Grenzen der Kreativität

Zauberwürfel oder Käsewürfel?

Normalerweise läuft das so: In repräsentativer Lage wird ein großes Gebäude hingesetzt und die Menschen müssen dann irgendwie damit zurecht kommen. Häufig finden sie dann einen mehr oder weniger passenden Spitznamen für das Gebäude, so wie etwa der „Big Ben“ in London oder die „schwangere Auster“ in der deutschen Hauptstadt. Berlin scheint überhaupt ein günstiges Pflaster für „Volksmund“ zu sein. Gute Beispiele hierfür bieten der Fernsehturm („St. Ulbricht“,  weil sich der Genosse Ulbricht geärgert haben dürfte, wenn in der Kuppel des Turms den Sonnenschein als Kreuz reflektierte) oder der mittlerweile abgerissene Palast der Republik („Erichs Lampenladen“ wegen der Beleuchtungsmittelorgie im Innern).

Neuerdings jedoch scheinen die Architekten (oder Bauherren) der Kreativität des „Volksmundes“ nichts mehr zuzutrauen. Beim in den 90ern errichteten Bundeskanzleramt zum Beispiel wurde zum Gebäude der Spitzname „Wachmaschine“ gleich mitgeliefert. Als hätten die Architekt Angst, dass dem „Volksmund“ irgendwas unanständiges  entfleuchen könnte. OK, auf „Wachmaschine“ hätte der Volksmund auch selber kommen können. Trotzdem nennt kaum jemand (außer vielleicht Stadtrundführer) das sperrige Monstrum „Waschmaschiene“, sondern bevorzugt den sperrigen Namen „Bundeskanzleramt“.

Ich finde solche Namensvorgaben übergriffig. Für uns, die wir jeden Tag diese Bauwerke sehen müssen, könnte es Trost bedeuten, wenigsten beim Namen beteiligt gewesen zu sein. Für gewöhnlich reagiere ich mit kindlichem Trotz, wenn man mir Arbeit aus der Hand nimmt, um sicherzustellen, dass das Ergebnis zufriedenstellend wird. Am Neumarkt (im Grunde das Wohnzimmer der Stadt – tatsächlich zur Zeit eher das Außenklo der Stadt) wird nun ein Büroquader hingesetzt, für den sich die Verantwortlichen (gibt es Agenturen für architektonische Kosenamen?) den so leicht durchschaubar positiven Spitznamen „Zauberwürfel“ ausgedacht haben.

Ich werde den „Zauberwürfel“ bei jeder sich bietenden Gelegenheit „Kackkasten“, „Qualquadrat“ oder „Käsewürfel“ nennen. Das ist auch nicht sehr originell, vertreibt aber vielleicht das affirmative Grinsen aus dem künftigen Namensschild. Vielleicht hat die Namensagentur dieses mal aber Recht: Ein rechteckiger Block mehr neben anderen rechteckigen Blöcken. da kann die kreative Namensgebung nur versagen.

Foto: OR / Reiner WolfFoto: OR / Reiner Wolf
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