Auweia! 0:7 – das tut weh …
Wenn man nicht in das große Zetern und Klagen nach dem Desaster von Hannover einstimmen wollte, dann war es noch das Beste, man hielt sich im Stimmengewirr zunächst an die Analyse vom Trainer.
Obwohl er nur wenig Lust verspürte zu sprechen (verständlich), wollte er sich einer Analyse nicht verschließen: Die Anfangsviertelstunde habe er ausgeglichen gesehen. Sie hätten es ordentlich gemacht, seien bis zur Roten Karte phasenweise das bessere Team gewesen und wenn da nicht diese – unbegreiflichen- individuellen Fehler gewesen wären, dann …
Wenn man sich also das viele Hätte-Hätte und die Fahrradkette wegdenkt, würde als Fazit das herauskommen, was den vorhergehenden Niederlagen an Nettigkeiten nachgesungen worden ist:
Der VfL sei nicht die schlechteste Mannschaft in dieser Liga, er sei nur noch nicht angekommen. Wie es gehen kann, zeigten andere Clubs, deren Beispiel man bald folgen werde. Allesamt ordentliche, couragierte Auftritte. Das favorisierte Schlüsselwort dieser Lobhudelei: Augenhöhe.
Zwischenbilanz: Nicht verrückt machen lassen und auf den Trainer vertrauen …
Dazu passt der allgemeine Tenor in einschlägigen Foren und den Kommentarspalten zur VfL-Berichterstattung, dass man dem Trainer den bisher enttäuschende Saisonverlauf am wenigsten ankreiden könne.
Zwar wird ihm die eine oder andere taktische Fehleinschätzung vorgehalten, stellt man seine Aufstellungen sporadisch infrage und befindet einhellig zum Hannover-Spiel, dass die Einwechslung Cuisances in das schon verlorene Match blöd gewesen sei.
Gleichwohl ist das Vertrauen in Tobias Schweinsteiger nach wie vor hoch.
Immer deutlicher ist dagegen zu hören, dass die Kaderplanung für die 2. Liga als unzureichend kritisiert wird. Und damit gerät die erweiterte sportliche Führung, namentlich Sportdirektor Amir Shapourzadeh und Geschäftsführer Dr. Michael Welling, als Gralshüter der Finanzen, in den Fokus. Obwohl man doch davon ausgehen kann, dass der Trainer hier ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Schließlich soll er aus den einzelnen Kickern ein erfolgreiches Team bilden. Die Frage nach seiner Verantwortung für den Kader ist daher berechtigt. Offen bleibt, ob er mit allem einverstanden war, was da gelaufen ist, oder er aufgrund seiner geringen Erfahrung als Chef im Profigeschäft sich nicht genügend Gehör verschaffen konnte. Erst vor kurzem hat Schweinsteiger sich als »Grantler« geoutet, der auch mal rhetorisch grober werden kann. Vielleicht hätte er das schon früher mal offener zeigen sollen.
Man muss kein Experte sein, um jetzt zu erkennen, dass man, nach einem mehr als glücklichen Aufstieg, in der sportlichen Führung die Ausgangslage für die Zweitligasaison wohl falsch eingeschätzt hat.
So sind die Abgänge von den Aufstiegs-Helden Ba-Muaka Simakala (zu Holstein Kiel), Sven Köhler (nach Odense) und Omar Traoré (nach Heidenheim) offensichtlich unterschätzt worden und man hat nicht stark genug nachgebessert, zu wenig Zweitliga-Qualität verpflichtet. Für den Sturm keinen wirklich abschlussstarken Spieler, für die von Köhler so stark besetzte Sechserposition keinen gleichwertigen Ausgleich und fürs offensive Mittelfeld, was schon in der Vorsaison oft nur schwach besetzt war, erst in der allerletzten Transferminute etwas bewegt. Allerdings mit Cuisance einen Spieler, der mit sich selbst zu kämpfen hat, um wieder in die Spur zu kommen. Ob dafür die angeschlagene VfL-Truppe das richtige Team ist, wird sich zeigen müssen. Sein Fall zeigt, dass die gesamte Kaderzusammenstellung vom Prinzip Hoffnung beherrscht ist und weniger von Kriterien, auf die es auf dem Platz ankommt.
Auch auf den Ausfall von Kapitän Beermann wurde scheinbar nur halbherzig reagiert. Zwar kam Oumar Diakhite aus Sandhausen (wie Adjini, Makridis und Thalhammer von einem Absteiger), aber der Senegalese stand bisher nur in einem Spiel im Kader, sammelte nicht eine Minute auf dem Rasen. Da fragt man sich schon, was mit dem los ist, ob da womöglich wieder einer zur Verstärkung der Reha-Abteilung beim VfL geholt wurde, die ja ligaweit einen ausgezeichneten Ruf besitzt.
Auf den Nägeln brennt nun aber, wie die Rot-Sperre von Verteidiger Niklas Wiemann aufgefangen werden soll.
Und – da es gerade um Fragen geht – was ist mit Verhoek? Warum spielt der nicht von Anfang an? Immer noch keine Luft für wenigstens 60 Minuten?
So könnte man die Liste der Neuen durchgehen – und würde damit nur noch mehr die Hoffnung untergraben.
Seit Jahren wird die Kaderplanung beim VfL durch das Prinzip der soliden Finanzen bestimmt und seit Jahren zeigt sich, dass dieses hehre Prinzip für die Dritte Liga reicht – für mehr nicht. Wenn man also mehr will, muss man auch mehr wagen. Früher, also ganz früher, galt Fußball als ein aus der Arbeiterklasse entstandener Gegenentwurf zum Kapitalismus und seinen vom schnöden Mammon bestimmten Mechanismen. Heute ist der Fußball ein Aushängeschild für das Jonglieren mit dem großen Geld. Kapitalismus in Reinform, wobei das Geldverbrennen, sozusagen als Thrill, dazugehört.
Deshalb gilt mittlerweile auch für den Profifußball, was für Unternehmen in der Wirtschaft– und Finanzwelt per se die Regel ist: Wer wachsen will, muss investieren! Alles andere ist für Romantiker.
Oder, wie es ein Fan in einem Forum trocken auf den Punkt bringt: »Die Schatulle aufmachen und die Mannschaft spürbar (!) verstärken oder man geht ohne Chance unter.«
Natürlich muss man bei allem Risiko haarscharf haushalten, aber 2. Liga auf Sparflamme funktioniert offenkundig auch nicht richtig
Dumm nur, dass die Zeit zum Shoppen aktuell abgelaufen ist. Erst in der Winterpause kann wieder investiert werden. Wenn man daran denkt, dass Osnabrücker Sportdirektoren bei Wintereinkäufen meist ins Fallobst greifen (Ausnahme Benjamin Girth) …
Nun denn, bis dahin muss der Trainer sowieso mit denen auskommen, die auf dem Schinkelberg zum Training erscheinen. Zu beneiden ist er da nicht.
Und? Wie soll´s nun weitergehen?
An der Rolle der Fans ändert sich nichts. Für Freitag ist die Marschrichtung klar: 90+6 Minuten anfeuern, das Beste hoffen und dazu jede Menge Herforder!