Montag, 11. November 2024

Wird der Ball endlich das richtige Netz küssen?

Der VfL Osnabrück vor dem ersten Liga-Spiel nach Schweinsteiger
Die Länderspielpause zum Vergessen ist vorbei. Es kann wieder losgehen mit dem, was wirklich zählt: die Liga! Dazu noch ein Heimspiel – Fußballherz, was willst du mehr?

Nachdem sich im Nachgang der Entlassung Tobias Schweinsteigers nichts Weltbewegendes mehr getan hat, gilt es für den VfL, den Blick nach vorne auf das Spiel gegen FC Magdeburg zu richten. Wo allerdings der dringend benötigte Optimismus herkommen soll, scheint keiner recht zu wissen. Wie sehr die Fans dem sehr beliebten Trainer nachtrauern, wurde auf der Mitgliederversammlung am vergangenen Dienstag noch einmal deutlich. (s. auch Die Stellungnahme der Violet Crew Zur Trainerentlassung in der OS Rundschau von heute) Ein neuer Hoffnungsträger ist nicht in Sicht.

In der Fantasie des Sportdirektors müsse es einer sein, »der auf den VfL brennt, der sich nicht abschrecken lässt von der Tabelle.« Er müsse positive Energie ausstrahlen, die Jungs mit Emotionen erreichen und mental stark machen. Die Mannschaft lechze nach Sicherheit, Klarheit und Einfachheit seien gefordert. Immerhin redet er von Abstiegskampf. Da komme es auf eine starke Physis und eine ausgeprägte Mentalität an. Es dürfe auch gern mal eine Fünf- oder auch Sechs-Tage-Trainings-Woche sein.

Und weil sich um dieses Profil keiner wirklich reißt, konzentrieren sich die gedämpften Erwartungen auf Martin Heck. Der hat´s nicht weit nach Hause und wird Zeit genug haben. »Danne«, nicht zu vergessen und Videoanalyst Jonas Imkamp. Da werden die Augen von der Bank wieder mehr aufs Tablet gerichtet sein. Vielleicht passt ihre Art zu kommunizieren ja besser zu Kickern der Generation Z als analoge Ansagen von einem »Grantler«. Die Zeiten, als Pfeffer in der Rhetorik noch als Markenzeichen geschätzt wurde, wie bei einem Ernst Happel, sind Geschichte. Da würden sich Kicker von heute in ihrer Menschenwürde verletzt fühlen und auf Instagram Alarm schlagen.

Laut dem, was die Verantwortlichen verraten, seien sie froh, dass das Anpflaumen jetzt ein Ende habe, seitdem sie den zuletzt als ziemlichen Motzbrocken empfundenen Sportlehrer in seine bajuwarische Heimat abgeschoben haben.


Die Stunde der Rehabilitierten und Vergessenen

Ins Team zurückgeholt und mit gebotenem Anstand rehabilitiert hat man stattdessen die vom »Grantler« aussortierten Paterson Chato und Oliver Wähling, weil sie ein verbrieftes Recht darauf hätten, als vollwertige Kadermitglieder behandelt zu werden. Dies außer Acht gelassen zu haben, wird dem geschassten Bayern wie ein Diskriminierungsversuch nachgetragen. Ab sofort können sich gegnerische Mannschaften wieder darauf freuen, wie der gute Pat ihnen raumöffnende Pässe in die Füße spielt zur freundlichen Verwertung.

Eine Einladung zur Wiedergutmachung bekam auch das zweite Opfer der Schweinsteiger-Episode: Oliver Wähling. Ausgestattet mit einem enkeltauglichen Talent soll er im Test gegen den Drittligisten eine passgenaue Flanke auf den Kopf von John Verhoek rausgehauen haben. Die der sogar, man glaubt es kaum, zum Anschlusstreffer verwerten konnte.

Wie erinnern uns – Verhoek, von Shapourzadeh fürsorgend bedacht mit einem wohlwollend dotierten Vorruhestandsvertrag, ist der, der eingewechselt wird, wenn eh nichts mehr zu retten ist, der hochmotivierend mit den Armen wedeln kann, um Umstehende anzustacheln. Außerdem ist er geschickt darin, sich wie ein im Fallen begriffener Baum in der gegnerischen Box querzustellen. Neuste Bewegungen vom Trainingsbetrieb deuten an, dass man ihm jetzt mehr abverlangen möchte fürs gute Geld.


Maßnahmen zur Wiederbelebung

Am wichtigsten sei laut Heck, dass die VfLer wieder Überzeugung und Mut in ihre Aktionen auf den Platz brächten – genau daran gelte es in erster Linie zu arbeiten. Er und Danne wollen wieder Leben in die Truppe bringen, die Intensität und den Einsatz hochfahren. Ein Fokus liege auf der Belebung des Offensivspiels, dahin zu kommen, in der gegnerischen Box viel mehr gefährliche Situationen und auch Abschlüsse herauszuholen. Genau dort, wo ein Verhoek seine Teilzeit bislang ausgestanden hat. Nur mit den Abschlüssen hat es eben noch nicht geklappt, aber das könnten ihm Heck und Danne ja in der Länderspielpause beigebracht haben.


