Die unverhohlene Werbung von Wettanbietern im Profifußball
Ob im Stadion, im TV oder im Netz: Werbung für Wettanbieter ist rund um den Fußball allgegenwärtig. Die Vereine hüllen dabei den Mantel des Schweigens um die Thematik. Müssen wir uns also mit der Omnipräsenz von Sportwetten und Glücksspiel abfinden?
Wer die Social-Media-Kanäle des VfL in den Tagen zuvor verfolgte, stieß auf einen Werbepost des Wettanbieters Tipico, Werbepartner der 3. Liga. „VfL Osnabrück KLUB BOOST!“ war dort zu lesen. Für einen eingesetzten Euro gab es bei einem Sieg des VfL 14 Euro zu gewinnen. Für alle, die sich richtigerweise von Sportwetten fernhalten oder deren Metier nicht die Mathematik ist: das ist eine absurd(!) gute Quote, vor allem für den Favoriten.
Was nach einem verlockenden Angebot klingt ist nichts anderes als das Anfixen neuer Kunden. Der Vergleich zum Drogendealer, der einem beim ersten Aufeinandertreffen zwecks dauerhafter Kundenakquise „was zum Probieren“ mitgibt scheint nicht komplett aus der Luft gegriffen, denn machen wir uns nichts vor: Wir reden bei Sportwetten und Glücksspiel über ein Suchtmittel, das regelmäßig Existenzen zerstört. Laut Bundesministerium für Gesundheit ist bei 2,4% der 18 bis 70-jährigen in Deutschland eine „Störung durch Glücksspielen“ erkennbar. Schätzungen zufolge werden rund 75% des Umsatzes mit Süchtigen gemacht. Und diese Zahlen steigen: 2023 nahmen allein Betreiber von Onlinewetten und Casinospielen in Deutschland rund 1,6 Milliarden Euro ein, doppelt so viel wie noch fünf Jahre zuvor.
Und der Profifußball? Der spielt das Spiel mit der Sucht mit – und zwar als Werbefläche. Tipico ist sowohl Hauptpartner der 3. Liga als auch Partner der DFL und somit in allen drei Profiligen in Deutschland sehr präsent. Vom FC St. Pauli abgesehen, hat jeder Bundesligist eine Werbepartnerschaft mit einem Wettanbieter. Novoline prangt auf der Brust der Roten Teufel aus Kaiserslautern und bei der letzten Europameisterschaft waren pro Spiel im Schnitt mehr als 15 Minuten Werbung für Glücksspiel zu sehen, hauptsächlich auf Werbebanden und in Werbespots. Immerhin muss man mittlerweile nicht mehr ständig Oliver Kahn auf der Mattscheibe sehen, denn der Glücksspielstaatsvertrag von 2021 verbietet mittlerweile Werbung für Sportwetten mit aktiven Sportler*innen und Funktionär*innen.
Der Blick ins Ausland zeigt, wie viel Geld mit diesen Werbepartnerschaften eingenommen wird, aber auch, dass es die Möglichkeit der Reduzierung und Verhinderung dieser Art von Werbung gibt.
In der niederländischen Eredivisie sind Sponsoringverträge mit Sportwettenanbietern ab der Saison 25/26 verboten. Alle 18 Klubs hatten zuvor Wettpartner, fünf davon sogar als Hauptsponsor. Geschätztes Gesamtvolumen: 40 Millionen Euro pro Jahr.
In Spanien untersagt die Regierung seit 2020 jegliches Sponsoring und Werbung durch Glücksspielunternehmen im Profisport. Seitdem hat kein La Liga-Klub mehr eine Partnerschaft mit einem Wettanbieter. Die Vereine beklagten Verluste in einem hohen zweistelligen Millionenbereich.
Bereits ein Jahr zuvor versuchte in Italien die Politik diese Art von Werbung zu verbieten – mit mäßigem Erfolg. Die Vereine und Unternehmen schafften es auf unterschiedlichen Wegen, z.B. durch veränderte Marken und Subunternehmen, diese Regelungen zu umgehen. Seit Anfang 2025 können die Vereine wieder regulär Partnerschaften mit Wettanbietern eingehen. Geschätzt nehmen die italienischen Vereine rund 100 Millionen Euro mit diesen Deals ein.
