Mittwoch, 30. Oktober 2024

Neustart in vertrauter Runde

Der VfL Osnabrück vor seiner zwölften Saison in der 3. Liga

Generalprobe vergeigt – es kann nur besser werden, wenn es am nächsten Samstag gegen den SV Sandhausen (14 Uhr) wieder ernsthaft um Punkte geht zum Auftakt in der Liga, die man als VfLer am besten kennt. Die Vorbereitungs- und Testphase im Juli hat gezeigt, dass der VfL exakt dort spielt, wo er leistungsmäßig hingehört. Gegen einen Viertligisten gewonnen (Rödinghausen 4:0), beim Zweitligisten deutlich verloren (Braunschweig 1:5) – passt!

Trainer Uwe Koschinat wollte trotz aller Enttäuschung nicht alles schlechtreden, was die Mannschaft am Samstag in Braunschweig angeboten hat. Schließlich wisse man nun genauer, dass der VfL wieder einen »geilen Torwart« hat. Und dann war da ja noch die 38. Min., in der Neuzugang Niklas Niehoff einen frappierend genialen Pass in die Tiefe der Box spielt – und als Zielspieler einen Jannes Wulff findet … Man könnte diese Szene aus VfL-Sicht als einen bezeichnenden Moment für den aktuellen Stand der spielerischen Dinge deuten. Einerseits ist die Mannschaft durchaus in der Lage, Chancen zu kreieren, aus gegnerischer Sicht betrachtet also gefährlich. Andererseits fehlen Spieler, die in solchen Situationen den Unterschied auch machen. Auf Braunschweiger Seite sah das anders aus, allen voran Sven Köhler. Umso schmerzlicher die Erinnerung, dass der vor gar nicht langer Zeit noch den VfL dirigiert hat. Jetzt ist er eine feste Größe in der 2. Liga, mit Perspektiven nach weiter oben.


Erste Elf und Kader

Genug zurückgeblickt: Testspiele sollte man nicht überbewerten und außerdem haben andere Konkurrenten, mit denen man sich auf Augenhöhe sieht, bei ihrer Generalprobe ähnlich gepatzt, u. a. auch der SV Sandhausen, noch dazu gegen einen Mitbewerber aus der gleichen Liga (SpVgg Unterhaching 0:1).

Wenn Koschinat betont, dass er nicht alles infrage stellen wird, was er und sein Trainerteam mit der Mannschaft in den letzten Wochen erarbeitet haben, kann man sich ziemlich klar vorstellen, wie eine Startelf am Samstag aussehen könnte.

Vor der unumstrittenen Nr. 1 im Tor David Richter wird Koschinat wohl auf die zweitligaerprobte Abwehr mit Adjini, Beermann (Kapitän), Gyamfi und Wiemann bauen, wobei einzig fraglich ist, ob er nach Braunschweig weiter an dem Experiment auf der linken Seite festhalten wird. Als Alternative steht Bastien Conus bereit, der schließlich für hinten links geholt wurde und dessen offensive Spielweise eher das mitbringt, was einen Kleinhansl ausgezeichnet hat. Ein Flankengott ist Wiemann nun mal nicht.

Das Mittelfeld scheint nicht nur nach den Eindrücken von Braunschweig eine prekäre Baustelle zu sein. Für Koschinat anscheinend nicht. Daher kann man davon ausgehen, dass neben dem unvermeidlichen Robert Tesche als Taktgeber, Dave Gnaase als Abräumer und Wulff als offensiver Gestalter (immerhin mit der Nummer 10 ausgestattet) dort für reibungslose Abläufe sorgen sollen. Tatsächlich hat sich Lars Kehl in der Vorbereitung nicht gerade aufgedrängt. Dabei wird er, nachdem er in der letzten Saison verletzungsbedingt kaum zum Zuge kommen konnte, wie ein gefühlter Neuzugang betrachtet, was mit der Hoffnung verbunden ist, dass er jetzt die Qualität entwickeln kann, die ein Tobias Schweinsteiger bei ihm vermutet hat. Von den jungen Wilden wäre Aday Ercan eine Option, der zwar nicht über die Erfahrung eines Tesche verfügt, dafür aber an Grundschnelligkeit und körperlicher Präsenz mehr auf den Platz bringt. Mit solchen hungrigen Typen, die aus der vierten Liga nach oben drängen, hat der VfL gute Erfahrungen gemacht.