Wo bleibt die Jugend?

Neben der ganzen Betriebsamkeit fällt auf, dass Heck und Danne genau wie ihr gefeuerter Chef nicht auf Jugend setzen. In dem Zusammenhang könnte man schon mal nachfragen, was eigentlich mit Kevin Wiethaup ist. Vor einem Jahr fast wie ein Shooting-Star gehypt. Und jetzt? Oder Ismail Badjie. Warum kommt keiner auf die Idee, den Jungen zu bringen? Muss ja nicht gleich wie ein Mathys Tel auftrumpfen, aber Dynamik und Schwung sind doch Attribute, die man gemeinhin der Jugend nachsagt. Irgendwie hat es den Anschein, dass seit dem Weggang von Daniel Thioune niemand beim VfL mehr nachhaltig auf die vereinseigene Jugend baut.


Wer an Wunder glaubt

Frank und frei ins Blaue gemutmaßt, steht Amir Shapourzadeh ziemlich blauäugig und allein da, mit seiner Überzeugung von der ligareifen Qualität des Kaders. Das Testspiel gegen den MSV hat nur bestätigt, dass der zweite Anzug noch weniger zweitligatauglich ist als die geschonte erste Wahl. Zudem hat es der Serie von Negativerlebnisse noch eins draufgesetzt.

Wenn Co-Trainer so holterdiepolter in die Chefrolle geschubst werden wie Heck und Danne, meinen sie, ganz schnell etwas ändern zu müssen. Da reicht es nicht, Trainingsabläufe zu variieren oder an der Taktik rumzufummeln. Es muss ein für alle sichtbares Statement gesetzt werden und das geht am besten übers Personal. So kann man davon ausgehen, dass am Samstag neben Engelhardt ein im Training generalüberholter John Verhoek aufläuft. Aber auch für andere bisher zu kurz Gekommene gibt´s genügend freie Plätze aufgrund von Krankmeldungen (Ajdini und Beermann) und weil Gnaase und Cuisance ihre Karten auf der Tribüne absitzen müssen. Man darf gespannt sein, wie weit die beiden Not-Trainer sich aus der Sicherheitszone wagen, um den Turnaround zu wuppen. Vielleicht schmeißen sie sogar einen Oliver Wähling von der Abschiebebank auf den Rasen. Das hätte dann schon Züge von der Nagelsmannschen Theorie der systemischen Verblüffung. Wenn´s klappt – hurra! Im anderen Fall, also normal, würde das die Interims-Phase verkürzen.

Wenn etwas dafür sprechen könnte, dass der VfL am Samstag tatsächlich gewinnt, dann ist es der schlechte Lauf der Magdeburger, die nach starkem Saisonbeginn zur Länderspielpause auf den 13ten Rang abgerutscht sind. Acht Spiele ohne Sieg und vier Niederlagen in Folge – fraglos ist der Gegner genauso auf der Suche nach seiner Form wie die Osnabrücker selbst. Mit dem Unterschied, dass die Vereinsoberen dort ihr Vertrauen in Trainer Christian Titz nicht verloren haben. Ein Wiedersehen wird es aller Voraussicht nach mit Ahmed Arslan gebe, der bei seinem letzten Auftritt im April an der Bremer Brücke (im Trikot von Dynamo Dresden) glatt den Unterschied gemacht hat. Das zu unterbinden, wird eine der Abwehraufgaben sein, die am Samstag fehlerlos erledigt werden müssten.

Aber selbst bei einem Erfolg des VfL gäbe es nur Grund, für einen Tag und eine Nacht zu jubeln. Darauf zu setzen, dass danach ein bis zwei Punke aus den Partien gegen Schalke, St. Pauli und Hertha geholt werden, grenzt an Zockerei.


Wohin die Reise geht

Es ist zu befürchten, dass wir in der Winter-Pause das sattsam bekannte Hin und Her um Transfers mitverfolgen dürfen, die die soliden Vereinsmeier sich nicht leisten wollen. Kostengünstige Kompromisskandidaten werden als Alibi herhalten müssen, und um das zu beschönigen, werden sie wie in der Vergangenheit üblich als Perspektivspieler angepriesen. Wobei man sich dann fragen darf, für welche Option?

Unüberhörbar waren die Loblieder auf Heck und Danne seitens der Vereinsführung während der MV. Ein Schelm, wer sich dabei denkt, dass man insgeheim hofft, mit den beiden weitermachen zu können. Auch wenn die Chef-Loge in der Frage aktuell eher mauert – ein neuer Trainer wird kommen müssen. Hoffentlich nicht jemand, der die Liga nur vom Hörensagen kennt. Natürlich wird, wer immer es dann ist, beteuern, schon lange auf den VfL geschielt zu haben und dass die geile Atmosphäre ihn an der Bremer Brücke gelockt habe. Kennt man.

Bon jour Tristesse. Dadurch sollte man sich bloß nicht die Lust nehmen lassen, doch wieder hinzugehen. Und wenn einfach nur, um ein paar vom Alltag befreite Stunden am »schönsten Lagerfeuer der Welt in dunklen Zeiten« (Udo Muras) zu erleben.ücke

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