell noch 29 Profis umfassenden Kader. Der VfL hatte dazu verlauten lassen, dass sieben Spieler fehlen werden. Rohin Shivani, Joschka Kroll und Ibrahim Touray aus der U19 stehen wohl vor einer Ausleihe. Aday Ercan und Joel Zwarts befinden sich in Gesprächen mit anderen Vereinen, Conus werde ermuntert, sich auch woanders umzuschauen. Über Bryang Kayos Abgang wird laut neusten Infos mit dem belgischen Erstligisten OH Leuven verhandelt. Neuzugang Bjarke Jacobsen (SV Wehen) trainiert individuell, nachdem er zum Ende der vergangenen Spielzeit verletzt ausgefallen war.
Auf dem offiziellen Antrittsfoto zeigen sich Neuzugänge und Leihrückkehrer: Torwarttrainer Daniel Davari, Theo Janotta, Robin Fabinski, Luc Ihorst, Bernd Rießelmann, Trainer Timo Schultz sowie David Kopacz, Kevin Wiethaup, Kevin Schumacher und Patrick Kammerbauer. Herzlich willkommen!
Qualität muss kommen
Trotzdem steht außer Frage, dass sich im Hinblick auf die Verstärkung des Kaders noch einiges tun muss, wenn man nicht in eine Abwärtsspirale wie in der abgelaufenen Saison geraten will. Das weiß natürlich auch Joe Enochs, der neue Architekt auf der Brücke. Er sieht den Bedarf mit Blick auf den Kader, der am Ende, also am besten bis zum ersten Spieltag der Saison, 25 bis 26 Spieler umfassen soll. Vielen Beobachtern um die Bremer Brücke fehlt es an Qualität und Kreativität in der Offensive. Das bestätigt auch Enochs. Ein Stoßstürmer und ein spielstarker Offensivallrounder werden dringend gesucht.
Fakt ist nämlich auch, dass der VfL, noch dazu durch den Abgang von Kayo, massiv an Qualität verloren hat. Weshalb jetzt kräftig durchgemischt wird. Ob sich allerdings überdurchschnittlich performende Profis aus der 3. und 2. Liga nach Osnabrück locken lassen, dürfte mehr als fraglich sein. Zu sehr hat der Verein mit den zwei vergangenen Spielzeiten auf den Abstiegsrängen und dem knapp ausgebremsten Durchrutschen in die Regionalliga sein sportliches Image ramponiert. Hoffentlich nicht allzu nachhaltig.
Personal-Puzzle mit Fragezeichen
Schaut man auf die bisher realisierten Transfers, könnte man schon über die eine oder andere Personalie irritiert sein und unangenehm an das Einkauf-Desaster des letzten Sommers erinnert. Einzig die Besetzung fürs Tor und die Innenverteidigung könnte man als solide konstruiert werten. Schon beim defensiven Mittelfeld fängt das Stirnrunzeln oder Rätseln an. Ein Tesche mag der Mannschaft im mentalen Standing von außen eine Hilfe sein, auf dem Feld ist er weit über seinen Zenit. Ein Bjarke Jacobsen wird vielleicht erstmal von der Reha-Bank grüßen. Nicht ganz nachvollziehbar scheint auch Enochs Optimismus hinsichtlich einer tragenden Rolle eines Bashkim Ajdinis auf der rechten Außenbahn. Dessen Spiel, so haben die meisten das hier auf dem Schirm, entwickelt sich seit über einem Jahr nach unten. Einen Luc Ihorst als Verstärkung für den Sturm anzukündigen, zeugt von brutalem Optimismus und lässt sich schwerlich mit der Statistik des Spielers begründen. Da kann man den Akteuren beim Kader-Puzzle, also neben Joe Enochs Cheftrainer Timo Schultz, nur ein gutes Händchen für die nächsten Kandidaten wünschen.
Hauptsache, die Stimmung stimmt
In die Karten schauen lassen sie sich nicht. Um von der realen, sicherlich nicht leichten Transferarbeit abzulenken, geizt man nicht mit den üblichen Floskeln zum Schönfärben des x-ten Neuanfanges, der momentan fast nur von den zwei Führungsfiguren verkörpert wird: „wieder an der frischen Luft zu sein und Fußball zu sehen, ist cool“, meint der Direktor Sport und entsprechend auf Optimismus gepolt, legt sein leitender Chef an der Seitenlinie rhetorisch nach: „Die Mannschaft ist unfassbar willig und engagiert. Es war richtig Energie auf dem Platz, das merkt man aber auch schon, wenn man hier ankommt und sich im Gebäude bewegt“, schwärmt Schultz geradezu vom Mannschaftsgeist der ersten Minuten, um mit dem Phrasenmäher weiterzumachen: Gas geben, eine Schippe drauflegen, hart arbeiten und natürlich darf nicht fehlen, „dass die Jungs Spaß haben auf dem Platz, das ist das oberste Ziel.“ (Quelle NOZ)
Alles andere bleibt (zunächst) Wunsch und Spekulation.
Testphase 1.0
Ein bisschen los geht´s am Samstag beim SV Büren (16 Uhr, im Livestream auf noz.de). Am Montag dann ins Trainingslager nach Tirol, vielleicht ja schon (wieder) mit Dave Gnaase, wenn er sich entscheiden hat, doch weiter sein Glück beim VfL zu suchen. Weitere Testspiel im Juli: Viktoria Pilsen, Gütersloh, Werder Bremen II.
Richtig ernst wird´s dann in knapp sechs Wochen, wenn die Liga am ersten Wochenende im August wieder angepfiffen wird. Sollte es an der Bremer Brücke starten, dann mit einiger Sicherheit vor ausverkauftem Heimbereich. Im Gegensatz zum störanfälligen sportlichen Lauf zeigt sich die Fantreue in Osnabrück fast schon traditionell stabil – ein neuer Rekord beim Dauerkartenverkauf zeichnet sich ab.
Wenn das kein gutes Omen ist …