Im Sturm wird Joël Zwarts gesetzt sein (Doppelpack in Rödinghausen, in Braunschweig abgemeldet), die nötige Dynamik von außen sollen Niklas Niehoff und Noel Niemann bringen. Tore erwartet man von Letztgenanntem wohl weniger, dafür setzt Koschinat auf seine Qualitäten als Lückenreißer und Vorlagengeber. Mit Neuzugang Liridon Mulaj stände einer bereit, der zumindest den nötigen Mut erkennen lässt, auch mal direkt in die Box und aufs Tor zu gehen.

Schaut man sich diese Formation an, wird klar, wie sehr Koschinat auf die Potenziale der Zweitliga-Erfahrenen setzt. Das Erik Engelhardt hier aktuell eine nebengeordnete Rolle spielt, liegt an seiner ungeklärten Situation im Transfergeschehen. Geht er oder nicht? Bis das geklärt ist, könnten drei Spieltage und zwei Pokalspiele verstrichen sein.


Eine Saison für die Jugend?

In der 3. Liga greift die U23-Regelung. Die verpflichtet die Clubs, bei jedem Spiel mindestens vier Spieler auf dem Spielberichtsbogen aufzulisten, die für eine DFB-Auswahl spielberechtigt sind und am 1. Juli der jeweiligen Spielzeit das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Das muss keinesfalls bedeuten, dass eine sportliche Führung unbedingt auf junge Spieler setzt. Hauptsache, sie sitzen auf der Bank. Beim VfL sieht das zunächst nicht viel anders aus, wenn man sich die potenzielle »erste Elf« vor Augen führt. Da würde gerade einer dazuzählen: Niklas Niehoff. Im erweiterten Kreis lauern allerdings einige, die an ihrem Durchbruch in die erste Reihe hart arbeiten.

Das gilt für Yigit Karademir genauso wie für Lars Kehl und Aday Ercan. Auch von Kevin Wiethaup, der schon länger im Kreis der Profis trainiert, kann man mehr erwarten als er bisher gezeigt hat. Vor zwei Jahren in der Vorbereitung unter Scherning schien er schon weiter zu ein.


Perspektiven

Hinsichtlich der Frage, was dem VfL mit diesem Kader in der anstehenden Saison zuzutrauen ist, tun sich auch Experten schwer. Unter dem unmittelbaren Eindruck dessen, was sich auf dem Rasen des Braunschweiger Stadions abspielte, standen dem Moderator des Live-Streams für einige bange Minuten sogar Szenarien bis zum Worst Case vor Augen. Aber dann wollte er auf keinen Fall zu schwarzmalen. Trotzdem kommen Wünsche nach Verstärkungen auf. Sportdirektor Philipp Kaufmann, zum ersten Mal verantwortlich für eine Kaderplanung, sieht da wiederum keinen akuten Handlungsbedarf. Natürlich würde ein Stürmer, dem man nicht nur einen Zug zum Tor wünscht, sondern der so etwas auch mitbringt, ein Segen sein, genauso wie ein spielstarker, ballfertiger Mittelfeldspieler mit strategischen Anlagen. Aber wer soll (oder will) solche Schwergewichte finanziell wuppen? Man kann damit rechnen, dass die sportliche Führung nur noch richtig auf dem Markt aktiv wird, falls Engelhardt oder Gyamfi (oder beide) im letzten Transfermoment doch abspringen.

In der aktuellen Besetzung ist der VfL nicht unbedingt als Anwärter auf die Aufstiegsplätze einzuschätzen. Hier sind vorrangig Dynamo Dresden, FC Saarbrücken, Wehen Wiesbaden, Arminia Bielefeld, 1860 München und auch Hansa Rostock zu nennen. Ob das Team aus Osnabrück unter dieser Konkurrenz wenigstens sporadisch im oberen Mittefeld bestehen kann, wie sich die Fans das wünschen, wird sich Ende August zeigen, wenn die ersten drei Spieltage bestritten und die ersten Pokalrunden (7.8 in Meppen, 17.8. gegen Freiburg) überstanden sind.


