Verkorkst – von Anfang an!

Einwürfe zum Saisonverlauf des VfL Osnabrück

Nun also doch, plötzlich sieht das mediale Umfeld der Bremer Brücke den VfL im Abstiegskampf, nach der mit 1:4 »sang- und klanglos« (OS Rundschau) verlorenen Partie gegen den SV Elversberg. Dabei las sich das vor Wochenfrist noch anders: Unglücklich verloren habe das Team gegen 1860 München, man habe auf Augenhöhe mitgehalten und bis auf ein paar unbedeutende Abschlussschwächen könne man als Osnabrück Fan mit Zuversicht in die Zukunft und auf die anstehende Fahrt ins Saarland blicken. Mehrheitlich wurde Optimismus gepflegt. In Spielberichten wurde hervorgehoben, dass die Spieler mit Applaus verabschiedet worden seien, und zwei Tage später in einem Podcast über die »unverdiente Niederlage schwadroniert«. Dass es in Echtzeit eine Niederlage war, fiel kaum ins Gewicht. Vielmehr wurde der Blick demonstrativ geschlossen nach vorne gerichtet, in der Arena an der Kaiserlinde würde man sehen, zu was die Mannschaft auch auswärts imstande sei, man erwartete die Wende zur Aufholjagd auf die Spitzenplätze, was in Elversberg seinen Anfang nehmen würde, ganz sicher oder ziemlich sicher, zumindest mit einem Remis (2:2 hatte die NOZ schließlich getippt).


Die krause Idee von der Raute

Wer den bisherigen Verlauf der Saison nüchtern und illusionslos betrachtet, muss eingestehen, dass sich der VfL von Beginn an ziemlich holperig durch die Spieltage gurkt. Es begann mit einer geradezu exotisch anmutenden Idee von der sich selbstreferenziell verschiebenden Raute oder mit Tiki-Taka durch die Mitte, was so krude und stur vom Ideengeber umgesetzt wurde, dass es von vornherein zum Scheitern erfunden war. So gesehen, war der abrupte Abgang Schernings noch eines der glücklicheren Ereignisse einer aus dem Ruder laufenden Spielzeit. Was wäre gewesen, wenn der bei anhaltendem Misserfolg an seiner Murks-Idee hätte festhalten wollen?


Der Trainer: großer Name – wenig Erfahrung

Die Verpflichtung von Tobias Schweinsteiger wurde abgefeiert, als habe man den prominenten Bruder verpflichtet. Der andere Schweinsteiger, der hier seit dem 29. Aug. an der Seitenlinie coacht, weist dagegen eine sportliche Vita auf, die man als klassisch durchschnittlich werten kann. In Bezug auf das, was er beim VfL verantworten soll, hat er wenig Erfahrung und kaum Erfolge aufzuweisen. Dass er kurz nach Vertragsabschluss als »Experte« bei einem Sport-Kanal mithelfen soll, hat wohl zum kleineren Teil mit seinem Knowhow zu tun und mehr mit dem berühmten Namen.

Was soll man von diesem Trainer-Neuling erwarten?

Zugutehalten muss man ihm, dass er es mutig angegangen ist in Oldenburg – und prompt eins auf die Nase bekam. Richtig erkannt hat er, dass ein Systemwechsel notwendig war, und lässt ein klares und solides 4-3-3 spielen. Allerdings hatte das auch das Interimsteam um Tim Danneberg schon so gesehen. Grundsätzlich hat Schweinsteiger der Mannschaft eine gewisse Stabilität geben können, und es ist sicher nicht verkehrt, die Startaufstellung möglichst unverändert und konstant zu halten – wenn es denn Erfolg bringt. Unbedingt nachvollziehbar auch, dass er Mark Heider als jemanden sieht, der seine Qualitäten von der Bank besser einbringen kann.

Nicht anlasten kann man ihm, dass der Kader insgesamt mit zu vielen Spielern bestückt ist, die selbst an guten Tagen nicht mehr als Durchschnitt zu bieten haben, und auch nicht, dass Hoffnungsträger wie Putaro oder Engelhard kaum auf den Rasen bringen, weswegen man sie verpflichtet hat. Dazu kommt Verletzungspech, womit jedoch jede sportliche Leitung kalkulieren muss.

