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2.300 Coronaleugner:innen demonstrieren gegen Impfpflicht

„Niemand leugnet hier Erkältungsviren“

2.300 Coronaleugner:innen, die keine sein wollen, haben am Samstag in Osnabrück für ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung und gegen eine Impfpflicht demonstriert.

In der Nähe des Berliner Platzes steht ein einzelner Gegendemonstrant auf dem Bürgersteig. Mit seinen leicht sinnfreien Sprüchen sorgt der junge Mann für Erheiterung unter den umstehenden Beobachtern der Demo. „Osnabrück bleibt geimpft“, skandiert er in sein Megaphon. Und mit ironisch-drohendem Unterton: „Ihr werdet alle geimpft.“

Foto: Osnabrücker Rundschau

Gemeint sind die rund 2.300 Demonstrant:innen, die auf dem Wallring vorbeiziehen. Sie sind gegen eine Impfpflicht und fordern ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung ein. Viele hier halten zudem nicht Corona, sondern Biontech, Moderna und Co. für die eigentliche Gefahr. So sagen es die Plakate, auf denen etwa Corona mit einer Erkältung gleichgesetzt und Vitamine zur Behandlung empfohlen werden. „Wir boostern euch, bis der Tod kommt!“ wird auf einem anderen Plakat dem neuen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in den Mund gelegt.


Aus der Mitte der Gesellschaft

Schon den zweiten Samstag infolge gehen die Demonstrant:innen in Osnabrück auf die Straße. Waren es in der Vorwoche noch rund 1.000 Menschen, hat sich ihre Zahl inzwischen mehr als verdoppelt. Und sie wollen mehr werden, wie ein Redner am Ende der Veranstaltung sagen wird. Jeden Samstag wollen sie jetzt demonstrieren.

Wer diese Menschen sind, ist schwer auf einen Nenner zu bringen. Sie seien „aus der Mitte der Gesellschaft“, so die Einschätzung von Polizeisprecher Jannis Gervelmeyer. Einige berichten, sie würden am Arbeitsplatz benachteiligt oder gar beschimpft, weil sie nicht geimpft seien. Andere wollen auf Fragen lieber erst gar nicht antworten. Ein älterer Mann wiederum reagiert verlegen. „Ja, ich gehöre auch zu denen“, sagt er und nickt rüber zur Demo.

Die Signale, die von der Demo ausgehen, sind sehr unterschiedlich. Da gibt es Zeichen der Friedfertigkeit und des Miteinanders. „Liebe, Freiheit, Grundrecht, Wahrheit“, fordert eine Frau auf ihrem herzförmigen und von einer Lichterkette umrankten Schild. Andererseits laufen Menschen mit Deutschlandflagge in dieser Demo mit. Einig sind sich die meisten offenbar darin, Opfer zu sein. Dafür machen sie sich schon mal zu NS-Widerstandskämpfern, wenn es auf der Rednerbühne heißt: „Wie sind diejenigen, die aus der Geschichte gelernt haben.“


Sie wollen die Medien in die Pflicht nehmen

Startpunkt ist der Willy-Brandt-Platz, wo sich zwar viele, aber noch nicht alle Teilnehmer:innen ab zwei Uhr nachmittags versammelt haben. Masken trägt hier fast niemand. Den Abstand von anderthalb Metern, der ohne Mund-Nasen-Schutz vorgeschrieben ist, halten die meisten nicht ein. Doch niemand greift ein. Nur hin und wieder weist jemand vom Rednerpult darauf hin, auf die Abstände zu achten.

Foto: Osnabrücker Rundschau

„Wir sind keine Coronaleugner, wie die Zeitung wieder geschrieben hat. Niemand leugnet hier Erkältungsviren. Das ist völlig schwachsinnig“, ruft der erste Redner, der seinen Namen nicht nennt. „Wir sind keine Coronaleugner“, bestärkt er noch einmal, „wir gehen hier für unsere Grundrechte auf die Straße.“ Die einzigen Leugner, die es gebe, seien die „Grundrechteleugner“.