Auftaktgegner mit Ambitionen: SV Sandhausen

Nachdem es mit dem direkten Wiederaufstieg nicht auf Anhieb geklappt hat, lassen die Verantwortlichen in Sandhausen trotzdem keinen Zweifel am Ziel 2. Liga. Dafür wurde mit Sreto Ristic ein neuer Trainer verpflichtet und der Kader konsequent neu ausgerichtet. Elf Neuzugänge – zwölf Abgänge. Dennis Diekmeier, prominentester Spieler und Osnabrück-Schreck, ist nicht mehr aktiv dabei. Aber als Co-Trainer am Spielfeldrand werden wir ihn wiedersehen. Um die Qualität hochzuhalten wurden in erster Linie bekanntere Kräfte aus der 3. Liga verpflichtet.

Für die Innenverteidigung Jakob Lewald aus Dresden. Mit Jeremias Lorch (Viktoria Köln) und Niklas Lang (1860 München, zurzeit verletzt) kamen noch zwei weitere drittligaerprobte Verteidiger. Dazu konnten Defensivallrounder Marco Schikora (Erzgebirge Aue), Spielmacher Besar Halimi und Torjäger Dominic Baumann (im Gefolge von Ristic vom Hallescher FC) geholt werden. Für den U23-Anteil sorgen Talente aus der Regionalliga. Mit diesem Kader gab es in sechs Testspielen fünf Siege. Die Generalprobe allerdings ging mit 0:1 gegen Unterhaching verloren. Nun ist ein Testspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegen einen Verein aus der gleichen Liga sicherlich nicht mit dem Härtetest zu vergleichen, den die Osnabrücker auf sich genommen hatten. Festzuhalten bleibt, dass die Sandhäuser ebenso wenig Anschubwirkung daraus ziehen können wie der VfL aus seiner Abfuhr bei den Löwen. Fakt ist aber auch, dass der SVS auf dem Papier über einen stärkeren Kader verfügt, als der VfL es sich leisten kann. Und damit will der Verein aus der nordbadischen Provinz sicherlich nicht nur oben mitspielen, sondern am Ende auch oben stehen.


Die Osnabrücker sind immer da: Fans

Egal, in welche entfernten Ecken der Republik ein Spielplan den VfL schickt, seine Fans sind immer schon da, wenn die Mannschaft zum Aufwärmen den Platz betritt. So wird es auch am Samstag in Sandhausen sein. Rund 600 Osnabrücker*innen, schätzt der Verein, werden das Team dort unterstützen. Ein ganz anderer Stimmungsschub als beim letzten Aufeinandertreffen (2. Liga, 0:3). Das fand aufgrund der Pandemie-Bestimmungen ohne Zuschauer statt.

Keine Frage, auf seine Fans kann der VfL sich verlassen. Die Treue und Unterstützungsbereitschaft des Osnabrücker Publikums ist spätesten seit der abgelaufenen Saison bundesweit bekannt. Obwohl ein Abstieg schon lang vor Ende der Spielzeit mehr als absehbar war, fanden die Spiele an der Bremer Brücke über die gesamte zweite Halbserie vor ausverkauftem Heimbereich statt. Kaum einmal wandte sich die Stimmung gegen das eigene Team. Im Gegenteil: Die Fans hatten den Spielern immer wieder gezeigt, dass man sie auch im Abstiegsfall nicht hängen lassen würde. Zu guter Letzt gab es eine Ehrenrunde unter dem Beifall von den Rängen.

Zum VfL zu gehen ist in gewisser Weise zum Kult gewachsen in der Hasestadt. Die Bereitschaft, aktiv etwas für den Verein zu tun, ist groß. Ob Schneeschaufeln mit der Mannschaft im Winter oder mitzuhelfen, die Osttribüne nach dem Verlust des Daches wieder so herzustellen, dass ohne Sicherheitsbedenken gejubelt werden kann. Osnabrücker Fans sind nicht nur leidensfähig, sondern auch zupackend und so kann die neue Mannschaft fest darauf zählen, dass die Bude zur Heimpremiere pickepacke voll sein wird.

Auch deshalb wird die Mannschaft am Samstag ein anderes Gesicht zeigen als in Braunschweig und den Fans schon mal einen Punkt als ein kleines Dankeschön im Voraus mitbringen.

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