Meister der sinnfreien Unterhaltung
Helge Schneider begeistert mit »Katzeklo auf Rädern« in der Osnabrück-Halle
Helge Schneider sprüht mit 69 immer noch vor schelmischer Fantasie und bringt damit sein Publikum zum Lachen. Davon konnten sich Fans und andere Neugierige am Samstag (26.10.) bei seinem ausverkauften Auftritt in der Osnabrück-Halle überzeugen.
Vorweg: Helge ist noch immer der sympathische Schlaue, der seine Skills hinter vermeintlicher Albernheit versteckt, dessen Humor nicht von vorgefassten Texten lebt, sondern spontanen Eingebungen und damit auch immer möglichen Missgriffen. Und da gibt es den anderen Helge, den Multiinstrumentalisten, genial an Klavier, Vibraphon und Gitarre, beim Bongo-Trommeln und Saxophon-Spielen. Unterstützt von seiner großartigen Begleitband Travelling Stars. Jazz-Improvisationen in brutal guter Qualität.
Draußen gibt es allerlei sinnfreien Merch (T-Shirt-Design ist keine Kernkompetenz des Zirkus Schneider), ansonsten geht es ziemlich unplugged zu, also Old School.
Schabernack, Musik und Pfefferminztee
Helge Schneider und seine Band betreten die Bühne, los geht’s. Ein augenzwinkernder Seitenhieb auf »leichte Sprache« Helge stimmt ein Lied an und verkündet nach dem Schlussakkord: „So, das erste Lied haben wir geschafft – und das war´s auch schon …« Der inszenierte kleine Schreck bringt die ersten Lacher, was Helge prompt zu einer Lobhudelei auf das Osnabrücker Publikum animiert, während Bodo Oesterling (den der Maestro aus Mülheim an der Ruhr in den achtziger Jahren von seinem Punker-Los in der Fußgängerzone von Münster erlöst habe. So lange habe sich der Gute seither als Praktikant bewährt – Dafür gebe es nun auch bald das erste Gehalt.) Pfefferminztee serviert, kommt sein Chef ins Plaudern oder besser gesagt, ins Tratschen – über die Bremer vom Abend zuvor. »Ganz schrecklich, und so falsch«. Sie hätten sich zwar begeistert gezeigt, aber es nicht so gemeint. Das sei hier anders, das merke er sofort.
Nachdem Bodo ziemlich schroff von der Bühne gescheucht wird, geht´s weiter – mit einem Highlight: Die »Trompeten von Mexiko«. Helge Schneider bläst zunächst herrlich schräg, dann immer virtuoser, während Sergej Gleitmann im Hintergrund mit einem Poncho dekoriert im Dunklen schunkelt.
»Alle Lieder, die heute gesungen werden, sind mit Musik.« Und die hat´s in sich. Im Laufe des Abends taucht Helge Schneider immer tiefer in jene Klänge ein, die er früher manchmal als »Straf-Jazz« bezeichnet hat, wenn ihm das Publikum zu albern wurde. Dabei beherrscht er eigentlich alles. Von Herbert-Grönemeyer-Persiflagen (»Auf dem Balkon steht ein Kasten Bier«) bis Duke Ellington und Charlie Parker, von Sprechgesang bis Jazz.
Der Helge-Kosmos
Schnell ist man mitten drin in diesem Helge-Schneider-Kosmos, der sich zusammensetzt aus Unsinn und Musik, in dem E und U verschmelzen zu ungeahnter, bisweilen aberwitziger Harmonie.
Helge tänzelt über die Bühne, ist Entertainer und Musiker und Dirigent und verweigert sich zugleich jeder Einordnung, da er jede Rolle schnell wieder durchbricht. Er dirigiert, performt seinen Hit „Katzeklo“ mit vollem Körpereinsatz und verhindert mit einem vorgetäuschten Kanon-Arrangement, dass die Stimmung zu anheimelnd gerät. Wir sind ja nicht beim Schlager-Boom. Damit nicht zu viel Mitmach-Stimmung aufkommt, macht Sergej Gleitmann im Nikki-Overall auf einer Yogamatte vor Helges geliehenem schwarzen Flügel (»Wenn das meiner wäre, sehe der jetzt schon ganz anders aus.«) Turnübungen zur Musik, eine Kerze und mehrere Purzelbäume. »Eine große sportliche Nummer!«
»Love on the Couch«
Nichts ernst nehmen, schon gar nicht sich selbst. Helge praktiziert das seit Jahrzehnten erfolgreich, macht sich vor allem über einen lustig, nämlich sich selbst. Bestes Beispiel »She is gone«, mit englischem Titel, damit das auch bei Jüngeren gut ankommt. Die Pointe zum Schluss – Chapeau!
„Katzeklo auf Rädern“ ist ein Abend, in dem alles gleichberechtigt nebeneinandersteht, das Hohe und das Banale. Auf die virtuose Saxophonnummer »Easy Living« folgt blanker Unsinn.
Man spürt förmlich die Freude des Musikus, wenn er sich in abseitige Sphären hoch- und runterdudelt. Wie bei »Love on the Couch«, wo es um gerecht abgezählte Erdnussflips, Wolldecken auf der Cord-Couch und VHS-Kurse wie »Stricken ohne Nadel, Backen ohne Ofen, Ficken ohne Frau«. Das muss sich erst mal einer zu singen trauen. Aber so funktioniert Helge Schneider: Die Blicke auf die belanglosesten Dinge lenken und dies genüsslich ins Abstruse bugsieren.
Was die da treiben – alle, die da auf der Bühne stehen oder sitzen, betagte weiße Männer und ein etwas jüngerer, der Pfefferminztee serviert – ist mehr als nur Klamauk. Dafür ist allein die Musik zu gut, die Sandro Giampietro an der Gitarre, Reinhard Glöder am Kontrabass, Willy Ketzer am Schlagzeug (mit einem Solo, das man auch nicht alle Tage noch so zu bestaunen bekommt) sowie Sergej Gleitmann an der Geige (und auf der Yogamatte) abliefern.
Nach guten zwei Stunden schickt der agile Multi-Tasker sein Publikum mit einer kurzen, fast schon improvisierten Solo-Zugabe (»So, Osnabrücker, ihr müsst jetzt nach Hause gehn …«) raus »in den kalten Flur«.
Ein Spielverderber, wer sich jetzt brüskiert fühlen würde. Den Allermeisten, die da gutgelaunt die Treppen zum Ausgang fluten, sehen eher aus, als hätten sie einen richtig guten Abend erlebt. Was Helge bei seinem nächsten Stopp in Wuppertal womöglich von den Osnabrückern erzählen wird, ist da auch egal.