Der Mann auf dem Rednerpult benutzt keine Schimpfwörter, wird nie ausfallend. Doch sein Tonfall ist scharf, hat einen aggressiven Unterton. So behauptet er, die Medien verbreiteten „Regierungspropaganda“. Die Corona-Pandemie sei eine „Verkaufskampagne“ der Pharmaindustrie, die nach einem vorgefassten Drehbuch verlaufe. Zu ihm gehörten Angst und Panikmache sowie die „immer gleichen Experten“ in den Medien. Der „letzte Schritt“ sei die Impfung. „Die Regierung, die verarscht uns nach Strich und Faden“, fügt er hinzu. Beweise dafür führt er nicht an. Er stellt einfach Behauptungen auf. Das scheint hier zu reichen.

Die Rolle der Medien sieht er nicht nur darin, neutral zu berichten, sondern die Regierung zu kontrollieren. Diese Aufgabe hätten sie in den vergangenen zwei Jahren nicht übernommen. „Dafür müssen wir die Zeitungen in die Pflicht nehmen“, forderte er unter dem Jubel der Demonstranten.


Fotos? Nein, danke

Der Begriff Pressefreiheit fällt in der Rede nicht. Die scheint hier auch nicht wirklich zu interessieren. Während der Demonstrationszug die etwas mehr als sechs Kilometer den Wallring entlang läuft, steht ein Pressefotograf am Straßenrand. Eine Demonstrantin, gut gepflegte blonde Haare, langer, schwarzer Wollmantel, verlangt von ihm, ein Bild mit ihr zu löschen. „Ich möchte das nicht“, beschwert sie sich und holt eine Polizistin zur Hilfe. Die aufgeregte Beamtin versucht ihr zu erklären, dass sie nicht das Recht dazu habe. „Schreien Sie mich nicht so an“, sagt die Frau und fordert erneut vom Fotografen, ihr Bild zu löschen. Der verspricht ihr schließlich, das Bild später von seiner Kamera zu entfernen – und geht weiter. Sie wolle das aber sehen, ruft die Demonstrantin ihm hinterher. Dass sie selbst gerade gegen ein Grundrecht verstoßen hat, scheint sie nicht zu stören. Oder zu wissen. Dabei garantiert das Grundgesetz in Artikel 5 das Recht der Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film. „Eine Zensur findet nicht statt“, heißt es darin wortwörtlich.


Kinder skandieren „Lügenpresse“

Foto: Osnabrücker Rundschau

Der neuralgische Punkt am Wallring: das Redaktionsgebäude der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. In der Vorwoche trat ein Demonstrant gegen eine Glastür des Gebäudes. Dieses Mal bleibt alles ruhig, so wie die Demonstration nach Angaben von Polizeisprecher Jannis Gervelmeyer überhaupt „friedlich und störungsfrei“ verlaufen sei.

Selbst das Wort „Lügenpresse“ ist kaum zu hören. Nur eine Gruppe von Kindern skandiert den Begriff. Ein Mädchen aus der Gruppe hält sich dabei ein Mikro vor den Mund und strahlt in die Smartphonekamera eines Mannes, während im Hintergrund die NOZ-Redaktion zu sehen ist.


Demo wird abgebrochen

Zur Abschlusskundgebung kommen sie alle wieder auf dem Willy-Brandt-Platz zusammen. 2.300 Menschen sind es inzwischen; einige haben sich erst im Laufe der Demonstration angeschlossen. Auf dem Platz werden weitere Reden gehalten. Und eigentlich hätten es wohl mehr sein sollen. Doch die Polizei lässt die Demonstration abbrechen. 2.300 Menschen ohne Maske auf einem Platz dieser Größe seien unter Corona-Bedingungen zu viel, so Gervelmeyer. Die Veranstalter zeigen sich einsichtig und beenden die Demo.

Und wie zufrieden sind die Veranstalter mit der Demo? Fragen dazu wollen sie der „Osnabrücker Rundschau“ vorerst nicht beantworten. Von ihnen ist nur zu erfahren, dass etwa 2.000 Teilnehmer:innen dabei gewesen seien. Ob sie Fragen doch noch beantworten, hänge davon ab, „ob Sie fair berichten“, so einer der Veranstalter zur „Osnabrücker Rundschau“.

 

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