Dass die Vereine auf solche Geldsummen nur sehr ungern freiwillig verzichten, leuchtet ein. Der FC St. Pauli hatte vor zwei Jahren das Ende der Partnerschaft mit bwin verkündet und danach betont auch zukünftig keine Deals mehr mit Wettanbietern abzuschließen. „Wir treffen solch mutige Entscheidungen, weil wir überzeugt sind, dass sich dieser konsequente Weg mittel- und langfristig auszahlen wird, weil die Glaubwürdigkeit unseres Vereins und unserer Marke auch für eine größere Strahlkraft für unsere Partner sorgt.“ So ließ sich Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli, damals zitieren. Beim genaueren Hinschauen entpuppte sich das Ganze aber eher als das Fischen nach leicht erreichbaren Punkten in der Moraltabelle. Im gleichen Zeitraum beendete bwin nämlich vier von fünf Werbepartnerschaften im deutschen Fußball und machte wohl auch beim FC St. Pauli Gebrauch von einer Vertragsoption, um früher aus dem Deal aussteigen zu können. Dementsprechend zeigte man sich auch bei bwin verwundert über die Worte von Oke Göttlich.
Nur kurze Zeit später wurde die Spielbank Hamburg als neuer Sponsor des FC St. Pauli vorgestellt. Ganz so, als höre das Problem mit der Glücksspielsucht direkt hinter den Sportwetten auf.
Dass die Vereine aus Eigeninitiative Verantwortung bei diesem Thema übernehmen wirkt aktuell illusorisch. Selbst beim FC St. Pauli scheint man eher an einer guten Außendarstellung interessiert zu sein als an einer wirklichen Auseinandersetzung mit der Problematik Spielsucht. Auch die Verbände werden nicht der Anstoß einer besseren Entwicklung sein, sie sind selbst Player in diesem Spiel. Wie gesagt, Tipico ist Partner sowohl der 3. Liga als auch der DFL. Bleiben die Fans und die Politik. Verschiedene Ansätze aus dem europäischen Ausland erscheinen durchaus vielversprechend. Man sollte sich auch in Deutschland auf den Weg machen um der Flut von Sportwettenwerbung etwas entgegenzusetzen. Die Fans haben in den letzten Jahren schon oft bewiesen, dass sie einen großen Einfluss haben und Dinge verändern oder verhindern können. Die Gesetze muss am Ende des Tages jedoch die Politik vorlegen.
Kehren wir noch einmal zum VfL zurück. Der Post vor dem Schweinfurt-Spiel wurde sicherlich nicht freiwillig abgesetzt. Alle Drittligisten sind aufgrund der Partnerschaft mit Tipico zu solchen Dingen verpflichtet. Aber das soll keineswegs heißen, dass der VfL sich dahinter verstecken kann. Merkur ist „Exklusivpartner“ des VfL. Das Symbol der gelben Merkur-Sonne kennt man vor allem im Zusammenhang mit Spielautomaten. Darüber hinaus bietet Merkur mit „Merkur Bets“ mittlerweile auch Sportwetten an.
Verantwortungsvoll wirkt diese Art der Werbung nicht, vor allem, wenn man bedenkt, dass der VfL eigentlich ein gebrandmarktes Kind sein sollte. Der VfL war schon selbst Teil und Opfer von Spielmanipulationen aufgrund von Sportwetten. Bei den Namen Marcel Schuon und Thomas Cichon bekommen bis heute noch viele Menschen in der Hasestadt Schaum vor dem Mund.
Darüber hinaus scheinen Wettbüros und Spielhallen die Rolle der Kneipen im Stadtteil Schinkel, der Heimat des VfL, übernommen zu haben. Wo einst an jeder zweiten Ecke Bier ausgeschenkt wurde, klimpern heute Spielautomaten und es werden Wettscheine ausgefüllt. Fast so als hätte man flächendeckend ein Suchtpotenzial durch das andere ersetzt. Der VfL hat in letzter Zeit, vor allem vor dem Hintergrund der Stadionsanierung, oft von der eigenen Verantwortung für den Stadtteil und vom Schinkel als Heimat gesprochen. Wie passt das mit dem Merkur-Deal zusammen? Sehr enkeltauglich erscheint das nicht …