Aufgrund seines latent prominenten Flairs ist er in Osnabrück fast schon automatisch mehr als wohlwollend aufgenommen worden. Mit ihm, das war der begleitenden Presse anzumerken, wollte man, dass sich alles ins Positive kehrt. In dem Trend kam der Kantersieg gegen Mannheim gerade recht. Im Nachhinein zeigt sich, dass daran die 3 Punkte das Beste waren, alles andere Gift. Allein die Höhe des Sieges weckte bei Verantwortlichen und Fans Vorstellung darüber, dass die Hoffnungen auf einen unaufhaltsamen Weg an die Spitze richtig seien. Vor Begeisterung wurde das Ergebnis überbewertet und übersehen, dass der Waldhof einfach einen Grottentag erwischt hatte.

Drei Spiele weiter müsste das auch für die letzten Träumer offenbar sein.


Der Stresstest kommt jetzt

Ab jetzt kommt auf den Prüfstand, wozu Trainer und Team wirklich in der Lage sind. Im Angesicht der dritten Niederlage infolge zeigten wichtige Akteure zunächst mal Nerven. Wie es um die mentale Resilienz bestellt ist, wird dadurch aufgedeckt, dass einer, der noch zu den Leistungsträgern zählte (Sven Köhler), nach gelb noch unbedingt rot sehen muss und sich der Coach mit unklugem Nachkarten gleich direkt einen Platzverweis einhandelt. Das ist Frust pur! Die Gesichter anderer sprechen zudem eine beredte Sprache.

In dieser angespannten Situation wird und muss sich zeigen, von welchem Holz der Trainer mit dem Weltmeister-Namen tatsächlich geschnitzt ist. Ob und inwieweit er bereit ist, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Bislang hat er sich in dieser Hinsicht moderat gezeigt. Der Wechsel der Torhüter kam zwar überraschen, hat aber niemanden in Verblüffung versetzt. Zu weit entfernt hatte sich Stamm-Keeper ´Pippo` Kühn von der Form, die ihn zur unangefochtenen Nummer eins gemacht hatte. Nun aber scheint es an der Zeit, durch personelle Änderungen Zeichen zu setzen, um effektive Trotz-Reaktionen hervorzurufen.

Angedeutet hat sich am Samstag, dass Schweinsteigers Geduld mit Felix Higl an Grenzen stößt, seine frühe Auswechslung war überfällig und sollte nachhaltig sein. Mit diesem Langmut sollte man besser daran arbeiten, einen Erik Engelhard in die Tor-Spur zu bringen. Ein Exempel an Simakala zu üben wie in Elversberg, erscheint dagegen als eine aus dem Affekt geborene Überreaktion, begleitet von einer unverständlichen Einwechslung auf der rechten Abwehrseite. Nicht nur, dass Henry Rorig postwendend den dicksten Bock des Spiels baute, müsste der sportlichen Leitung eigentlich präsent sein, wie schwach sämtliche Auftritte Rorigs bisher verlaufen sind. Dass ein Traoré zur Pause in der Kabine bleibt, erscheint ebenso rätselhaft.

Wenn man sich die Leistungskurven anderer bisher kontinuierlich eingesetzter Spieler anschaut, dürfen Nominierungen wie die von Kunze, Chato und auch einem Robert Tesche in Frage gestellt werden.

Im Mittelfeld entscheiden sich die meisten Spiele und hier steht beim VfL ein ehemaliger Bundesligaprofi wie ein Statement im Zentrum. Bei ihm sollen die Fäden zusammenlaufen, mit seiner Erfahrung aus 136 Spielen in der obersten Klasse würde er der Mannschaft die notwendige Stabilität und Struktur garantieren, von ihm würden die Ideen ausgehen. Ja, wenn das so wäre …

Auf dem richtigen Rasen sieht das von Spiel zu Spiel zunehmend anders aus: ansteigende Fehlpassquote, nachlassende Präsenz, stagnierendes Tempo. Wenn der VfL wirklich schnell und dynamisch nach vorne spielen will, scheint ein ausgedienter Erstligaprofi mit stagnierender Spritzigkeit nicht die glücklichste Wahl zu sein.

Das zu ändern, wäre ein Statement des Trainers, dass bei ihm aktuelle Leistungen mehr zählen als Name und Erfolgsgeschichten von vorgestern.

spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
Follow by Email
Facebook
Youtube
Youtube
Instagram
Spotify